Gestern nahmen nach Veranstalterangaben bis zu 1000 Menschen an den
Protesten gegen das Gelöbnis der Bundeswehr in Stuttgart teil. "(...)
Bereits im Vorfeld fanden einige Aktivitäten statt, um deutlich zu
machen, dass das militaristische Spektakel nicht erwünscht ist. U.a. gab
es eine Kundgebungen mit Infotisch, eine Besetzung der Kirche, in der im Rahmen des Gelöbnisses der Gottesdienst abgehalten wurde, sowie einen Flashmob mit Agit-Prop Aktion.
Selbst in den bürgerlichen Medien überwogen die Berichte über die
Proteste im Vorfeld und nicht das Gelöbnis. Bei einer Online-Umfrage
der Stuttgarter Zeitung sprachen sich gar fast 60 Prozent gegen ein
öffentliches Gelöbnis in Stuttgart aus.(...)" (Linksunten, "Erster Bericht")
"(...) Das Ordnungsamt tat im Vorfeld das seinige um die Proteste zu erschweren. Mehreren AktivistInnen wurde die Leitung von Kundgebungen verboten und durchweg schikanöse Auflagen erlassen, etwa eine Höchstlänge für Transparente von 3 Metern. (...)" (Ebenda)
Ein großer Teil der Protestierenden - nach Angaben des Ermittlungsausschusses 77
- wurden von der Polizei in Gewahrsam genommen. Unter anderem wegen der
Bezeichnung "Schnittlauch" gegenüber einem Polizeibeamten:
"(...)
Der Großteil der Festnahmen fand vor der St. Eberhardskirche in der
Königsstraße statt, wo viele u.a. mit einer Sitzblockade gegen den dort
geplanten Militärgottesdienst protestierten. Bei den Festnahmen ging
Polizei mit großer Brutalität vor, vor allem durch Verdrehen von Arm-
und Handgelenke kam es zu mehreren Verletzten. (...) " (Ermittlungsausschuss)
Die
lautstarken Proteste konnten das Gelöbnis bedauerlicherweise nicht
verhindern, sorgten aber mit vielfältigen Störaktionen immerhin dafür,
dass die "Öffentlichkeit" nur unter erschwerten Bedingungen dem
militaristischen Spektakel beiwohnen konnte (Einkaufstaschen und
Gesichtskontrollen beim Einlass in den "öffentliche" Teil des
Schlossplatzes vor der Jubiläumssäule). Und wenn Interessierte dann vor
endlich Ort waren, wurde das Verfolgen der Reden von Mappus und
Konsorten wegen der schlechten Akustik deutlich erschwert. Zudem
tummelten sich in diesem Bereich Burschenschaftler, Reservisten,
Bundeswehrfanclubs und andere lichtscheue Gestalten...
Eine Chronologie des Tages - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - mit Dank an die Demobeobachtergruppen des Stuttgarter Bündnisses für Versammlungsfreiheit:
Am Blockadepunkt 2 - beim Palast der Republik
gab es einen Infostand mit ca. 40 Demonstranten. Die Polizeipräsenz lag
bei 20 BeamtInnen bis 30 in jeder Himmelsrichtung sowie einigen
versteckte. Problemloser es kam zu Durchsuchungen von Rucksäcken der
potenziellen Demonstrationsteilnehmer. Zu Beginn der Aktion wurden die
Auflagen wurden verlesen, es waren Demonstrationssanitäter waren vor
Ort.
Kurz vor 10.00h wurde die Kundgebung beendet und die
Demonstranten wollten sich Richtung Hotel Silber bewegen. Die Polizei
wollte den Standortwechsel verhindern und behauptete, dass die
Demonstranten bleiben müssen. Nach Protesten wurde die Auflagen erteilt,
die Fahnen zusammen zu rollen und sich in kleinen Gruppen bis maximal 2
Personen dorthin zu bewegen. Beim Weg dorthin fiel auf, dass am
Schlossplatz viele Passanten kontrolliert wurden, je jünger, desto höher
die Chance, dass man kontrolliert wurde.
Am Blockadepunkt 3 - Eugenstr. - Ecke Urbanstr. wurden Flyer
verteilt. Auf 7 Demonstranten kamen 4 Polizisten, davon ein
Kontaktpolizist. Die bekannte Polizeipräsenz im Umfeld bestand aus ca. 5
Streifenwagen. Bei Ankunft gab es eine Personenkontrolle, die
Begründung dafür ist nicht bekannt. Der Kontaktbeamte betonte, den "Grundsatz der Versammlungsfreiheit" zu gewährleisten...
Am Künstlercafe gab
es eine Absperrung, an der eine Gruppe von ca. 10 jungen Leuten
aufgehalten wurde. Hier fiel die Präsenz der berittenen Polizei auf. Die
Demonstranten durften nicht direkt über den Schlossplatz, sondern sind
letztendlich auf Höhe der Karstadtpassage auf die Königstr. gelangt.
Danach kam es zu einem Einsatz bei der Eberhardskirche.
Bei einer angemeldeten Kundgebung am Hotel Silber
nahmen mehrere Dutzend DemonstrantInnen teil, es gab einen Infotisch,
ein Auto war mit einem Transparent bespannt. 2 Gruppen Polizisten à
fünf Beamte. Am Charlottenplatzeingang (U-Bahn) waren die Beamten voll
gepanzert, Schlagstock und mehrere nicht klar zu identifizierende Waffen
waren zu sehen. Es gab zwar keine Personenkontrollen, im Vorfeld wurde
jedoch das Banner bemängelt, da es "zu lang war" bzw. der Aufruf „Gelöbnis verhindern“ als Aufruf zur Straftat gewertet wurde.
Als
eine weitere Demonstrationsgruppe mit fünf bis sechs Leuten dazustieß,
wurde der Kamerawagen vorgefahren; dazu wurde die Polizeipräsenz um 20
bis 30 BeamtInnen erhöht.
Ca. 10.30h kamen die Demonstranten vom Palast der Republik dazu. Zu
diesem Zeitpunkt sind vier berittene Polizisten am Hotel Silber
aufgezogen. Die Kamera auf dem Polizeiwagen wurde ebenfalls
einsatzbereit gemacht. Es erging die Anweisung an die Demonstranten, die
Straße freizuhalten, diese wurde dann allerdings durch die Polizeiwagen
blockiert.
Kurz nach 11.00h wurde die Versammlung am Hotel
Silber aufgelöst, der Großteil der Versammlung ging Richtung
Eberhardskirche. Dort gab es eine Spontanversammlung.
Um 11.20h verhandelt der Einsatzleiter mit den Demonstranten, die
Versammlung aufzulösen. Die Trommeln der Demonstranten übertönten den
Gesprächsversuch. Beim Weggehen fiel von einen der Polizisten der Satz „Dann halt mit Gewalt….“
Die
Polizisten zogen sich auf die Treppe vor der Kirche zurück, Die
Demonstranten wurden mit vier unterschiedlichen Kameras abgefilmt,
durchgehend auch während der Räumung. Auf der Höhe H&M wurden Gitter
aufgebaut, der Durchgang war nur noch eingeschränkt möglich.
11.45h wurde die Absperrung zum H&M geschlossen.
11.56h Durchsage der Polizei (Lautsprecherwagen) war wegen der Trommeln nicht verständlich.
11.58h zweite Durchsage, ebenfalls nicht verständlich.
12.00h dritte Durchsage ebenfalls nicht zu verstehen.
12.02h Formierung der Einsatzkräfte, daraufhin setzten sich die Demonstranten direkt vor die Treppe der Kirche und skandierten.
12.05h
wurde das obere Ende der Königstr. (Richtung Königsbau) ebenfalls
abgesperrt. Die Eingänge zur Gloriapassage wurden durch Gitter
abgesperrt. Gleichzeitig bewegten sich die Polizisten auf die
Demonstranten zu, vermummten sich teilweise, zogen Helme auf und zogen
die Einsatzhandschuhe an.
Danach rückte eine geschlossene Front
von Polizisten auf die Demonstranten zu und drängten diese mit Gewalt
(Schubsen, Schläge mit der flachen Hand, abdrängen auf Hindernisse)
Richtung H&M. Die stehenden Demonstranten wurden komplett geräumt,
die sitzenden wurden vorerst nicht behelligt. Teilweise mussten
Polizisten von ihren Kollegen zurückgehalten werden, um nicht auf die am
Boden liegenden Demonstranten zu treten. Beim Rückwärtslaufen wurden
von den Demonstranten zwei Tische umgeworfen, mit der Absicht, die
Polizei am weiteren Vorgehen zu hindern. Die restlichen Tische wurden
von den Beamten beiseite geschoben, dabei kam es auch zu Beschädigungen
des Mobiliars und des Geschirrs, welches auf einem Servierwagen stand.
Lediglich
einige Gewerkschaftsfunktionäre und die Demonstrationsbeobachter und
Presseleute durften durch die Linie der Polizei. Der Rest wurde aus dem
abgesperrten Teil gedrängt. Währenddessen wurden auch Platzverweise
erteilt, und es wurde gedroht, Kameras der Demonstranten bzw der
Demonstrationsbeobachter zu konfiszieren.
Das Filmen der Polizeiaktion durch Demobeobachter des Bündnisses für Versammlungsfreiheit wurde behindert bzw. verboten, die Demonstrationsbeobachter wurden dabei gegen ihren Willen durch Beamte mehrfach geduzt.
12.12h
sollten alle Demonstrationsbeobachter nach Aussage des Polizisten
Rolsdorf des abgesperrten Bereichs verwiesen werden. Dies geschah jedoch
nicht. Die Polizei versuchte in der folgenden Viertelstunde den
abgesperrten Bereich zu "beruhigen", was letztendlich auch gelang.
Ca
12.30h begann die Polizei die sitzenden Demonstranten vor der
Eberhardskirche abzuführen. Bei dieser Aktion wurden mehreren Aktivisten
die Handgelenke verdreht, teilweise knieten sich die Beamten auf den
Brustkorb/Rücken der sitzenden/liegenden Demonstranten.
Die abgeführten Aktivisten wurden im Anschluss festgenommen und ihre
Personalien wurden festgestellt. Die Rote Hilfe nimmt die Daten der
Verhafteten auf. Bis zum Ende der Demonstration wurde kein einziger
Festgenommener freigelassen. Unter den Festgenommen waren mindestens
drei Gewerkschaftssekretäre. Die Bundestagsabgeordnete der Partei "Die
Linke", Annette Groht war vor Ort und half mit, die Namen der in Gewahrsam genommenen zu erfragen.
Um
12.55h war der Platz vor der Eberhardskirche geräumt, zeitgleich kamen
antifaschistische Aktivisten vom Platz der Republik. Die Polizei
versuchte die Rasenfläche des Schlossplatzes komplett abzusperren.
13.10h
Ein älterer Mann wird von der Polizei während des Rückwärtslaufens
geschubst, dass er stürzt. Zeitgleich werden die einlaufenden Soldaten
von der Menge ausgepfiffen und als Mörder bezeichnet.
Währenddessen
versucht die Polizei eine Gruppe von fünf Demonstranten der FDP die
Menge mit dem Schild „Danke Soldaten“ zu provozieren. Eine Gruppe von ca
50 Polizisten schützte diese "Demonstranten" sofort, obwohl diese
Metallstangen mit sich geführt haben, die problemlos als
Schlaginstrumente benutzt werden können. Nach Hinweis der Demonstranten,
dass dies wohl nicht zulässig sei, sagten die Polizisten, dass nicht
bekannt sei, ob es für die FDP solche Auflagen gäbe.
13.20h Der Abtransport der gefangenen Demonstranten beginnt.
13.27h
versucht ein Demonstrationsbeobachter heraus zu finden, wohin die
Inhaftierten gebracht werden, die Auskunft wurde nicht erteilt. Die
Kundgebung am Schlossplatz (vor Wittwer) erfolgte ohne Störungen.
Trotzdem wurden auch hier durch die Polizei Aufnahmen gemacht. Lt.
Durchsage war Teil der Auflagen, dass kein Transparent breiter als 3m
sein durfte. Trotz dieser Auflage gab es keine Einwände, dass einige
Transparente länger waren, negativ von Seiten der Polizei war lediglich
das Filmen der Veranstaltung.
14.00h Rückkehr der Soldaten von
der Kirche zum Sammlungspunkt hinterm alten Schloss. Es kam zu massiven
Pfeifkonzerten, einige Beamten versuchten daraufhin die
Vuvuzelas/Pfeifen einiger Demonstranten zu konfiszieren. Diese
verweigerten die Herausgabe, woraufhin keine eingezogen wurde.
Allerdings versuchten die Polizisten die Demonstranten durch
Diskussionen einzuschüchtern.
14.45h wurde die Demonstration am
Schlossplatz aufgelöst, trotzdem verteilte sich der Großteil der
Demonstration rings um die Absperrung, hinter der das Gelöbnis
stattfinden sollte. Trotz des Lärms wurde das Gelöbnis durchgeführt, die
Polizei ging zwar mehrfach zwischen die Demonstranten, trotzdem konnten
am Schlossplatz keine weiteren Verhaftungen beobachtet werden.
Allerdings wurden wiederholt Filmaufnahmen gemacht. Zeitgleich wurde die
anwesende Sambaband im Schlosspark durch die Polizei festgesetzt, die
Instrumente der Band wurden unter dem Vorwurf der Lärmbelästigung
beschlagnahmt und dabei teilweise beschädigt.
15.40h rückte die Polizei in die Nähe der Demonstrationsteilnehmer,
da angeblich Leute versucht hätten die Steine zu lockern, um diese als
Wurfgeschosse zu missbrauchen. Nach einer Begehung vor Ort konnte dieser
Vorwurf nicht bestätigt werden.
16.30h Die Demonstration löst
sich endgültig auf. Nach Berichten auf Indymedia kam es anschließend
noch zu Verhaftungen. Die Polizei gibt an, dass 500
Demonstrationsteilnehmer anwesend waren, es kam zu 77 Festnahmen, die
Veranstalter gehen von einer deutlich höheren Beteiligung aus.
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