Polizeieinsatz im Schlossgarten: Mappus wusste Bescheid

Erstveröffentlicht: 
18.12.2010
Ausschuss. Der Polizeieinsatz vom 30. September war mit heißer Nadel gestrickt. Stefan Mappus wusste das. Von Reiner Ruf

 

Der Untersuchungsausschuss zum Polizeieinsatz im Schlossgarten ist gestern an einem entscheidenden Punkt angelangt. Aus den Darlegungen des Landespolizeipräsidenten Wolf Hammann wie auch des Amtschefs des Innenministeriums, Günther Benz, ging hervor, dass die Frage, wann die Baumfällaktion über die Bühne gehen sollte, erst während der Besprechung im Staatsministerium in Anwesenheit des Ministerpräsidenten Stefan Mappus entschieden wurde. Das war am Nachmittag des 29. September - also einen Tag vor dem „schwarzen Donnerstag". Ministerialdirektor Benz sagte vor dem Ausschuss: „In der Besprechung im Staatsministerium wurde der Einsatzzeitpunkt auf zehn Uhr vorverlegt."

Zunächst hatte Stuttgarts Polizeipräsident Siegfried Stumpf den Einsatz auf den 30. September, 15 Uhr, angesetzt. Allerdings war dieser Termin verraten worden, weshalb nun die Entscheidung anstand, die Aktion auf eine andere Uhrzeit zu verlegen - oder den Einsatz ganz abzublasen und weiter in den Oktober zu verschieben. Dem stand allerdings entgegen, dass Mappus für den 6. respektive den 7. Oktober eine Regierungserklärung zu Stuttgart 21 eingeplant hatte. Das war sowohl den in das Projekt Stuttgart 21 eingebundenen Ministerien wie auch dem Polizeipräsidenten Stumpf bekannt.

Aus naturschutzrechtlichen Gründen durfte erst vom 1. Oktober an mit der Baumfällaktion begonnen werden. Das war dann aber auch schon die einzige Gelegenheit für den Ministerpräsidenten, noch vor seiner Regierungserklärung Handlungsfähigkeit zu beweisen. Denn es folgte der Tag der Deutschen Einheit, der weitere Polizeikräfte band, dazu musste sich die Polizei um das Volksfest auf dem Wasen sowie um Fußballspiele kümmern. Für den Schlossgarten hätten nicht genügend Beamte zur Verfügung gestanden.

Landespolizeipräsident Hammann hatte ursprünglich dem Gedanken zugeneigt, den Polizeieinsatz zu verschieben. In einem Vermerk vom 29. September schrieb Hammann, bei einer Vorverlegung der polizeilichen Maßnahmen in den Vormittag des 30. September müsse die Absperrlinie um das Baufeld den ganzen Tag bis Mitternacht (dem frühestmöglichen Baumfälltermin) gegen den Druck mehrerer Tausend Personen gehalten werden. Dies könne trotz der angeforderten und zugesagten Hundertschaften aus verschiedenen Bundesländern sowie der Mobilisierung aller eigenen Kräfte nicht garantiert werden. Mit dem Wegfall des Überraschungseffekts und der Anwesenheit vieler Menschen im Park sei „mit verhältnismäßigen Mitteln eine Räumung - und damit ein Beginn der Baumfällarbeiten - nicht möglich".

Gegen Mittag des 29. September erhielt Hammann überraschend davon Kenntnis, dass für 16 Uhr eine Besprechung im Staatsministerium angesetzt worden war. Als er dort ankam, traf er auf den Polizeipräsidenten Stumpf, der ihm sagte, er wolle den Einsatz auf 10 Uhr des 30. September festsetzen, also um fünf Stunden vorverlegen. Bei der Besprechung entspann sich dann der Aussage des Ministerialdirektors Günther Benz aus dem Innenministerium zufolge eine Diskussion, bei der „alle Varianten" der Einsatzterminierung durchgesprochen worden seien.

Während der Besprechung verließ Landespolizeipräsident Hammann kurzzeitig den Raum, um mit seinem Mitarbeiter Dieter Schneider zu telefonieren. Schneider ist der Inspekteur der Polizei. Bei diesem Telefonat erfuhr Hammann, dass man von anderen Bundesländern „wohl" ausreichend Polizeieinheiten erhalten werde, um den Einsatz kurzfristig auf 10 Uhr des Folgetages zu legen. Ganz sicher erschien das aber offenbar nicht. Nach Aussage sowohl Hammanns wie auch von Benz wurde erst im Verlauf des Abends deutlich, dass es reichen würde. Dennoch lenkte Hammann bei der Besprechung im Staatsministerium, an der auch Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) teilnahm, ein und akzeptierte Stumpfs Vorschlag. „Ich hab mich überzeugen lassen", sagte Hammann vor dem Ausschuss. Stumpf wiederum habe befürchtet, bei einer Verschiebung des Einsatzes werde sich der Widerstand im Park verfestigen und die Baumfällaktion noch mehr erschweren. „Das war alles sehr plausibel", sagte Hammann. Tatsächlich war bis zum Zeitpunkt des Polizeieinsatzes in der Protestszene noch nicht bekannt, wo das Baufeld liegt. Die Baumbesetzer saßen auf den falschen Bäumen.

Ministerialdirektor Benz bestätigte, dass im Staatsministerium auch die Jugenddemonstration zur Sprache kam. „Das kriegen wir in den Griff", habe Polizeipräsident Stumpf gesagt. Dass der Einsatz schieflaufen könnte, war im Staatsministerium ebenfalls bekannt. „Nach Beginn der Aktion kommt ein Abbruch nur im Notfall in Betracht", schrieb der Abteilungsleiter Michael Kleiner am 28. September unter Berufung auf Polizeipräsident Stumpf in einem Vermerk an Mappus. Vor dem Ausschuss betonte Landespolizeipräsident Hammann aber, die Politik habe der Polizei nicht ins Handwerk gepfuscht. „Sonst könnte ich diese Aufgabe nicht machen."