Kampf ums Schwarze Dreieck

Erstveröffentlicht: 
07.08.2017

Seit einer Woche rechnen die linksautonomen Besetzer im „Black Triangle“ jeden Tag mit der Räumung. Ihre Unterstützer drohen mit massiven Anschlägen. Nachbarn an der Arno-Nitzsche-Straße beobachten verstärkt Polizei. Doch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes steht noch aus.

 

Von Frank Döring und André Pitz

 

[Foto] Stacheldraht und eine Barrikade aus Schrottautos: Seit Juni 2016 haben sich Linksautonome im ehemaligen Umspannwerk der Deutschen Bahn an der Arno-Nitzsche-Straße verschanzt. Sie gehen davon aus, dass eine Räumung unmittelbar bevorsteht. Foto: André Kempner

 

Am Wochenende machte sich im alten Umspannwerk der Deutschen Bahn so etwas wie Erleichterung breit. „So ... wenn wir uns morgen früh nicht auf den Barrikaden sehen, dann geht diese Woche ohne Räumung zu Ende“, vermeldeten die Bewohner des „Black Triangle“ (Schwarzes Dreieck) via Internet. Seit Juni 2016 halten Linksautonome das etwa 10 000 Quadratmeter umfassende Areal am Gleisdreieck an der Arno-Nitzsche-Straße – Flurstück 532/17 – besetzt. Sie verschanzten sich hinter massiven Eisentoren und Stacheldraht, haben eine Sperre aus gestapelten Autowracks errichtet. Doch seit einer Woche rechnen sie jeden Tag damit, dass die Polizei mit einem Großaufgebot anrückt.

 

Für die Deutsche Bahn als Eigentümerin des verfallenen Werksgeländes ist die Sache klar. „Auf diesem Grundstück befinden sich für den Bahnbetrieb notwendige Anlagen, die eine ständige Zugänglichkeit erfordern. Das ist derzeit nicht gewährleistet, da das Grundstück widerrechtlich besetzt wurde“, teilte der Konzern auf LVZ-Anfrage mit. Nach Auffassung der Bahn verschafften sich die Besetzer unrechtmäßigen Zugang zu dem durch ein Tor abgesicherten Gelände. Die Gebäude sollen dabei mitunter gewaltsam geöffnet worden sein. „Außerdem bestehen erhebliche Gefahren dadurch, dass die ursprünglich gesicherten und von der Deutschen Bahn ungenutzten Gebäude nicht verkehrssicher sind“, so das Unternehmen.

 

Nachdem die Bahn am 15. August 2016 vor dem Amtsgericht und am 21. Oktober 2016 vor dem Landgericht keinen Erfolg hatte, liegt der Fall nun beim höchsten Gericht des Landes. „Um Rechtssicherheit zu erlangen, wurde der Bundesgerichtshof angerufen“, teilte die Bahn mit. Nach Angaben des BGH ging die Rechtsbeschwerde bereits im November 2016 ein. „Der Senat wird darüber beraten und einen Beschluss fassen“, so Sprecherin Angela Haasters. „Wann eine Entscheidung ergeht, ist derzeit nicht absehbar.“

 

Ein Kompromiss scheint nicht in Sicht. Ursprünglich wollten die Besetzer mit der Deutschen Bahn verhandeln. Und auch gen Rathaus streckten sie ihre Fühler aus. „Kurz nach Beginn der Besetzung gab es eine Kontaktaufnahme zur Stadt Leipzig mit der Auslotung hinsichtlich der Möglichkeiten eines dauerhaften Verbleibs auf der Fläche“, so ein Rathaussprecher. Der Verwaltung seien in diesem Fall jedoch die Hände gebunden. „Vorliegend handelt es sich um eine Privatfläche der Deutschen Bahn AG, worauf die Stadt explizit hingewiesen hat.“

 

Seit einigen Tagen wachsen in der linken Szene offenbar die Nervosität und die Gewaltbereitschaft. Erst vor einer Woche drangen Unterstützer des Besetzer-Projekts in mehrere leerstehende Häuser in Leipzig ein und hinterließen unmissverständliche Botschaften – „Triangle bleibt, sonst Steinschlag“. In der Nacht zum vorigen Montag griffen Unbekannte die Polizeidienststelle in der Weißenfelser Straße an, zerstörten Fensterscheiben und Technik. Auch dies war eine Reaktion auf die drohende Räumung. „Die Zeiten stehen auf Sturm“, hieß es in einem Bekennerschreiben. „Wer die Konfrontation mit uns sucht, der verspekuliert sich.“ Schon seit Monaten kursiert ein Aufruf in der Szene: „Räumt die Bahn, legen wir sie lahm!" Wie das gemeint ist, demonstrierten Linksextreme im März dieses Jahres, als sie Feuer in Kabelschächten legten und dadurch den Zugverkehr um Leipzig zeitweise erheblich behinderten. In Sicherheitskreisen befürchtet man deshalb, dass Linksextremisten mit massiven Gewalttaten und Anschlägen auf eine Räumung reagieren werden.

 

Die Gewaltandrohungen sind durchaus ein Kontrast zur Selbstdarstellung der Besetzer, die sich als „Zusammenschluss freischaffender Handwerker und Künstler_innen, denen der Erhalt und der Schutz ungenutzter Flächen am Herzen liegt“ bezeichnen. In Behördenkreisen wird das Projekt mithin als nicht ganz so harmlos angesehen. Inzwischen kreisen häufiger Polizeihubschrauber über dem besetzten Areal. Zudem beobachteten Anwohner im Umfeld des „Black Triangle“ immer wieder Polizeistreifen. „Kein Kommentar“ hieß es dazu aus der Polizeidirektion. Auch die Bundespolizei mag verstärkte Aktivitäten in diesem Fall nicht bestätigen. Die nächtlichen Hubschrauberflüge hätten nichts mit dem „Black Triangle“ zu tun, erklärte Behördensprecher Jens Damrau. „Das sind Überwachungsflüge gegen Buntmetalldiebstahl, Graffiti und Angriffe auf Fahrkartenautomaten.“

 

Kleingärtner Klaus Wachs (59), dessen Parzelle unmittelbar ans „Black Triangle“ grenzt, sieht das Ganze pragmatisch. „Seit Jahrzehnten steht das Ding leer und verfällt, bisher haben dort häufig Jugendliche randaliert“, berichtete er. „Jetzt nutzt es wenigstens jemand. Die haben sogar das Dach ausgebessert.“ Von Konzerten und Partys fühle er sich nicht gestört. Mittlerweile gebe es sogar eine Art Kooperation mit den Besetzern. „Die holen sich manchmal Obst und Gemüse, das von Geschäften sonst weggeworfen wird. Da habe ich auch schon was bekommen“, erzählte der Gärtner. „Vom Baumarkt haben sie mir schon Zaunlatten mitgebracht, ich habe ja kein Auto.“