„Farbe, Buttersäure, Grillanzünder“

Ernstgemeinte Ankündigung? Am Eingangstor eines Recyclinghof am Arberger Hafendamm in Bremen steht "03.10. RIOT!" Foto: dpa
Erstveröffentlicht: 
27.09.2010

Gewalttäter drohen mit Krawallen und Anschlägen bei den zentralen deutschen Feiern zum 20. Jubiläum der Wiedervereinigung in Bremen. Im Internet kursiert ein martialischer Aufruf.

 

 

BREMEN - Es soll ein unbeschwertes Bürgerfest werden, aber inzwischen fallen Schatten auf die zentralen deutschen Feiern zum 20. Jubiläum der Wiedervereinigung in Bremen. Neben friedlichen Bürgern und hochrangigen Politikern haben sich auch Gewalttäter angekündigt. Von Freitag bis Sonntag werden mehrere hunderttausend Gäste in der Hansestadt erwartet. Der Regierungschef Jens Böhrnsen (SPD) des kleinsten Bundeslandes hat derzeit den Vorsitz im Bundesrat inne, deshalb richtet es die Einheitsfeiern aus.

Im Internet kursiert ein martialischer Aufruf: „Hauptsache es knallt! 20 Jahre Wiedervereinigung: es wächst zusammen, was zerstört gehört!“ Anti-nationale, sich als links verstehende Extremisten propagieren darin, „die Einheitsfeier zu einem Desaster zu machen“. Sie erwähnen auch Hilfsmittel: „Farbe, Glasbruch, Buttersäure“ (also Stinkbomben) und „Grillanzünder“. Die anonymen Gegner der „deutsch-nationalen Siegerposen“ drohen Organisatoren und Unterstützern der Feier: „Diese haben Namen, Adressen und oft auch schicke Autos vor der Tür.“ Die „nationale Supersause“ diene der „Beschwörung der Volksgemeinschaft“, solle dem „völkischen deutschen Nationalismus ein ‚unbeflecktes‘ Gewand überziehen“ und die „ausgebeutete“ Bevölkerung befrieden, bei Bockwurst und Bier. Daher also: „Demonstrieren, sabotieren, stören!“

Einen Vorgeschmack lieferten Unbekannte, die jüngst etwa zehn Gebäude in Bremen und Umgebung mit Steinen sowie Farbspray angriffen und den Schriftzug „3. 10.“ hinterließen. Er fand sich auch im Zusammenhang mit der Brandstiftung in einem Bremer Altpapierlager, Schaden: mehr als 100.000 Euro.

Die Polizei ist in Alarmbereitschaft. Insgesamt 3000 Beamte sollen die Prominenten schützen, die am Sonntag zum Festakt in der Stadthalle und teils schon vorher zum Ökumenischen Dom-Gottesdienst erwartet werden: Bundespräsident Christian Wulff, Kanzlerin Angela Merkel, die Präsidenten von Bundestag, Bundesrat und Verfassungsgericht, die meisten der 16 Ministerpräsidenten, EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso, Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, hohe Kirchenvertreter und viele weitere.

 

Polizei fürchtet dezentrale, nächtliche Aktionen

Die Polizei sichert aber nicht nur die illustren, sondern auch die gewöhnlichen Gäste, die zum zweieinhalbtägigen „Bürgerfest“ erwartet werden. Bund und Länder präsentieren sich dort mit Informationsständen, die einstige DDR-Band Karat spielt auf dem Marktplatz, die einstige BRD-Sängerin Nena tritt am Europahafen auf, Prominente paddeln in Drachenbooten um die Wette.

Die Polizei hofft, dass es hier friedlich bleibt. Sie fürchtet eher dezentrale, nächtliche Aktionen gegen Symbole des Staates und schaut außerdem besorgt auf eine „anti-nationale und linksradikale Demonstration“ am Samstagnachmittag, die von Randalierern umfunktioniert werden könnte.

Da werden Erinnerungen an 1994 wach, als schon einmal der 3. Oktober zentral in Bremen gefeiert wurde. Die Bilanz damals: demolierte Schaufenster, abgefackelte Autos, verletzte Polizisten und 350 vorläufige Festnahmen. Um keinen Anlass für weitere Auseinandersetzungen zu liefern, reiste der damalige Bundespräsident Roman Herzog sogar vorzeitig ab. So weit soll es diesmal nicht kommen. Polizei-Einsatzleiter Stefan Kiprowski hat seiner eigenen Familie empfohlen, aufs Bürgerfest zu gehen. Kiprowski zur Frankfurter Rundschau: „Wir sollten uns die Festivitäten nicht durch diese Leute versauern lassen.“