Die Westsahara befand sich in den letzten 20 Jahren niemals näher an der Rückkehr zum Krieg als bisher. Am Montag hat marokkanisches Militär das Protestcamp in der Wüste vor den Toren der Hauptstadt der Westsahara Al-Aaiún gestürmt und niedergebrannt. Dabei starben nach sahrauischen Angaben etliche Menschen. Erst jetzt werden zahlreiche Leichen gefunden, gestern erneut acht, darunter auch ein siebenjähriges Kind. Haus für Haus durchsuchen die Soldaten die Stadtteile, in denen die Sahrauis leben, suchen Aktivisten und plündern die Wohnungen. Auf den Listen stehen vor allem die, die das Camp Anfang Oktober organisiert haben, obwohl die Regierung behauptet hat, es habe sich um friedliche Leute gehandelt (siehe Hintergrundartikel).
Marokko hält die Westsahara seit 1975 völkerrechtswidrig besetzt, besiedelt das Land der Sahrauis gezielt mit Marokkanern und benachteiligt die Sahrauis systematisch. Die Proteste werden gewaltsam unterdrückt. Marokko tut alles, um die Auflagen der UNO, die 1991 zum Waffenstillstand geführt haben, auszuhöhlen und die UNO schaut zu. Statt das Referendum über die Unabhängigkeit soll das Gebiet nur eine begrenzte Autonomie. Rabat verstößt auch gegen die Auflage, keine Schusswaffen einzusetzen und hat schon im Oktober einen 14jährigen erschossen, der mit anderen Wasser und Medikamente ins damals abgeriegelte Camp bringen wollte. In den letzten Tagen kann man deutlich davon sprechen, dass Marokko die Waffenruhe gebrochen hat.
Der sahrauischen Befreiungsfront POLISARIO fällt es immer schwerer die Menschen zur Zurückhaltung aufzurufen. Sie geht aber davon aus, dass Marokko mit dem Sturm die neuen Friedensgespräche abwürgen wollte, die in New York am Montag begonnen haben. Mit der aktuellen Eskalation stellt Marokko erneut unter Beweis, dass es nicht an ernsthaften Verhandlungen oder einer diplomatischen Lösung des Konflikts interessiert ist.
Stattdessen soll der Konflikt ausgesessen werden und der Status Quo, der Marokko die Ausbeutung der Bodenschätze in der Westsahara sichert, um jeden Preis verteidigt werden. Marokko baut auf die stillschweigende Zustimmung der europäischen und amerikanischen Regierungen. Besonders die EU profitiert von den reichen Phosphat- und Fischvorkommen der Westsahara und hat Marokko als Partner in der Abwehr von Flüchtlingen nach Europa zum Kettenhund im Vorfeld gemacht. Hinzu kommt nun auch noch das Desertec-Projekt, denn das Pilotprojekt, Wüstenstrom für Europa in der Sahara zu produzieren, dürfte Marokko in dem besetzten Gebiet planen. Die Vorgänge sind hier in einem Hintergrundartikel dargelegt.