Anlässlich des Gedenkens an das Schicksal der Badener jüdischen Glaubens während des deutschen Faschismus veranstaltet die Katholische Akademie der Erzdiözese Freiburg eine ausgedehnte Vortragsreihe. Thematisiert werden neben dem Schicksal der jüdischen Bevölkerung, der faschistische Terrorapparat sowie der Widerstand dagegen. Es geht also in erster Linie um eine Erinnerung an die Opfer des Faschismus und um die mörderhafte Ideologie und Wirklichkeit des Antisemitismus – sollte man meinen.
Sauer stößt auf, dass im Rahmen dieser Reihe am Mittwoch, 10. November 2010 ab 20:15 Uhr eine Veranstaltung mit dem so genannten „Extremismusforscher“ Eckehard Jesse in der Albert-Ludwig-Universität Freiburg im KG I/Hörsaal 1015 stattfindet. Der Vortrag Jesses trägt den Titel „Politischer Extremismus in Deutschland – Was ist „harter“, was ist „weicher“ Extremismus?“. Anhand eines solchen Schemas sollen die Partei Die Linke sowie die faschistische NPD charakterisiert werden.
Das von Jesse propagierte Extremismusmodell ist von sehr simpler Natur. Gemäß einem Hufeisen meint er, sei es möglich politische Strömungen zu charakterisieren. Der demokratischen „Mitte“ stellt er zwei gleichartige und gleich schlechte Ränder gegenüber, die sich gegenseitig bedingen und benötigen würden und auch noch wesensgleich seien. Solch unwissenschaftliche und verkürzte Schemata eignen sich nicht zur Analyse politischer Strömungen!
Was hier von Seiten der Katholischen Akademie und des Studium generale geplant ist, ist ein ungeheuerlicher Akt des Geschichtsrevisionismus. Der Rahmen einer Veranstaltung zum Gedenken an Verfolgte des Naziregimes soll dazu missbraucht werden, gegen beispielsweise die Partei Die Linke zu hetzen. Diese wird mit der NPD, und im Gesamtzusammenhang der Veranstaltungsreihe, auch mit dem deutschen Faschismus und dessen antisemitischer Praxis, in ein und dieselbe „extremistische“ Ecke gestellt.
Hier wird also eine Nähe gerade derjenigen politischen Richtung zum Faschismus suggeriert, die in der Vergangenheit gnadenlos von den Nazis verfolgt wurde und am erbittertsten gegen dieses Unrechtsregime gekämpft hat. Allein diese historische Tatsache sollte die von Jesse propagierte Wesensgleichheit von „Links-“ und „Rechtsextremisten“ Lügen strafen. Nicht die extremistischen Kommunisten bildeten mit Hitler eine Regierung, sondern die Konservativen aus der demokratischen „Mitte“ machten mit den Nazis gemeinsame Sache!
Nicht nur, dass auch sämtliche seriösen Forschungen Jesse widersprechen, nein, Jesse ist auch als Person untragbar. Zu nennen wäre hier hauptsächlich sein Mitwirken an der faschistischen Zeitung „Mut“ sowie wiederholte antisemitische Äußerungen seinerseits, die ihn als Referenten endgültig disqualifizieren.
Wir fragen nun die Veranstalter der Vortragsreihe, ob sie Jesse wirklich im Gedenken an die nach Gurs deportierten Juden referieren lassen wollen. Wer im Faschismus keine Gefahr sieht, diesen herunterspielt und den Kampf gegen rechts sabotiert, die Gegner des Faschismus überwachen und diskreditieren will, und einen derart unsensiblen Umgang mit Antisemitismus pflegt, sollte in eine solche Vortragsreihe nicht eingebunden werden.
Wir fordern von der Katholischen Akademie und dem Studium generale die Ausladung Jesses!
Natürlich würden wir eine Ersatzveranstaltung, die dem Anlass des Gedenkens an die nach Gurs deportierten Menschen gerecht wird und Antifaschisten nicht verhöhnt, sehr begrüßen.
Doch wir werden nicht zulassen, dass Jesse in diesem Rahmen eine Bühne für seine rechts-konservativ motivierte Pseudowissenschaft erhält.
Unterstützende Gruppen (alphabetisch):
Antifaschistische Linke Freiburg (ALFR)
Die Linke Kreisverband Freiburg
Die Linke.SDS Freiburg
DGB-Hochschulgruppe Freiburg
DKP Freiburg
Linksjugend Freiburg
REVOLUTION – internationale kommunistische Jugendorganisation
SDAJ Freiburg
SJD – Die Falken Ortsverband Freiburg
UStA der PH Freiburg
ver.di Jugend Südbaden
VVN-BdA Freiburg
Ausführlicherer Artikel:
Antifaschistische Linke Freiburg vom 29.10.2010
Presse:
Badische Zeitung vom 05.11.2010
Red Globe vom 05.11.2010
Junge Welt vom 06.11.2010