Gummigeschosse beim G20-Gipfel stammten vom SEK Sachsen

Granatpistole HK69A1 von Heckler & Koch
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Erstveröffentlicht: 
24.08.2017

Beim G20-Gipfel in Hamburg hat die Polizei aus zwei Waffen in 15 Fällen Gummigeschosse in Richtung von Personen gefeuert. Dies geht aus der Antwort des Hamburger Senats auf eine parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider hervor. Demnach erfolgte der Abschuss durch Spezialeinsatzkräfte des SEK Sachsen am Abend des 7. Juli. Keine anderen Einheiten setzten laut dem Senat Gummigeschosse ein oder führten diese mit.

 

Mehrere Bundesländer hatten ihre SEK-Einheiten nach Hamburg entsandt. Sie wurden durch zwei mobile Einsatzkommandos (MEK) und Kräfte der österreichischen Cobra ergänzt. Nach den Ausschreitungen im Schanzenviertel wurden die Truppen um weitere 74 Einsatzkräfte, darunter auch der Bundespolizei, aufgestockt. Im Rahmen der „Einsatzlage im Schulterblatt“, bei der die Gummigeschosse genutzt wurden, waren SEKs aus Bayern, Hamburg, Hessen, Sachsen und Österreich auf der Straße. 

 

Keine Freigabe des Schusswaffengebrauchs gegen Personen

 

Der Beschuss mit Gummigeschossen wurde erst wenige Tage nach dem Gipfel im Hamburger Innenausschuss öffentlich. Dort hatte der Hannoveraner Polizist Michael Zorn, der die 600 SEK-Kräfte im Einsatzabschnitt „Intervention“ beim G20-Gipfel koordinierte, über den Einsatz am Haus Schulterblatt 1 berichtet. Die Geschosse wurden aus der Granatpistole „HK69“ von Heckler & Koch abgefeuert. Die Waffe ist bei der Polizei als „Mehrzweckpistole MZP 1“ bekannt. Damit können außerdem Leuchtmunition, Blendgranaten oder Tränengas abgeschossen werden.

 

Die rechtliche Grundlage des Einsatzes beim G20-Gipfel ist weiterhin unklar. Die Pressestelle der Hamburger Polizei teilt dazu mit, dass sie „zur Gefahrenprävention“ abgefeuert wurden. Wie der Senat in der Antwort gegenüber der Abgeordneten Schneider ausführt, gehören Gummigeschosse zur Kategorie der Munition. Das Abschußgerät „MZP“ wird von der Polizei als Schusswaffe (Pistole) betrachtet. Das Hamburger Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung kennt hierzu außerdem Taser, Revolver, Gewehre und Maschinenpistolen.

 

War der Einsatz verhältnismäßig?

 

In der Antwort auf eine frühere Kleine Anfrage heißt es, den SEK-Einheiten beim G20-Gipfel sei „keine Freigabe des Schusswaffengebrauchs gegen Personen“ erteilt worden. Auch seien die auswärtigen Einheiten angewiesen worden, die „MZP“ nicht zu benutzen. Nun schreibt der Senat, dass für die Spezialeinsatzkräfte „aufgrund ihrer Aufgabenstellung“ keinerlei Einschränkungen oder Einsatzvorbehalte galten. Sämtliche Einsatzmittel oder Waffen, die dem Einsatzabschnitt von Michael Zorn zur Verfügung standen, seien demnach freigegeben gewesen. Zorn oblag die Entscheidung über deren Einsatz.

 

Gegenüber Abgeordneten hieß es bislang, es sei am Schulterblatt nicht auf Menschen, „sondern gezielt die Dachkante“ geschossen worden. Auch wenn dieser Argumentation gefolgt würde wäre fraglich, ob der Einsatz verhältnismäßig war, denn die Personen auf dem Dach hätten von Querschlägern getroffen werden und abstürzen können. Außerdem ist der Schusswaffengebrauch gegen Personen in einer Menschenmenge dem Hamburger Gesetz zufolge unzulässig, „wenn erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet werden“.

 

IMK entschied sich gegen Anschaffung

 

Bis zum G20-Gipfel waren keine Einsätze von Gummigeschossen in Deutschland bekannt geworden. Mehrere Bundesländer planten in den 80er Jahren die Anschaffung für ihre Polizeien. Schließlich entschied sich die Innenministerkonferenz jedoch, die neue Bewaffnung in Deutschland nicht einzuführen. Befürchtet wurde, dass die Streubreite der Munition zu groß sei. Weder kann genau auf eine Körperpartie gezielt werden, noch ist ausgeschlossen dass Unbeteiligte getroffen werden.

 

Weil die Hamburger Polizei auf Gummigeschosse ebenso wie auf Tränengas verzichtet und auch Pfefferspray nicht verschießt, sind alle 42 „Mehrzweckpistolen“ der Landesbereitschaftspolizei eingelagert. Planungen zur Beschaffung von Gummigeschossen gebe es dem Senat zufolge nicht. Sachsen hat derzeit den Vorsitz der Innenministerkonferenz inne. Auf der Dezember-Sitzung steht die G20-Auswertung nach Angaben der Pressestelle des sächsischen Staasministeriums auf der Tagesordnung. Dabei könnte auch über die Erfahrungen mit Gummischossen gesprochen werden.

 

Erschien zuerst bei cilip.de.