Geschichte des Radios

Radio Dreyeckland (Grether)

RDL ist das älteste freie Radio in Deutschland. Von 1977 bis 1980 nannte es sich 'Radio Verte Fessenheim'. Bis 1988 sendete RDL ohne Lizenz als 'Piratenradio'.  

 

Hier ist die Geschichte:

 

1977

Elsässische KKW-Gegner besetzen in Heiteren/Elsaß den Standort für einen Strommast der Überlandleitung Fessenheim-Paris. Ein Freundschaftshaus wird gebaut.Nach vorheriger öffentlicher Ankündigung wird am 4. Juni um 19:45 Uhr die erste Sendung von RVF vom Platz um den besetzten Atomstrommast bei Heiteren ausgestrahlt. Trotz geringer Reichweite des Senders erregt die zwölfminütige Sendung viel Aufsehen. RVF sendet von nun an Samstags ab 19:45 Uhr auf UKW 101 MHz. Die Beiträge werden auf französisch, deutsch und alemannisch gesprochen. Im Dezember findet die allgemeine konstituierende Versammlung von Radio Verte Fessenheim (RVF) in Ribeauville statt.

 

1978

In Lörrach bildet sich eine Unterstützergruppe für RVF, die bald mit Sendungen der "Antenne Lörrach" beginnen wollen. Erste Live-Sendung von RVF. Zusammen mit 15 anderen freien Radios in ganz Frankreich wird aus dem Maseveau-Tal im Elsass gesendet. Hintergrund: Der Streik der dortigen TextilarbeiterInnen. Walter Moßmann schreibt in Bremen das "Liebeslied auf 101 Megahertz

1979

Das RVF wirbt mit einem Plakat und gibt seine Sendezeiten bekannt: Freitags und Samstags 19:45 Uhr und geht auch auf der badischen Seite auf Sendung. RVF spielt das Lied: RVF, Radio Verte. Antenne Freiburg von RVF berichtet regelmäßig über den Wyhl-Prozess in Mannheim, in dem die Baugenehmigung eines AKW verhandelt wird. In Lörrach findet ein Prozeß gegen zwei AKW-Gegner statt, denen vorgeworfen wird, einen RVF-Sender betrieben zu haben.Der SFB bringt eine einstündige Sendung mit dem Titel "Radio schönes Delirium, die Ätherpiraten von Fessenheim". Bei einem Großeinsatz der Freiburger Polizei in Zusammenarbeit mit Peilwagen der Post wird eine mobile Sendeanlage von Radio Vert Fessenheim beschlagnahmt.

 

1980

Störfall im AKW Fessenheim, RVF berichtet über den Unfall nach dem Konzept des Katastrophenmelders. Radio Freies Wendland sendet mit Hilfe von RVF im Landkreis Lüchow-Dannberg. Die regionalen Antennen von RVF führen eine Debatte über die Zukunft des Senders und diskutieren, sich in Radio Dreyeckland umzubenennen. Das SEK stürmt ein besetztes Haus am Dreisameck. RVF berichtet in Sondersendungen.

 

1981

In Freiburg spitzt sich der Häuserkampf zu. RVF durchbricht in Sondersendungen die Nachrichtensperre der bürgerlichen Medien und stellt Gegenöffentlichkeit zu den Diffamierungen der BesetzerInnen von Dreisameck und Schwarzwaldhof her. RDL kündigt in der alternativen Stadtzeitung (SZ) an, bei Baubeginn in Wyhl täglich zu senden und wirbt um Freundeskreismitgliedschaften. Im April nennt sich Radio Verte Fessenheim in Radio Dreyeckland um und sendet regelmässig jeden Donnerstagabend um 19:45 Uhr.
Das 3. bundesweite Treffen der Freien Radios findet im September in Freiburg statt. Es wird eine gemeinsame Erklärung zu den Grundsätzen freier Radioarbeit - Freiburger Thesen - veröffentlicht.

 

1982

AtomkraftgegnerInnen veranstalten eine Pfingstradtour zum Protest gegen Umweltzerstörung im Dreyeckland. RDL berichtet live und beginnt mit diesem "Aktionsradio" den Livebetrieb aus dem Studio in Colmar.
Im Oktober gibt es eine Versammlung zur Vereinsgründung (e.V.) des Freundeskreis RDL in der Fabrik (Habsburgerstraße). Im November  wird eine Broschüre zur Frage der Legalisierung des Senders veröffentlicht.

 

 

1983

In Erlangen findet ein Kongreß Freier Radios aus der BRD statt. Der Freundeskreis RDL ist offiziell ein eingetragener Verein. Radioseminar in Freiburg u.a. zu Interviewpraxis und Sendungen, Musik.

 

1984

Veranstaltung von RDL zur regionalen Radiopolitik: "Radio Dreyeckland sendet frei! Citywelle wird ein faules Ei!" Die Citywelle ist direkter Konkurrent von RDL.Auf Basis einer Ausnahmegenehmigung ermöglicht die Landeserierung dem Verelger der Badischen Zeitung, Hodeige, in Kooperation mit dem SWF ein eigenes Progarmm aufzubauen.
Auf regelmäßigen Redaktionssitzungen wird die medienpolitische Mobilisierung für RDL erarbeitet und Sendungen werden koordiniert. RDL-Freiburg beginnt im Oktober mit täglichem Sendebtrieb aus dem Studio in Colmar. Der Sendebetrieb ist von Colmar aus legal. Im November stellt RDL beim Landtag von Baden-Württemberg einen Antrag auf eine Sendelizenz.


1985

Zahlreiche Gruppen und Initiativen erklären, das Stadtradio zu boykottieren. Der Landtag berät über ein neues Landesmediengesetz zur Zulassung von privatem Rundfunk und Einrichtung der Medienbehörde 'Landesanstalt für kommunikation' (LfK). Beginn des Radio-Frühlings im April. RDL sendet öffentlich eine Woche lang im Grethergelände auf 101,7 MHz. Die Polizei sucht auf dem Grethergelände erfolglos nach dem Sender von RDL. In der Freiburger Innenstadt demonstrieren ca. 4000 Menschen für RDL und gegen den Polizeieinsatz vom Vortag. Die Grünen legen im Mai im Stuttgarter Landtag einen Gesetzentwurf zur Legalisierung von RDL vor. Das Gesetz wird abgelehnt.


1986

Im Januar führt erneut die Polizei auf dem Grether-Gelände eine erfolglose Aktion gegen RDL durch. Dabei werden vier Personen verhaftet. RDL veröffentlicht nach 2 1/2 Monaten Sendepause sein aktuelle Programm und verkündet, einen Lizenzantrag stellen zu wollen. In Tschernobyl kommt es im AKW zum Gau. Im RDL-Mitgliederrundbrief wird auf die Bedeutung von Gegenöffentlichkeit in diesem Fall hingewiesen. Im Oktober stellt RDL einen Lizenzantrag. RDL stellt das Buch "Zum Beispiel Radio Dreyeckland" fertig. Ausführlich werden Geschichte und Praxis des Freien Radios beschrieben.

1987

Mai: Gespräch zwischen RDL und LfK. Die LfK zieht ernsthaft in Betracht, an RDL eine Lizenz zu vergeben. Workshop zur Vorbereitung auf die RDL-Lizenz zu Geschichte, Möglichkeiten, Praxis eines Freien Radios. 1. Teil. Ein für Ende Mai angesetztes Einigungsgespräch aller Freiburger Sendelizenzbewerber wird kurzfristig von der LfK verschoben. Ab Oktober sendet RDL wieder regelmäßig aus dem Studio in Colmar. Die LfK lädt die Frequenzbewerber, darunter RDL und der Badische Verlag, zu einem Einigungsgespräch ein, um über Teilung der Lokalfrequenz zu verhandeln.

 

1988

Im Januar erteilt die LfK RDL offiziell die Zulassung für eine geteilte Frequenz.Der für den 7. März geplante Sendestart von RDL muss nach dem Einspruch des Badischen Verlages verschoben werden. Der Badische Verlag bewirbt sich konkurrierend um die Frequenz von RDL. Etwa 500 Personen demonstrieren für ein freies Radio (RDL) mit täglich 24 Stunden Sendezeit. Während RDL, Badischer Verlag und FR 1 noch um die Frequenzen ringen ist der Privatsender Schwarzwaldradio in Südbaden bereits auf Sendung.  Im Juli RDL feiert 4015 Tage Sendebetrieb. Am 23. Juli geht RDL zum ersten Mal legal auf Sendung. Die Lizenzbehörde genehmigt allerdings lediglich vier Stunden tägliche Sendezeit. Im November schließlich stellt die LfK die Lizenzurkunde aus für die Vollfrequenz von RDL auf 102,3 MHz, nachdem der Badische Verlag seine Sendeplänen zurückgezogen hatte.


1989

Aufgrund von Sexismusvorwürfen wegen eines Flyers zu einer Musiksendung wird in RDL das Sendestudio besetzt.  Die Frauenredaktion von RDL tritt in den Streik. Bestreikt werden alle Radiogremien. Die Redaktion sendet aber weiter.  Die FrauenLesbenredaktion erklärt sich autonom vom Gesamtradio.

 

1990

Die LfK will RDL hohe Postgebühren erlassen. RDL mobilisiert für eine bessere Stellung des nichtkommerziellen Rundfunks im neuen Landesmediengesetz. Projektbeginn von "Ein Stadtteil bringt sich zu Gehör". Damit beginnt der Aufbau der Redaktionsgruppe Nachrichten aus Weingarten.


1991

Die USA beginnen mit Luftangriffen auf den Irak. RDL berichtet zwei Tage lang fast ununterbochen über den Krieg der USA gegen den Irak und Anti-Kriegsaktivitäten. In den folgenden Wochen ist die Berichterstattung Schwerpunkt im RDL-Programm. In der Folge gibt es einen erbitterten Antisemitismusstreit im Radio, der auch in z.T. extra angesetzten Mitglieder- und HörerInnenversammlungen geführt wird. Im Dezember kann Radio FR1 sein Sendegebiet ausweiten, während die Anträge von RDL für weitere Frequenzen von der LfK abgelehnt werden.


1992

Das Projekt InterKonneXiones (IKX) beginnt. Es dient der Unterstützung neuer Formen der internationalistischen und feministischen Berichterstattung. Im Mittelpunkt steht die Vernetzung freier Radios in Europa und Lateinamerika. Der Querfunk Ratschlag 1992, ein Kongress der Freien Radios, findet in Freiburg statt. Der RDL-Journalist Stephan Waldberg wird am Grenzübergang Habur (Türkei) verhaftet.

1993

In Baden-Württemberg gründet sich die Assoziation Freier Gesellschaftsfunk (AFF) als Verband der Freien Radios in Baden-Württemberg. Im Januar wird Stephan Waldberg von einem Staatssicherheitsgericht zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Das Urteil wird im April in Ankara bestätigt (Vorwurf: Unterstützung der PKK)

 

1994

Eine Dokumentation zum Projekt 'Jugendradio im Dreyeckland' wird veröffentlicht.

 

1995

Zu ihrem gemeinsamen 18. Geburtstag senden RDL-Freiburg und RDL-Colmar live aus Colmar.

 

1996

Die LfK befragt freie Radios, ob sie nach dem Verbot einer PKK-Demonstration noch dazu  aufgerufen hätten. Sie verdächtigt dabei RDL zur verbotenen Newroz-Demonstration der PKK aufgerufen zu haben und verlangt die Vorab-Planung von Berichten über die Demonstration. bei ihr einzureichen Als RDL Rechtsmittel einlegt, verweigert die LfK die Zahlung der  Mittel aus der Rundfunkgebühr und schreibt in ihre Förderrichtlinien, dass Freie Radios, die gegen Rechtsvorschriften verstoßen, von der Förderung ausgeschlossen werden und blockiert damit die RDL zustehenden Mittel aus den Rundfunkgebühren. RDL wehrt dagegen vor den Verwaltungsgerichten erfolgreich: nach acht Monaten muss die LfK auszahlen.


1997

Migrantinnentreffen europäischer Freier Radios in Freiburg.

 

1998

Radio Dreyeckland wirbt für sein neues Programmschema. Der Niedergang der Info-Schiene schlägt sich in künftigen Schwerpunktsendungen von 18:00 bis 19:00 Uhr nieder. Bundestagswahl. Die Regierungsübernahme durch die Rot-grüne-Koalition bringt nicht die auch im Umfeld von manchen freien Radios erhofften Verbesserungen für alternative Kultur und Politik.

 

1999

Das Vernetzungsprojekt IKX wird dezentralisiert. IKX veröffentlicht eine Broschüre zum Abschluss des internationalen Vernetzungsprojekts Freier Radios. Erstmals veröffentlicht RDL ein ausführliches Programmheft. Der kurdische RDL-Redakteur Ömer Polat wird, entgegen der Zusicherung deutscher Behörden, auf dem Standesamt verhaftet und in die Türkei abgeschoben. RDL protestiert gegen dieses Vorgehen. Mit einer Lesung von Jutta Bergt beginnt die RDL-Veranstaltungsreihe "Dokumente zur Vergangenheitspolitik".


2000

Mit einem Einführungsworkshop beginnt das Projekt Mischkult - Interkulturelle Jugendredaktion von RDL. Sondersendewoche zur Mitgliederkampagne. RDL sendet live von verschiedenen Orten in der Innenstadt.

 

2001

Polyphonia, das Radioprojekt gegen Diskriminierung startet. Juli 2001: Sendebeiträge können über das Internet übertragen werden. RDL kann dadurch aktuelle O-Töne über den Weltwirtschaftsgipfel in Genua senden. Am ersten Tag wird Carlo Giuliani von einem Polizisten erschossen. An diesem und an den fogenden Tagen protestieren mehr als 100.000 Menschen gegen die Folgen der Globalisierung. RDL berichtet ausführlich über die Proteste. Das gemeinsame Audioportal der Freien Radios www.freie-radios.net ist im Netz.


2002

RDL feiert 25jähriges Bestehen. RDL startet eine Sendereihe zu Antisemitismus in der Linken und in RDL. Tausende blockieren eine NPD-Demo am Freiburger Hauptbahnhof. RDL beteiligt sich mit Liveberichterstattung. zip-fm, das Infomagazin der Freien Radios startet. Das Buch "Wenn wir weg sind, ist alles nur noch Geschichte" wird vorgestellt. Es enthält die Beiträge Überlebender aus der RDL-Reihe "Dokumente zur Vergangenheitspolitik".

 

2003

Antragsschluß für den Sende-Neuzulassungszeitraum 2004-2011. "Her mit den schönen Frequenzen!" Übertragungswagen-Tour der neun lokalen, nichtkommerziellen Radios Baden-Württembergs. Gemeinsam wird für den Erhalt von Frequenzen für Freie Radios geworben. Die LfK entscheidet über die nichtkommerziellen Lizenzen bis 2012. In Karlsruhe und Stuttgart müssen sich die Freien Radios die Frequenzen mit Hochschulradio bzw. Lernradio teilen. Im Oktober RDL erhält eine Sendelizenz bis zum 31.12.2011

 

2004

Die BZ meldet, dass die LfK dem Uni-Radio Freiburg eine Sendelizenz erteilt hat. Jahrelang hatte die LfK behauptet, eine weitere Frequenz in Freiburg sei allgemein unmöglich, wenn RDL eine Verbesserung seiner Empfangbarkeit gefordert hatte.


2005

RDL startet eine Werbekampagne für mehr Frequenzen und mehr Mitglieder. Durch starke Sender auf Nachbarfrequenzen ist RDL im Freiburger Stadtgebiet immer schlechter zu empfangen.

 

2006

Das Europamagazin Focus Europa geht Ende Januar für ein Jahr auf Sendung. Das Verwaltungsgericht Stuttgart entscheidet im Streit mit der LfK zugunsten von RDL. Radio Dreyeckland darf sein Programm uneingeschränkt auch in Schopfheim ausstrahlen. Geplanter Sendestart von Uni-Radio wird verschoben. RDL und Uniradio streiten um Frequenz

 

2007

Radio Dreyeckland wird 30 Jahre alt! Das Jubiläum wird mit einer großen Gala im Freiburger E-Werk begangen. Sommer: Die LfK streicht RDL die Fördergelder, die es für seine Frequenz  104.5 Mhz über die Hohe Möhr erhalten sollte, die sich RDL zur Hälfte mit Radio Kanalratte (Schopfheim) teilt.  Begründung: Es finde zu wenig regionalbezogene Berichterstattung statt. Dabei betreibt RDL in Lörrach ein Studio, um für die dortige Region zu berichten. In einer großen Spendenaktion versucht RDL die nötigen 25.000 Euro Spenden zum Überleben einzuwerben. Innerhalb von drei Monaten erfährt RDL eine großartige Solidarität. Eine noch nie dagewesene Spendenbereitschaft sichert schließlich das Überleben.

 

2008

Zum 1. Januar verliert RDL die Frequenz 104.5 Mhz am Hochrhein. Die Sendetätigkeit hatte sich RDL mit 'Radio Kanalratte' aus Schopfheim zur Hälfte geteilt. Als die Frequenz für 2008 von der LfK neu ausgeschrieben wurde, bemüht sich RDL im Gegensatz zu früheren Jahren vergeblich bei Radio Kanalratte um eine gemeinsame Bewerbung auf die Frequenz. RKR entscheidet sich stattdessen für eine Bewerbung auf eigene Faust  und bekommt diese schließlich Ende 2007 von der LfK in vollem Umfang zugesprochen. Damit sendet RDL seit 2008 nur noch vom Sender Vogtsburg auf der 102.3 Mhz.

 

2009

Die kommerziellen Radios in Baden-Württemberg erhalten pauschal eine Verlängerung ihrer Lizenz bis Ende 2015. Ursprünglich sollten 2012 die Frequenzen turnusgemäß für acht Jahre neu ausgeschrieben werden. Da in Baden-Württemberg aber 2016 der digitale Rundfunk eingeführt werden soll, gab die LfK dem Drängen der kommerziellen Radios nach, die Lizenz um 4 Jahre formlos zu verlängern. Erst auf Drängen von RDL und anderer freien Radios wurde diese Regelung auch auf die nicht-kommerziellen Radios erweitert.

 

Aktuelle Infos unter http://www.rdl.de