Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen fand am Dienstag ein Prozess gegen drei Reichsbürger statt. Der Tatvorwurf gegen Rolf Dieter W. (66), Martina V. (62) und Daniel W. (35): Unerlaubtes Betreiben eines Versicherungsgeschäfts.
Leipzig. Laut Staatsanwaltschaft gründeten die Beschuldigten am 4. Juli 2014 den „Sächsischen Versicherungsverein“ – im Beisein von rund 60 „souveränen Männern und Frauen“, wie es in der Gründungsurkunde heißt, Rolf Dieter W. und Martina V. (62) gehörten zum Vorstand, Daniel W. fungierte als Schatzmeister. Im März 2015 schickten die Angeklagten einen Brief an den Präsidenten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), die normalerweise die Erlaubnis für derlei Geschäftstätigkeiten erteilt. Darin informierte das Trio über die Gründung und erklärte,
dass ihre Mitglieder keinerlei Einbindung in gegebene Versicherungsstrukturen wünschten. Stattdessen werde der Verein Verträge über Hausrat-, Wohngebäude-, Einbruchdiebstahl-, Kfz-Haftpflicht- und Gewerbeversicherung anbieten.
Das Ganze basierte auf dem sehr speziellen Rechtsverständnis der Reichsbürger. Nach ihren Angaben riefen sie am
7. Mai 2014 den „Gemeindeverband Leipzig 1“ ins Leben, informierten Landkreis, Polizei,Oberbürgermeister sowie diverse Gerichte über ihre neue Kommunalstruktur. Die Verwaltung des Fantasiegebildes sei auch Rechtsträger des Versicherungsvereins und habe dessen Geschäftstätigkeit genehmigt, wie Rolf Dieter W. vor Gericht erläuterte. „Hinter dem Versicherungsverein steht eine Gruppe, welche die Bundesrepublik Deutschland als nicht rechtens erachtet und sich als eigener Souverän sieht“, hieß es dazu im Branchenblatt „Versicherungsbote.“
Mithin erließ die Bafin im September 2015 eine Einstellungs- und Abwicklungsanordnung gegen das aus ihrer Sicht unerlaubte Versicherungsgeschäft. Die Leipziger klagten dagegen vor Verwaltungsgerichten – letztlich ohne Erfolg. Stattdessen wurden sie wegen unbefugten Geschäftsbetriebs per Strafbefehl zu Geldstrafen verurteilt. Weil sie dagegen in Widerspruch gingen, kam es nun zur öffentlichen Hauptverhandlung.
Hier kassierten sie sogar noch einen Aufschlag: Richter Mathias Winderlich verurteilte Rolf Dieter W. und Martina V. zu jeweils 80 Tagessätzen, der Rentner muss insgesamt 2000 Euro bezahlen, die gelernte Industriekauffrau aufgrund der geringeren Tagessatzhöhe 1600 Euro. Daniel W., der erst eine Geldstrafe wegen versuchter Nötigung zu bezahlen hatte, kam jetzt mit 1000 Euro davon.
Während seines Bestehens hatte der Sächsische Versicherungsverein nach Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft lediglich eine Versicherungspolice ausgestellt – und das auch nur als Entwurf, wie die Angeklagten beteuerten. Alles andere wäre auch mit enormen Risiken behaftet gewesen, schärfte der Richter den Beschuldigten ein. „Wenn einer ihrer Versicherungsnehmer einen Verkehrsunfall verursacht hätte, wäre dessen Fahrzeug nicht einmal pflichtversichert gewesen und der Unfallgegner wohl auf den Kosten sitzengeblieben. Denn der Versicherungsverein hatte ja kein Geld.“
Von Frank Döring