"Frau, die Milch kocht über!" Es muss irgendwann Anfang der Achtzigerjahre gewesen sein. Unser Nachbar Herr Fröhlich saß in der Küche, bemerkte, dass die Milch auf die Herdplatte schäumte und tat, was zu tun war. Er rief seine Frau. Die eilte sogleich aus dem Waschkeller herbei und rettete die Milch. Mein Vater war Zeuge dieser Szene und zusammen mit dem uralten Bilderwitz aus der Funk Uhr, in dem ein Mann zu seiner Frau, die schwer beladen vom Einkaufen kommt, sagt: "Schatz, was trägst du denn so schwer, geh doch zwei Mal", gehörte dieser Ausruf von da an zum Familienrepertoire. "Frau, die Milch kocht über!" kam damals schon aus einer anderen, längst untergegangenen Welt, einer Welt, in der Männer Drohnen waren und Frauen Arbeitsbienen. Eine Welt, an die wir heute erst recht nur noch sehr ferne Erinnerungen haben, nicht wahr?
"Deutschland
gehört neben Irland, Griechenland, Luxemburg, Australien, Spanien und
Italien zu den Ländern, in denen sich die Erwerbsbeteiligung der Väter
mit mehreren betreuungsbedürftigen Kindern von der der Mütter besonders
stark unterscheidet."
Dieser etwas komplizierte Satz findet sich
auf der Homepage des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen
und Jugend. Er bedeutet: Sobald es in einer Ehe Kinder gibt, bleibt die
Frau zu Hause, und der Mann arbeitet. Können Männer eigentlich Kinder
und Karriere unter einen Hut bringen? Diese Frage wird nie gestellt und
zwar zu Recht, denn für Männer existiert diese Problematik nicht. Eine
Studie aus der Schweiz kommt zu dem Ergebnis, dass 90,1 Prozent aller
männlichen Führungskräfte verheiratet sind, aber nur 41 Prozent der
weiblichen. Die Emanzipation der Frau hat bisher hauptsächlich für
Männer Verbesserungen gebracht: Frauen kümmern sich nun nicht mehr bloß
um Haushalt und Kindererziehung, darüber hinaus verdient die Frau jetzt
auch noch Geld. Schon seit einigen Jahren wird bei manchen
Entwicklungsprojekten in Drittweltländern Geld nur noch an Frauen
ausgezahlt, weil diese es für ihre Familien verwenden, während Männer
dazu neigen, es für sich selbst auszugeben. In Deutschland käme
natürlich niemand auf den Gedanken, Sozialhilfe für Familien an die
Frauen auszuzahlen, denn deutsche Männer sind ja vollständig
emanzipiert. Oder?
Renate Schmidt, Ministerin für "Gedöns" unter
Gerhard Schröder, sagte, "die Angst vor dem feuchten Textil, ob Windel,
Wäsche oder Wischlappen" sei "bei Männern ungebrochen". Zwei Minuten
täglich wenden Männer für Hausarbeit auf. Zwei Minuten im Haushalt
müssten einem als Mann eigentlich genauso peinlich sein wie zwei Minuten
beim Sex. Denn am Sex scheitern Ehen in der Regel nicht. Karriere der
Frau (68 Prozent), Haushalt (67 Prozent) und Beruf versus Privatleben
(50 Prozent) sind nach einer Allensbach-Studie die größten
Konfliktfelder zwischen Männern und Frauen. Sexualität nennen nur knapp
30 Prozent als Problem (vermutlich, weil sie sich daran nicht mehr
erinnern).
Zwei Minuten brauche ich alleine schon, um an der
Waschmaschine den Feinwaschgang zu finden. Ich bin selber erstaunt, denn
wenn mir meine Freundin mit ihrer freundlichen Pädagoginnenstimme, die
sie benutzt, wenn sie merkt, dass ich gerade wieder einmal drei Jahre
alt geworden bin, erklärt, wie es geht, dann sehe auch ich: Den
Feinwaschgang kann ich da einstellen, wo auf der Maschine Feinwäsche
draufsteht. Aber in der Hitze des Gefechts trübt sich mir oft der Blick.
Es verlangt mir schon übermenschliche Kräfte ab, zu entscheiden, mit
welchen anderen Farben zusammen ein hellblaues Hemd gewaschen wird. Auch
als Mann, der in einem gentrifizierten Viertel lebt, in dem sogar die
Rindersteaks, die ich beim Biometzger kaufe, in
nicht-geschlechtsdiskriminierenden Ställen von veganen Lesbierinnen
großgezogen wurden, mache ich eben nicht alles richtig.
Katja,
eine Bekannte, die Genderakrobatik oder so studiert, fragte meine
Freundin und mich einmal, wer denn bei uns die Pille bezahle. "Ich hole
die Pille in der Apotheke ab, wenn ich sowieso da bin, und bei dieser
Gelegenheit ...", setzte meine Freundin an und wurde von einem Aufschrei
meiner feministischen Bekannten unterbrochen. "Aha! Das ist nämlich so
typisch. Ich habe gerade erst an der Uni eine Umfrage gemacht, und es
ist immer so: Männer scheren sich nicht um Verhütung. Wer bezahlt, ist
da ein ganz klares Indiz." Ich war zutiefst beschämt. Meine Freundin
stotterte etwas von "schon okay", und zählte ein paar Sachen auf, die
ich bezahle und von denen sie auch profitiert, aber Katja ließ
Ausflüchte nicht gelten: "Nein, nein, nein. Wenn ich schon Hormone
schlucken muss, dann MUSS der Mann die Dinger selber abholen und
bezahlen. Alles andere ist Sexismus." Ich fühlte mich, als hätte sie
gerade meinen Ku-Klux-Klan-Mitgliedsausweis entdeckt. Reicht es nicht,
irgendwie nett zu sein, einkaufen zu gehen, zu spülen, zu schnipseln,
Bereitschaft zu signalisieren, eines fernen Tages Windeln zu wechseln,
das Bad zu reinigen, bei der Magisterarbeit zu helfen und andere Frauen
zu ignorieren, oder ist man als Mann im Grunde immer ein notdürftig
rasierter Taliban? Abends habe ich mir dann zur Beschwichtigung ein
Schuljungenkostüm und tolle Wäsche drunter angezogen und mich lasziv
durch die Wohnung bewegt. Scheiß Emanzipation.
Früher waren die
Dinge klarer. Gott hielt nicht viel vom weiblichen Geschlecht, und
deswegen sagte er zu Eva, der Stellvertreterin aller Frauen: "Du sollst
mit Schmerzen Kinder gebären; und dein Verlangen soll nach deinem Manne
sein, und er soll dein Herr sein."
Man hatte mit der Erbsünde
eine praktische Begründung dafür, warum Frauen immer den Abwasch machen
mussten. Heute machen Frauen immer noch den Abwasch, aber kaum jemand
glaubt, dass das etwas mit Eva, Adam und der Schlange zu tun hat. Man
glaubt stattdessen, das sei halt in den Genen festgeschrieben.
Entschuldigung, der letzte Satz ist Unsinn. Genau darum tobt ja der
ganze Streit im Endeffekt: Ist Geschlecht nur soziales Konstrukt oder
biologisch festgetackert?
Man kann nicht mit letzter Sicherheit
entscheiden, ob Männer und Frauen von Geburt an unterschiedlich sind. Es
gibt feststellbare statistische Unterschiede in Verhaltensweisen und
Vorlieben, die für die einzelne Person nichts aussagen, aber nun einmal
so sind wie sie sind. Es ist dabei gleichgültig, ob sie von Natur aus
gegeben sind oder durch die deutlich unterschiedliche Erziehung, also
lassen Sie uns der Einfachheit halber so tun, als seien alle sich einig,
dass Frauen die gleichen Möglichkeiten im Leben haben sollten wie
Männer. Und da wird es leider offensichtlich, dass die bisherigen
Bemühungen um Chancengleichheit in eine Sackgasse geführt haben.
Schon
zum Jahr der Frau 1975 schrieb der Spiegel, dass Mädchen deutlich
bessere Schulnoten als Jungs hätten und die Männer vermutlich abgehängt
werden würden. Fast wortgleich werden heute die gleichen Sorgen durch
das Feuilleton getragen, als hätten nicht die vergangenen 35 Jahre
gezeigt, dass bessere Noten für die Frauen nicht mit einem besseren
beruflichen Fortkommen einhergehen. Für eine Karriere braucht man
Eigenschaften, die Frauen nicht anerzogen werden, und man braucht einen
Partner, der einen unterstützt. Es verhält sich in der Welt der
Wirtschaft so, als würde ein Mann beim Hundertmeterlauf der Frauen
teilnehmen. Die Regeln sind so gemacht, dass sie Männern nützen, sie
sind von Männern gemacht, und Männer bestimmen die
Teilnahmeberechtigung. Wie soll man da als Frau in den Wettbewerb treten
können?
Clay Shirky, Professor für Neue Medien an der New York
University, erzählt in seinem Blog von einem früheren Studenten, der ihn
um ein Empfehlungsschreiben bat. Shirky ließ den Studenten das
Schreiben aus Bequemlichkeit selbst aufsetzen, musste es dann aber
erheblich dämpfen, da die Begeisterung des Studenten von sich selbst
dermaßen überzogen war, dass es klang, als habe nicht ein Mensch,
sondern eine PR-Agentur die Empfehlung verfasst. Selbst mit den von
Shirky vorgenommenen Abmilderungen war es das beste
Empfehlungsschreiben, das er je abgegeben hatte. Mit einer solchen
Empfehlung in der Tasche hat der größenwahnsinnige Student nun natürlich
die besten Voraussetzungen für eine steile Karriere. Eine Karriere, die
Frauen verwehrt bleibt, so Shirky, weil sie schlecht darin seien, sich
wie "selbstdarstellerische Narzissten, antisoziale Besessene und
aufgeblasene Aufschneider" zu verhalten.
Man bräuchte neue
Spielregeln für ein Miteinander, man bräuchte eine Gesellschaft, in der
nicht der, der am lautesten Alphamännchen spielt, sich durchsetzt. Auf
das Spielerische kommt es auch in anderer Hinsicht an: Es kann sehr
schön sein, zeremoniell Rollen einzunehmen, Türen aufzuhalten, in Mäntel
zu helfen, die Kinokarten zu bezahlen. Dr. Rainer Ehrlinger, der
Ethikratgeber des SZ-Magazins, wurde von einem Mann gefragt, ob er
richtig handelte, als er unter Berufung auf die Geschlechtergleichheit
einer Bekannten die Hilfe beim Aufpumpen ihres Fahrradreifens verweigert
habe. Genau richtig, befand der Ethikexperte, Klischees
aufrechtzuerhalten sei schließlich ein Übel, und sowieso könne die Frau
ruhig selber pumpen.
Wie gut muss es ein geschlechtergerechter
Mann haben! Er kann auf Frauenparkplätzen sein Auto parken, muss sein
Geld nicht in Blumen investieren, kann zuerst aus einem brennenden
Gebäude sprinten, und wenn sein Schiff von einem Eisberg gerammt wird,
ist es völlig in Ordnung, Frauen und Kinder aus den Rettungsbooten zu
schubsen. Hey, schließlich wollen die doch auch wählen gehen und Mathe
studieren! Es wird fürchterlich anstrengend und unschön, wenn man nichts
mehr tun darf, was mit einem Geschlechterklischee verbunden ist. Das
habe ich bei der Schnittchenaffäre gemerkt. Bereits von zwei Bekannten
ist meine Freundin dabei erwischt worden, dass sie mir ein Brot machte.
Das ist ein echter Skandal, nur noch einen Schritt davon entfernt, sich
die Schürze umzubinden und zu Mutter Beimer zu werden.
Diese
Brote sind ein Verrat, eine Zementierung längst hinter uns geglaubter
Traditionen, der Dolchstoß in den Rücken einer jeden berufstätigen Frau.
"Der kann sich doch wohl selber ein Brot schmieren!" Natürlich kann ich
das. Genauso, wie meine Freundin sich selber Wasser in ihre Flasche
füllen kann. Aber ich fülle ihre Flasche auf, damit sie sitzen bleiben
kann. Nicht, weil sie keine Beine hätte, sondern weil es um winzige
Gesten geht in einer Beziehung. Weil das Wasser besser schmeckt, wenn es
einfach so neben dir steht, und du nicht aufstehen musst. Weil ich dein
Mann bin, und dein Durst mein Feind ist.
Schnittchen sind im
Schnitt kein Problem, das Problem ist die Wirklichkeit. Und die steht
spätestens dann im Türrahmen, wenn ein Kind da ist. Wenn ein
berufstätiges Paar ein Kind bekommt, steht die Frau vor folgendem
Problem: Sie verdient im Schnitt 25 Prozent weniger als der Mann; hinzu
kommt, dass der Mann auch dann nicht im Haushalt mitarbeitet, wenn die
Frau berufstätig ist. Die "neuen Väter" bleiben ein urbaner Mythos. Die
Frau kann sich also ausrechnen, wie viel Zeit er mit den Kindern
verbringen wird. Sie hat demnach die Wahl zwischen einem Dreifachjob,
also Hausarbeit, Kindererziehung und Beruf zu dreiviertel der Bezüge des
Mannes - oder sie bleibt zu Hause und lernt das Gesamtwerk Benjamin
Blümchens kennen. Und Halbtagsstellen? Die sollten doch wohl eher
Halbgeldstellen heißen, denn gerade höhere Positionen werden nicht gerne
aufgeteilt - wo bliebe sonst auch der Spaß bei Machtspielen? - aber die
Hälfte bezahlen ist schon ganz in Ordnung.
Langweilt es Sie,
wenn Skandinavien dauernd als Vorbild hingestellt wird? Dann müssen Sie
da jetzt durch: Schweden verhält sich beim Thema Emanzipation zu
Deutschland, wie Deutschland sich beim Erfinden von immer schnelleren
Autos zu Burkina Faso verhält. 1974 hat Schweden das Elterngeld
eingeführt, zu dieser Zeit wurden Männer in Deutschland noch angestaunt,
wenn sie einen Kinderwagen vor sich herschoben und ihre Frau nicht
schlugen. In der New York Times ("In Sweden, the Men can have it All")
wird die schwedische Europaministerin mit der hübschen Aussage zitiert,
"Machos mit Dinosaurierwerten" würden es nicht mehr in die
Attraktivitäts-Top-10-Listen schwedischer Frauenmagazine schaffen. Was
darauf hindeutet, dass man zwei Geschlechter benötigt für einen Wandel:
Männer, die ihren Daseinszweck nicht mehr in einer 80-Stunden-Woche
sehen, und Frauen, die bei der Auswahl auf die weichen Faktoren achten
wie "Hört mir zu", "Geht einkaufen", "Ist kein Arschloch". Väter, die
sich eine Auszeit für ihre Kinder nehmen, sind in Schweden so üblich
geworden, dass Frauen keine finanziellen Einbußen mehr hinnehmen müssen.
Denn, ob ein Unternehmen nun eine Frau oder einen Mann einstellt: Beide
würden im Fall einer Geburt der Firma für einige Zeit fehlen. Weil
Männer ihre Vorstellung vom Mannsein längst mit dem Anschnallen eines
Babybjörn übereinbringen, und Frauen nicht mehr zu Hause unter
Windelbergen verwahrlosen und abhängig vom Taschengeld sind, sinkt sogar
die Scheidungsrate. Die Liebe ist auf dem Weg der Besserung bei den
Schweden. Einer der Gründe dafür, dass Frauen weniger verdienen, liegt
übrigens darin, dass sie nach der Geburt eines Kindes häufiger zu Hause
bleiben, was nach männlicher Logik bedeutet, dass Frauen selber schuld
daran sind, wenn sie weniger verdienen. Ohne Bezahlung zwei Jobs, oder
bei geringer Entlohnung drei, das ist die Wahl, die Frauen haben. Und
damit bleiben sie die Packesel der Emanzipation.
Aber stürzen
sich Frauen nicht sehenden Auges in die Unmündigkeit, weil sie einfach
nichts studieren, was Geld und Karriere verspricht? Warum studieren so
viele Frauen Floristik, Solalalogie, Saunatuchkunde und
Vasenhinundherschieberei? Ich weiß es nicht. Ich weiß bloß: Wenn sie
einen Männerstudiengang belegen, wird es auch nicht leichter (wenn
übrigens viele Frauen ein Männerstudium absolvieren, dann sinkt es im
Ansehen, und die Entlohnung in den Tätigkeitsfeldern sinkt, weil: siehe
oben).
Meine große Schwester hat Maschinenbau studiert, ein Fach,
von dem man damals, sie fing 1984 an, recht unverhohlen sagte, eine
Frau habe da keine Chance. Und schreiben nicht Allan und Barbara Pease
("Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken") Buch um
Buch darüber, dass Frauen eben kein mathematisches Verständnis haben,
und räumliches schon gar nicht? Meine Schwester war eine von drei
Studentinnen unter 1 000 Männern in ihrem Studienjahrgang. Kam sie in
den Hörsaal, wurde gejohlt und hatte sie einen Rock an, dann ließ man
sie absichtlich über die Bänke klettern. Als sie mit einem Kommilitonen
zusammen ein Projekt vorstellte, fragte der Professor anzüglich
grinsend: "Was haben Sie denn dafür getan?" Aber meine Schwester ist aus
besonderem Material geschnitzt, aus echtem Ingenieursmaterial eben, und
sie machte sich hervorragend. Sie veröffentlichte ein, nein: DAS Buch
über Kunststoffrecycling, promovierte summa cum laude und holte
Millionen an Geldern aus der Industrie an die Uni. Vielleicht würden
Allan und Barbara Pease Ja sagen, das sei kein Wunder, schließlich sei
sie als Frau eben besonders geschickt im Umgang mit Menschen -
vielleicht würden sie auch einfach mal den Mund halten. Wenn mir meine
Schwester die Integralrechnung mit einem Beispiel, das ich sofort
verstand, erklärt hat, während es mein Mathelehrer gar nicht erst
versuchte, habe ich nie gedacht: "Klar kann sie das erklären, sie ist
halt eine Frau." Ich dachte einfach immer, dass meine Schwester der
klügste Mensch weit und breit sei. Meine Schwester schickte sich also
an, die Welt des Maschinenbaus aus den Angeln zu heben, dann bekam sie
zwei Kinder und blieb daheim. Das ist, als hätte Josef Ackermann seine
Karriere aufgegeben, um auf Spielplätzen rumzusitzen. Meine Schwester
hatte den Ehrgeiz, den Intellekt und die akademischen Weihen, die man
braucht für eine Karriere. Aber sie wollte bei ihren Kindern sein. Es
ging nicht um Geld, das war reichlich vorhanden, es wäre weder schwierig
noch zu teuer gewesen, die Kinder von jemand anderem betreuen zu
lassen.
Ich fand diese Entscheidung skandalös. Was für eine
Verschwendung geistigen Potenzials. Genaue Kenntnis der Dramen in der 1 b
der Luise-Hensel-Grundschule anstelle von Revolutionen in der
Kunstofftechnik? Aber heute denke ich: Welcher Mann hätte diese
gewaltigen Eier, seine Karriere einfach abzublasen? Die Geschichte
meiner Schwester ist nicht symbolisch zu verstehen. Sie bedeutet nicht,
dass Frauen eben einen Brutinstinkt haben. Die Geschichte steht ganz
allein für sich selbst als Geschichte einer emanzipierten Frau, die
ihren eigenen Kopf hat. Schade bloß, dass so wenige Männer über ihren
Kopf verfügen (wobei die meisten Frauen nicht auf spülende Daheimbleiber
stehen, aber das ist eine andere Geschichte).
Jeder halbwegs
emanzipierten Frau wird meine Schwester jetzt als blöde Glucke
erscheinen, denn das ist ein Naturgesetz: Eine Frau kann sich nur falsch
entscheiden. Die einen machen aus dem Recht auf Erwerbsarbeit eine
Pflicht, und wer gerne bei seinen Kindern bleiben möchte, ist eine
Verräterin. Für die anderen ist jede kinderlose Frau, die Karriere
macht, eine frigide Fregatte. Dieses Naturgesetz gilt ausnahmslos für
jede Frau. Eine Frau begibt sich mit der Geburt ihres Kindes nicht
einfach in ein Dilemma, sie begibt sich ins tiefe Tal der Dilemmata,
dort, wo niemals die Sonne scheint und man nur noch vor sich
hinstolpert. In diesem tiefen Tal ist die Frau dann unzufrieden. "The
Paradox of declining female happiness" heißt eine Studie von Justin
Wolfers und Betsey Stevenson. Frauen werden seit Jahrzehnten immer
unglücklicher. Das hat Auswirkungen. Denn die Frauen versuchen
natürlich, aus ihrem Unglück herauszukommen. Der beliebteste Fluchtweg
ist die Scheidung. Dem statistischen Bundesamt zufolge werden 57 Prozent
der Scheidungen von Frauen beantragt, "im Vergleich zu 36 Prozent bei
den Männern. Sieben Prozent entfallen auf gemeinsame Antragstellungen".
Der
Neuanfang führt auch für den Mann zu einem ganz neuen Leben - der
Pädagoge Martin R. Textor kennt die Probleme, die mit der Scheidung auf
Männer zukommen: "Da ihnen das Kochen Probleme bereitet, verschlechtert
sich ihre Ernährung. Auch essen sie unregelmäßig und nehmen häufig
Mahlzeiten am Imbissstand oder in Restaurants zu sich."
Das
Kochen bereitet den Männern Probleme. Ich schreibe den Satz gleich noch
einmal hin, weil er so hübsch ist. Das Kochen bereitet den Männern
Probleme. Ich lasse Sie jetzt mit diesem Satz in zweifacher Ausführung
alleine.
Der Text ist ein Auszug aus Malte Weldings Buch "Frauen
und Männer passen nicht zusammen - auch nicht in der Mitte. Warum die
Liebe trotzdem glücklich macht". Es erscheint am 6. Dezember im Piper
Verlag (8,95 Euro).