Hier einige gesammelte Bilder von gestern aus Kabul, wo eine wütende Menge im Botschaftsviertel von Kabul zwei Fahrzeuge der US-Botschaft mit Steinen und Knüppeln angriffen und schließlich in Brand gesetzt hat. Zahlreiche afghanische Polizisten, die Gewehrschüsse „in die Luft“ abgaben, sowie ISAF-Soldaten wurden von Steinwürfen verletzt als sie versuchten, die Gegend abzusperren und die Riots zu stoppen.
Auch an anderen Orten Afghanistans gibt es aktuell - wie immer wieder in den letzten Wochen und Monaten - Proteste gegen Aktionen des internationalen Militärs.
Es gelang der Polizei und ISAF-Militär gestern nicht die Gegend abzuriegeln. Es versammelten sich hunderte, die Slogans gegen die Karzai-Regierung und gegen das ausländische Militär riefen.
Diese Aktion wurde ausgelöst durch einen Verkehrsunfall, bei dem vier Afghanen durch das erste US-Botschaftsfahrzeug getötet wurden. Zwei weitere Botschaftsfahrzeuge kamen um zu evakuieren. Schließlich flüchteten alle Botschaftsangehörigen in einem Fahrzeug und die anderen beiden wurden zerstört. Es dauerte etwa eine Stunde bevor Polizei und ISAF-Militär Ruhe herstellen konnte. Die Straße zum Flughafen wurde gesperrt. Es wird mit weiteren Ausschreitungen gerechnet.
Ausländische Organisationen erteilten eine Ausgangssperre für ihre Mitarbeiter/innen und ein Verbot, die Innenstadt zu betreten. In The Guardian wird die aktuelle Erfahrung eines „Internationalen“ folgendermaßen zitiert: „One foreign executive working in the capital described the drive down the Jalalabad Road to his guesthouse as "very hairy .... with crowds stoning vehicles with foreigners in them although fortunately not mine. But the car immediately behind me was battered."“
Auch in anderen Orten Afghanistans gibt es aktuell – wie immer wieder in den letzten Wochen und Monaten – Proteste gegen Aktionen des internationalen Militärs: gegen hohe Zahlen an zivilen Toten bei US-Militäraktionen, gegen nächtliche Hausdurchsuchungen und gegen Respektlosigkeit gegenüber der Kultur und dem Islam. Hunderte demonstrierten vor zwei Tagen (29.7.10) in Tirinkot, der Hauptstadt der Provinz Uruzgan, weil sie NATO-Truppen beschuldigten, eine Ausgabe des Koran während einer nächtlichen Hausdurchsuchung zerrissen zu haben. In Helmand (Süden) wurde am letzten Dienstag (27.7.10) aus Protest der Leichnam eines 65-Jährigen vor dem Büro des Provinz-Governeurs abgelegt. Der alte Mann sei vorsätzlich durch NATO-Truppen erschossen worden als er sich gerade für das Gebet reinigte. 100 Protestierende forderten eine Untersuchung des Todesfalls sowie den sofortigen Abzug aller ausländischen Truppen. Vor einer Woche wurden 52 Zivilisten in einem Dorf im Distrikt Helmand durch eine Mörsergranate des NATO-Militärs getötet. Vor allem Frauen und Kinder hatten gemeinsam in einem Haus Schutz gesucht vor den ISAF-Angriffen auf das Nachbardorf, in dem sich Taliban aufgehalten hatten. Das hat zahlreiche Proteste, auch Demonstrationen, im ganzen Land ausgelöst. Dorfbewohner, die sich bei der ISAF beschweren wollten, wurden zunächst beschossen. Ein Dorfältester berichtet: „"We told them: 'Where were you shot from and where did you strike? Are you killing the Taliban or you are killing us? Come with us and look at who you killed.' But they were afraid and didn't want to come with us," Rahim says. "Yesterday I told them: 'Three people will guarantee your safety. Come with us to look at our damages and the people killed. Have you come to protect us or to kill us?'"“
Zur gleichen Zeit wurde aus den durch Wikileaks enthüllten geheimen Militärdokumente bekannt, dass über getöteter Zivilisten bewusst nicht berichtet wird oder solche Vorfälle abgestritten werden.
Einen ähnlichen Vorfall wie gestern in Kabul gab es 2006, als ein US-Militärkonvoi in Kabul Zivilisten in einer Verkehrssituation tötete und es zuerst zu Steinwürfen und Schüssen, später zu einem Marsch von 2000 Leuten durch die Innenstadt und zum Botschaftsviertel kam. Bilder von Präsident Karzai wurden verbrannt, „Tod Amerika, Tod Karzai und Tod der Polizei wurde gerufen“, eine Polizeistation brannte sowie andere Gebäude, u.a. von US-Hilfsorganisationen, und Autos. Es gab zahlreiche Tote und Verletzte.
Derzeit gibt es in Afghanistan jeden Tag Bombenangriffe auf das NATO-Militär, auf die afghanische Polizei und das afghanische Militär, auf Kandidaten für die Parlamentswahlen im September. Die Zahl getöteter ISAF-Soldaten steigert sich mit jedem Monat: Der Juni war der Monat mit den meisten getöteten ausländischen Soldaten (102), im Juli hat das US-Militär mehr Soldaten verloren als in jedem Monat zuvor (66).