Facebookfreundschaft mit Rechtsaußen - Vize-Landrat gibt Insiderinfos an Bautzener NPD-Kreischef weiter

Erstveröffentlicht: 
18.08.2017

Nach Oberbürgermeister Alexander Ahrens und Landrat Michael Harig hat sich vergangene Woche auch Vize-Landrat Udo Witschas mit dem NPD-Kreischef Marco Wruck getroffen. Auf Wunsch von Wruck - betonte im Nachgang der Vize-Landrat und sprach von einer sachlichen Debatte. Dem MDR liegen Informationen vor, welche das Verhältnis der beiden Männer zueinander in einem ganz anderen Licht darstellen.

 

Wie dicke darf sich ein Vize-Landrat mit dem Kreis-Chef einer rechtsextremen Partei geben? Mit einem Mann, auf dessen Facebookseite regelmäßig gegen Ausländer gehetzt wird? Das Treffen am Dienstag vor einer Woche zwischen Udo Witschas und Marco Wruck hatte bereits für reichlich Kritik gesorgt. Wie jetzt dem MDR bekannt wurde, hatte sich der Landrat nicht nur mit Bautzens NPD-Kreischef in seinem Büro getroffen. Über mehrere Tage pflegten die beiden Männer einen locker-freundschaftlichen Informationsaustausch via Facebook-Messenger. Mehrere Screenshots der Unterhaltungen liegen dem Sender vor. 

 

Witschas suchte den Kontakt


In der Facebook-Unterhaltung zeigt Witschas deutlich mehr Interesse am NPD-Mann, als er öffentlich zugibt. Von Seiten des CDU-Mannes hieß es bisher immer, dass von Wruck die Initiative zum Treffen ausging. "Er kam direkt auf mich zu und suchte das Gespräch. Dieses verlief sachlich und für sachliche Debatten bin ich immer bereit und werde niemanden ablehnen", hatte Witschas in den vergangenen Tagen erklärt. Das stimmt aber nicht ganz.

 

Wie der Nachrichtenverlauf im Facebook-Messenger belegt, tat stattdessen Witschas am 6. August den ersten Schritt, indem er eine Freundschaftsanfrage an Wrucks Frau stellte. Diese bedankte sich, wies aber gleichzeitig auf ihre Partnerschaft mit dem NPD-Politiker hin: "Ich hoffe das stellt kein Problem dar." Darauf Witschas: "Wieso sollte die Partnerschaft/Liebe mit Hr Wruck ein Problem sein? Für mich keines Falls! LG, auch an Hr Wruck." Der Vize-Landrat kommt in der Unterhaltung dann auch gleich zur Sache: "Mit Herrn Wruck würde ich mich gern mal treffen, habe überhaupt nichts gegen ihn. Kinderlieb scheinen wir ja beide zu sein (...)" Daraufhin meldet sich Wruck über den Messenger seiner Lebensgefährtin zu Wort. Und noch am gleichen Abend wird ein Gesprächstermin in die Wege geleitet. 

 

Insiderwissen ausgeplaudert


Ab diesem Moment kontaktieren sich Witschas und Wruck mehrfach über die Nachrichtenfunktion von Facebook. Unter anderem gibt es Absprachen zum Umgang mit der Presse bezüglich ihres gemeinsamen Treffens. "Ja, dies wird für Wirbel sorgen. Damit kann ich leben," versichert Witschas. Auch nach dem Treffen reißt die Facebook-Kommunikation nicht ab. So werden das ehemalige Asylheim Spreehotel und der Umgang mit dem libyschen Flüchtling thematisiert. "Ein Integrationszentrum wird der Landkreis, wie ich es gestern schon sagte, definitiv NICHT finanzieren", legt Witschas in einer Message gleich mal fest - über den Kopf seines Chefs Michael Harig hinweg. Ungeachtet der Tatsache, dass sich der Landrat bisher für die Weiternutzung des Spreehotels ausgesprochen hatte.

 

Viel irritierender ist aber Witschas' sorgloser Umgang mit Insiderwissen aus den Behörden der NPD gegenüber. So plaudert er über den Umgang mit dem libyschen Flüchtling "King Abode". Frank und frei berichtet er am Vormittag des 11. August dem rechtsextremen Politiker Wruck, dass die Stadt Bautzen über ein Aufenthaltsverbot für den Asylbewerber aus Libyen entschieden habe. Und zwar bevor Bautzen dieses Verbot öffentlich gemacht hat. "Super. Kann ich das veröffentlichen? Das Betretungsverbot?", fragt Wruck postwendend. "Habe es noch nicht auf dem Tisch, bitte abwarten. Wenn es öffentlich gemacht werden kann, melde ich mich", antwortet daraufhin der Vize-Landrat.

 

"Ich lasse mich nicht als Lügner darstellen"

 

Hat Witschas sein Amt missbraucht, indem er einer rechtsextremen Partei Informationen zuschob? Wie glaubwürdig ist so ein Vize-Landrat noch? Glaubt man Marco Wruck, so hat der CDU-Politiker eine deutlich geschönte Version seines Umgangs mit dem NPD-Mann in den Umlauf gebracht. Wruck stinkt es inzwischen gewaltig, dass er bei solchen Treffen immer so schlecht wegkommt. Auch von einer Mail von Witschas am Donnerstag, in der der Erste Beigeordnete die Veröffentlichung des privaten Chatverlaufs untersagte, lässt sich Wruck nicht mehr bremsen: "Ich lasse mich nicht als Lügner darstellen", sagte er.

 

Marco Wruck ist mittlerweile parteilos: Wegen nicht gezahlter Mitgliedsbeiträge hat ihn die NPD Sachsen aus der Partei geworfen, wie der Landeschef Jens Baur bestätigte. Wruck betonte aber, dass er zum Zeitpunkt des Gesprächs mit Witschas im Landratsamt natürlich in seiner Funktion als NPD-Kreisvorsitzender zugegen war. Wenn auch die NPD nichts mehr von ihm wissen will, Wruck will sich politisch nicht zurückziehen, wie er betont: "Auf keinen Fall. Ich mache an derselben Stelle weiter."

MDR SACHSEN hat das Landratsamt um eine Stellungnahme gebeten. Diese sollte bis Freitagmittag vorliegen. Das ist nicht erfolgt. 

 

Wieder Rücktrittsforderungen


Unterdessen werden die Rücktrittsforderungen gegenüber Vize-Landrat Witschas wieder laut. Der Vorsitzende des Kreisverbandes der Grünen, Jens Bitzka, hatte den Rücktritt von Vize-Landrat Udo Witschas schon Anfang dieser Woche gefordert. Mit seinem Verhalten habe Witschas Bautzen und der Demokratie schweren Schaden zugefügt, sagte Jens Bitzka. Am Freitag meldete er sich per Twitter zu Wort:

 

Ich vor einer Woche " Witschas sollte zurücktreten" - heute: "Witschas muss zurücktreten!" #Bautzen #CDU #Sachsen https://t.co/HpUg42iNzJ

— Jens Bitzka (@JensBitzka) 18. August 2017

 

Landrat Michael Harig hatte sich am Dienstag aus seinem Urlaub gemeldet und die Rücktrittsforderungen als absurd bezeichnet. Wörtlich heißt es in seiner Stellungnahme: "Keine Verhandlungen mit der NPD waren das Ziel, sondern der Versuch einer Deeskalation aus Verantwortung. Das Gespräch war aus diesem Grund nicht falsch, seine Länge vielleicht nicht richtig. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Wruck auch Gespräche mit wenig Inhalt gern staatsmännisch als Verhandlungen auslegt und damit einer Bedeutung zuführt, die mit der Realität nichts gemein hat."