+++ Staatsschutz spielte wieder Zensor. Eilantrag erfolgreich:
Bundeskriminalamt muß Empfehlung zur Nichtakkreditierung linker
Journalisten beim NATO-Jubiläumsgipfel zurücknehmen +++
Das
Bundeskriminalamt (BKA) hat mit der Empfehlung an die NATO-Pressestelle
zum Ausschluß zweier Journalisten vom NATO-Jubiläumsgipfel
widerrechtlich deren Berufsausübung behindert. Dies stellte am Dienstag
das Verwaltungsgericht Wiesbaden fest, nachdem die Anwälte der
Betroffenen dort Eilanträge gestellt hatten. Das BKA muß in beiden
Fällen sein Negativvotum zurücknehmen.
Dies bedeutet jedoch
nicht, daß die betroffenen Berliner Journalisten nun akkreditiert
werden – die Entscheidung liegt bei der NATO. »Das ist eine
exterritoriale Angelegenheit«, so die Geschäftsführerin der Deutschen
Journalistinnen- und Journalisten-Union, Ulrike Maerks-Franzen
gegenüber junge Welt. Die Gerichtsentscheidung sei aber für die Zukunft und für andere Kollegen wichtig.
Die
Pressestelle der NATO verweigert bislang mindestens drei mißliebigen
Journalisten die Akkreditierung für das Gipfeltreffen des
Militärbündnisses in Baden-Baden, Straßburg und Kehl am 3. und 4.
April.
Erneut betroffen ist ein Redakteur der polnischen Ausgabe der Le Monde diplomatique,
Kamil Majchrzak, dem bereits 2007 die Akkreditierung für den G8-Gipfel
in Heiligendamm verweigert worden war. Des weiteren der freie
Mitarbeiter von junge Welt und Neues Deutschland, Björn Kietzmann. Aktuelle und konkrete Verdachtsgründe gegen den Berliner Journalisten legte das BKA allerdings nicht vor.
Der
Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Recht auf Berufsausübung
erfolgte in mindestens zwei Fällen auf Empfehlung des
Bundeskriminalamtes, wie die Behörde auf Nachfrage mitteilte. Grundlage
der Empfehlungen seien »staatsschutzrelevante Erkenntnisse« wie die
Teilnahme an »Aktionen der linken Szene«. Angeführt wurden ebenso
Ermittlungsverfahren, die mit Freispruch oder Einstellung geendet. Die
Informationsweitergabe an die NATO sei erfolgt, um »mögliche Gefahren
für die Mitglieder der Verfassungsorgane des Bundes sowie deren
Staatsgäste im Falle einer Akkreditierung« abzuwehren«.
Wegen
der Übermittlung personenbezogener Daten hatten zwei der abgelehnten
Journalisten Antrag auf einstweilige Anordnung beim zuständigen
Verwaltungsgericht Wiesbaden eingereicht, um das BKA zu verpflichten,
das Negativvotum aufzuheben.
Für Rechtsanwalt Alain Mundt vom
Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), der unseren
Kollegen Björn Kietzmann vertritt, war der Fall klar: »Solange dem BKA
keine Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß ein
Journalist bei einer Veranstaltung stören will oder eine Gefahr für
Leib und Leben von Teilnehmern darstellt, überschreitet es absolut
seine Befugnisse und maßt sich eine Rolle an, die ihm nicht zusteht.«
Die
jetzt bekannt gewordenen Fälle erinnern an die Akkreditierungspraxis
vor dem G8-Gipfel im Sommer 2007. Auch damals war auf Empfehlung
deutscher Sicherheitsbehörden mehreren Journalisten die Zulassung zur
Berichterstattung vor Ort durch das Bundespresseamt verwehrt worden.
Regierungssprecher Ulrich Wilhelm hatte damals zugesichert, nach
Heiligendamm die Zulassungspraxis einer kritischen Prüfung zu
unterziehen. »Offenbar hat das BKA leider nicht aus damaligen Fehlern
des Bundespresseamts gelernt«, so Rechtsanwalt Sönke Hilbrans vom RAV.
Claudia Wangerin