Eine öffentliche Stellungnahme gegen die Einladung der sexistischen, rassistischen und antisemitischen AfD durch die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) Hamburg zu einer „Fragestunde mit Bundestagskandidaten aller Parteien zum Thema Antisemitismus, Antizionismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“.
Die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) Hamburg hat für Donnerstag, den 10.08.17 zu einer „Fragestunde mit Bundestagskandidaten aller Parteien zum Thema „Antisemitismus, Antizionismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ in der Talmud–Tora–Schule am Grindelhof geladen. “Kandidat*innen aller Parteien” schließt dem Verständnis der DIG Hamburg nach auch die Alternative für Deutschland (AfD) mit ein, weshalb der Spitzenkandidat für die Bundestagswahl und Landesvorsitzende der AfD Hamburg, Baumann, die Ideologie seiner rechten Partei verbreiten wird.
Die DIG Stuttgart hat Ende Juli 2017 eigentlich schon alles gesagt, was es zum „Bollwerk des Antisemitismus“ zu sagen gibt: „Die AfD und ihre Anhänger jedoch machen [den Antisemitismus] salonfähig. Braune Flecken mit Israel-Freundschaft zu übertünchen funktioniert nicht. Nicht mit uns.“. Angesichts der Einladung von AfD-Politiker*innen in die Talmud-Tora-Schule seitens der DIG Hamburg ist es aber wohl noch einmal notwendig, klare Worte über die völkische und antisemitische Ideologie der AfD auszusprechen.
Instrumentalisierung von Israelsolidarität und Anti-Antisemitismus
Ein Teil der AfD bemüht sich um ein israelfreundliches Öffentlichkeitsbild und grenzt sich fadenscheinig von Antisemitismus ab. Dies dient einerseits dazu, der kritischen Öffentlichkeit ein Bild der Distanzierung vom antisemitischen Nationalsozialismus zu geben, die völkische Ideologie der AfD zu relativieren und anderseits dazu und ihrem antimuslimischen Rassismus weiteren Ausdruck zu verleihen.
Positive Bezüge von der Parteivorsitzende Petry auf Israel sollen auch dazu dienen, durch einen zynischen Vergleich Israels mit Deutschland eine Abschottungspolitik der BRD zu rechtfertigen und entschuldigen. Dass sich neben dem stellvertretenden Parteivorsitzenden Gauland und den sich nach außen pro–israelisch gebenden Politiker*innen wie Petry auch völkische Antisemit*innen wie der thüringische Landesvorsitzende Höcke als „Kritiker*innen“ eines „islamisch-arabischen“ Antisemitismus geben, ist bezeichnend. Wenn es Kritik am Antisemitismus seitens der AfD gibt, ist es immer die am Antisemitismus der „Anderen“, vor allem von Muslim*innen. Es geht darum eine vorgebliche Kritik am Antisemitismus für die eigene rassistische Politik zu instrumentalisieren.
Das wird auch dadurch deutlich, wie die AfD mit jüdischen Kritiker*innen umgeht. Jüd*innen werden insbesondere vom rechten Flügel der AfD angegriffen, wenn sie sich für die Rechte von Muslim*innen einsetzen und sich angeblich nicht solidarisch zu Deutschland – d.h. zur AfD – bekennen. „Die Denunziation von Charlotte Knoblauch verweist auf eine Tradierung antisemitischer Affekte und Stereotype in den pro-israelischen und pro-jüdischen Bekundungen der AfD“[1], urteilen die Antisemitismusforscher Grimm und Kahmann.
Der „instrumentelle und strategische Charakter“ des Anti-Antisemitismus der AfD steht nach Grimm und Kahmann „im Rahmen ähnlicher Entwicklung auch anderer rechtsextremer Parteien in Europa“[1]. Dabei wird die vermeintliche Pro-Israel-Haltung und Anti-Antisemitismus nicht einmal von der Partei mehrheitlich getragen. „Nicht trotz, sondern wegen pro-israelischer und antisemitismuskritischer Bekundungen, die eine politische und gesellschaftliche Isolation der AfD verhindert haben, kann sie als ein Katalysator für die Verfestigung antisemitischer Ressentiments in der deutschen Bevölkerung und für eine zunehmende Enttabuisierung und Normalisierung von Antisemitismus in der politischen Debatte wirken“[1], folgern die Antisemitismusforscher.
Offene Judenfeindlichkeit und halbgare Distanzierungen
Es gibt es aber auch in der AfD Menschen, die öffentlich und mit fester Überzeugung ein judenfeindliches Weltbild vertreten und letztlich mit wenig Konsequenzen rechnen müssen. Der bekannteste Fall ist der Wolfgang Gedeons, MdL für die AfD in Baden-Württemberg. Dieser löste 2016 aufgrund von antisemitischen Schriften eine öffentliche Debatte und die Spaltung der AfD-Fraktion aus.
Insbesondere ging es um sein Buch Der grüne Kommunismus und die Diktatur der Minderheiten, in welchem er die Shoa als „Zivilreligion des Westens“ und Shoa-Leugner*innen als Dissidenten bezeichnet. Außerdem spricht er der antisemitischen Schmähschrift Die Protokolle der Weisen von Zion ihren Fälschungcharakter ab und bezeichnet die „talmudischen Ghetto-Juden“ als „inneren“ sowie den Islam als „äußeren Feind“ des „christlichen Abendlandes“. Desweiteren sollen „die Juden“ das Ziel der „Judaisierung der christlichen Religion und Zionisierung der westlichen Politik“ verfolgen.
Daraufhin wurde ein Partei-Auschlussverfahren gehen Gedeon angekündigt, welches jedoch nach Abnahme des öffentlichen Interesses niemals eingeleitet wurde. Meuthen sprach zunächst auch von einer „Antisemitismuskeule“, ehe er versuchte sich öffentlich gegenteilig zu inszenieren. Dass die AfD-Fraktion sich lieber spaltete als einen offenen Antisemiten auszuschließen und nach der Wiedervereinigung der Fraktionen nach dem freiwilligen (!) Austritt Gedeons aus der Fraktion vor allem über eingeschränkte Meinungsfreiheit schwadronierte, zeigt welches Geistes Kind erhebliche Teile der AfD sind.
Wolfgang Gedeon ist hierbei nur die Spitze des Eisbergs. So verteidigte bereits 2015 der AfD-Lokalpolitiker Baumgart aus Bad Münder bekannte Geschichtsrevisionist*innen und Shoa-Leugner*innen und behauptete, dass „kein einziger Jude durch Zyklon B oder die Gaskammern umgekommen“ sei. Weitere Führungskader der AfD äußerten sich auch kaum verhohlen antisemitisch; so sprach z.B. der hessische Schatzmeister der AfD, Peter Ziemann, über „satanische Elemente der Finanz-Oligopole“ und „freimaurerisch organisierte Tarnorganisationen“. Eine Vielzahl weiterer Beispiele dokumentieren Salzborn[2] und Belltower-News.
Dass die Parteivorsitzende Frauke Petry die AfD als „Garant für jüdisches Leben in Deutschland“ bezeichnet, wird anhand dieser unzähligen Vorfälle als populistisches Gerede entlarvt, wie auch der Zentralrat der Juden warnt.
Schuldabwehr und völkische Ideologie
Hinter diesen vielen Einzelfällen von offen artikuliertem Antisemitismus und einem instrumentellen Verhältnis zum Anti-Antisemitismus steht der Versuch der AfD, eine völkische Ideologie in Deutschland wieder gesellschaftsfähig zu machen.
Während über die Forderungen Höckes einer 180°-Wende der deutschen Erinnerungspolitik und andere Ausfälle schon vieles gesagt wurde, wird eine ähnliche Geschichtspolitik auch von Petrys sächsischer AfD vorangetrieben. An den Schulen soll ein positives Bild der Geschichte Deutschlands gezeichnet und von der Mahnung an die Shoa abgekommen werden. Zuletzt hat auch die vermeintlich liberalere Weidel in klassisch rechtsextremer Manier von einem „Schuldkult“ gesprochen (FB-Link).
Die Schuldabwehr, welche latent und tief in Deutschland verankert ist und von der Extremen Rechten immer wieder aufgegriffen und genutzt wird, geht mit offenem sowie auch verstecktem Antisemitismus einher. Der Antisemitismusforscher Salzborn beschreibt den schuldabwehrenden Antisemitismus der AfD und seine Verbindung auch mit dem antimuslimischen Rassismus der AfD deutlich: „Es geht damit einerseits um die Abwehr von (so empfundener) Minderwertigkeit und von Schuld – das eigene Schlechte wird dabei ebenso auf die Juden projiziert, wie der Neid auf vermeintliche oder reale Fähigkeiten und Erfolge – im Falle der AfD weniger direkt und offen auf Jüdinnen und Juden, als über den kommunikativen Umweg auf Migrantinnen und Migranten“[2].
Insbesondere der rechte Flügel der AfD um die Patriotische Plattform (mit Höcke an der Spitze) zeigt sich offen völkisch; nicht nur in der Erinnerungspolitik, sondern auch in den völkischen wirtschaftspolitischen Forderungen. Der im Völkischen immer enthaltene Antisemitismus wird dann schnell deutlicher, wenn Höcke bei einer Veranstaltung der Jungen Alternative (JA) Christentum und Judentum als Antagonismen bezeichnet.
Der teilweise erfolgreiche Versuch, über Tabubrüche völkische Ideen und Begriffe zu normalisieren, durchzieht allerdings die gesamte Politik der AfD . Dazu passt auch, wenn Gauland vom „Volkskörper“ redet oder die mittlerweile schon als gemäßigt geltenden Rechte Petry eine positive Besetzung der Begriffe der „Volksgemeinschaft“ und des „Völkischen“ fordert.
Die Versuche einer Umdeutung der Geschichte und die Etablierungsversuche völkischer Ideale hängen nach Salzborn eng zusammen: „Wer den Nationalsozialismus aus der Erinnerung entsorgt, kann NS-Konzepte umsetzen, ohne als Nazi oder Rechtsextremist/in zu gelten. Exakt deshalb gab es in der AfD auch so viele Stimmen, die den völlig eindeutigen, offen und direkt artikulierten und insofern unmissverständlichen Antisemitismus von Gedeon nicht erkennen wollten: weil eben diese Einsicht in das Offensichtiche die Realblockade für die gesamte Politik der AfD bedeutet hätte.“[2]
AfD Hamburg
Auch die AfD Hamburg versteckt hinter dem nur scheinbar gemäßigten Spitzenkandidaten Baumann letztlich genau die gleichen menschenverachtenden Elemente wie die Bundespartei. Baumann vertritt in der Bürgerschaft rassistische Positionen und ist nach internen Leaks auch ein Sympathisant der rechtsextremen Identitären Bewegung.
Auch die anderen Bundestagskandidat*innen sind beinharte Rassisten und Rassistinnen: Jordan, Eckleben und Thiermann fallen immer wieder durch offenen Rassismus oder Verbindungen zu anderen Rechtsextremen auf. Auch der Rechtsextremist Ludwig Flocken ist immer noch Mitglied der Partei und gern gesehener Gast bei den Wahlkampfständen der AfD Hamburg-Nord. Insbesondere die stellvertretende Vorsitzende der Hamburger JA Thiermann weist enge Verbindungen zu den Identitären auf. Antisemitische Verschwörungstheorien einer geplanten „Durchmischung“ der Deutschen mit Migrant*innen, wie sie in vielen Teilen der AfD zu finden sind, sind bei den Identitären in der Form des Mythos eines „großen Austauschs“ ein zentrales Element.
Wenig verwundert daher, dass auch die AfD Hamburg ihren Anti-Antisemitismus immer nur dann entdeckt, wenn sie ihn zur Instrumentalisierung gegen Muslim*innen und/oder Geflüchtete nutzen kann. Kritik an der AfD auch von Jüd*innen begegnet sie mit Hetze und droht diese mundtot zu machen. Selbst wenig überzeugende Kritik aus den eigenen Reihen wie von Kruse wurden in der Hamburger AfD abgebügelt.
Auch Baumann hat keine Schwierigkeiten Gauland, der gerne über den „Volkskörper“ fantasiert, zum Hamburger Wahlkampfauftakt am 13.08. nach Heimfeld einzuladen (Aufrufe zu Gegenaktivitäten vom Harburger Bündnis „Einig gegen Rechts“ (Infos unter http://www.keine-stimme-den-nazis.org/ ) und dem Aktionskollektiv Harburg Blockt).
Kein Raum für Rassismus, Sexismus und Antisemitismus!
All dies zeigt: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die AfD auch mehr explizit antisemitische Punkte programmatisch aufnimmt. Auch der Präsident des Zentralrats der Juden Josef Schuster traut der AfD jederzeit Hetze gegen Jüd*innen zu, wenn es opportun sein sollte, und warnt vor den Versuchen der AfD, in jüdischen Gemeinden auf Stimmenfang zu gehen.
Mit den Worten der DIG Stuttgart gesprochen, hat sich die DIG Hamburg mit der AfD ein „Bollwerk des Antisemitismus„ eingeladen. Deshalb ist es inakzeptabel, dass dieser Partei bei einer Fragerunde über Antisemitismus und andere Menschenfeindlichkeit eine Bühne geboten wird.
Der Artikel wurde zu erst unter https://noafdhh.wordpress.com/2017/08/10/keine-buehne-der-afd-antisemiti... veröffentlicht
[1] Grimm, M. / Kahmann, B. (2017): AfD und Judenbild. Eine Partei im Spannungsgeld von Antisemitismus, Schuldabwehr und instrumenteller Istraelsolidarität. In: Grigat, S. (Hrsg.) (2017): AfD & FPÖ. Antisemitismus, völkischer Nationalismus und Geschlechterbilder. Nomos: Baden-Baden, S. 41-59.
[2] Salzborn, S. (2017): Von der offenen zur geschlossenen Gesellschaft. Die AfD und die Renaissance des deutschen Opfermythos im rechten Diskurs. In: Grigat, S. (Hrsg.) (2017): AfD & FPÖ. Antisemitismus, völkischer Nationalismus und Geschlechterbilder. Nomos: Baden-Baden, S. 29-40.