Streit um rechte Demo in Berlin - Gericht: "Nähe zwischen AfD und Bärgida allgemein bekannt"

Erstveröffentlicht: 
03.08.2017

Doch keine "Fake News"? Der AfD-Vize im Abgeordnetenhaus wehrt sich gegen Bärgida-Vorwurf des SPD-Politikers Hönicke - und verliert vor Gericht. von Robert Klages

 

Hat der AfD-Politiker Karsten Woldeit an einer Kundgebung der rechten Bärgida-Bewegung teilgenommen? Er selbst hatte zuletzt von "Fake News" gesprochen. Doch das Landgericht Berlin hat nun geurteilt: Er hat teilgenommen, ob er selbst es bezweifelt oder nicht. Der Vize-Chef der Berliner AfD-Fraktion hatte stets beteuert, lediglich zufällig am Ort der Kundgebung gewesen zu sein und sogar kurzfristig eine Einstweilige Verfügung gegen den SPD-Politiker Kevin Hönicke erwirkt.

 

Dieser hatte auf Twitter geschrieben: "und auch AfD Rechter Woldeit bei Bärgida" - und ein Foto des Politikers am Ort des Geschehens veröffentlicht. Hönicke hatte an der Gegendemonstration teilgenommen. In erster Instanz hatte das Gericht Woldeit Recht gegeben: Hönicke musste seinen Tweet zurückziehen.

 

Nun hat das Landgericht Hönicke angehört und die Einstweilige Verfügung gegen ihn zurückgenommen. Mehr noch: Das Gericht schreibt in der Erklärung, Woldeit habe an der Bärgida-Veranstaltung "teilgenommen". Zudem muss Woldeit die Kosten des Verfahrens tragen. "Denn die Behauptung ist wahr, weil der Antragsteller (Woldeit) entgegen seiner Bekundung an der Bärgida-Kundgebung teilgenommen hat oder jedenfalls berechtigterweise der Eindruck bestehen musste, er würde an der Kundgebung teilnehmen." So steht es in der Urteilsbegründung des Gerichts, die dem Tagesspiegel vorliegt. 

 

Fotos werden als Dokument der Zeitgeschichte bewertet


Es handelte sich um eine Kundgebung an Pfingsten am S-Bahnhof Lichtenberg. Woldeit hatte auch vor Gericht bekundet, er sei auf dem Rückweg zu seiner Wohnung in Lichtenberg vor dem S-Bahnhof unvermittelt zwischen die Bärgida-Kundgebung geraten. Er habe die Situation lediglich beobachten wollen. Fotos belegen, wie Woldeit einem NPD-Mann und dem AfD-Parteikollegen Heribert Eisenhardt die Hand gibt. Vor Gericht sagte Woldeit, er könne zu den Personen keine näheren Angaben machen, es habe sich aber nicht um Kundgebungsteilnehmer gehandelt.

 

Das Landgericht schreibt, Woldeit habe Widersprüche in seinen Aussagen nicht plausibel aufklären können und es sei "nicht glaubhaft", dass er "an der Kundgebung nicht teilgenommen hat". Woldeit hatte sich zuletzt vehement von der rechten Bärgida-Bewegung distanziert.

 

Das Gericht sagt jedoch: "Eine politische Nähe zwischen AfD und Pegida/Bärgida ist allgemein bekannt." Es liege allein in seiner Verantwortung, "durch besondere Umsicht" den von ihm möglicherweise nicht gewollten Eindruck zu verhindern, er habe an einer rechten Kundgebung teilgenommen. Die Behauptung, er habe als AfD-Politiker bei Bärgida teilgenommen sei nicht übel nachredend, schreibt das Gericht. Dies gelte auch für den Fall, dass Woldeit "persönlichen Wert auf Distanz und und Abgrenzung zur Pegida-Bewegung legen sollte." Die gemachten Fotos würden belegen, dass sich Woldeit nicht nur kurzzeitig und im Vorbeigehen dort aufgehalten hatte. Er habe mit anderen, offenkundigen Teilnehmern der Kundgebung zusammen gewartet.

 

 

Woldeits Parteifreund Eisenhardt hatte dem Tagesspiegel gegenüber zuletzt offen gesagt, an der Kundgebung und anderen rechten Veranstaltungen teilgenommen zu haben. Gegen ihn hatte die AfD-Berlin ein Pateiordnungsverfahren eingeleitet. Eisenhardt darf nun zwei Jahre lang keine Ämter mehr bekleiden – aber in der Partei bleiben. Ein private Teilnahme an rechten Demos ist für die AfD kein Grund für einen Rausschmiss. Woldeit hatte sich zur Teilnahme von Eisenhardt wie folgt geäußert: "Wir können unseren Mitgliedern nicht verbieten, an nicht verbotenen Demos teilzunehmen."

 

SPD-Politiker Hönicke darf die Bilder von Woldeit auf der Kundgebung nun weiterhin verbreiten. Das Gericht ist der Ansicht, bei der Fotografie dürfte es sich um ein "Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte" handeln. In seiner Funktion als innenpolitischer Sprecher der AfD stünde Herr Woldeit "im besonderen öffentlichen Fokus". Selbst, wenn er also angibt, rein privat dort gewesen zu sein, dürfe er als "nicht unbekannter Politiker" im zeitlichen und örtlichen Kontext abgebildet werden. Darüber hinaus darf Hönicke weiterhin schreiben: "Die Partei der Schande, kackbraun und stolz drauf! Dumm bleibt dumm!" Das Gericht stuft dies als "zulässige Meinungsäußerungen" ein. 

 

SPD: AfD grenzt sich nicht von Rechtsextremismus ab


Hönicke, Vorsitzender der SPD Lichtenberg und dort Direktkandidat für die Bundestagswahlen, sagte zum Urteil: "Ich bin froh, dass die tatsächlichen Fakten vom Gericht bestätigt wurden. Ich hatte geschrieben, dass Woldeit bei Bärgida war. Das Gericht geht sogar ein Schritt weiter und spricht von einer Teilnahme bei Bärgida. Der Einschüchterungsversuch von Karsten Woldeit, mich als Lügner zu brandmarken, ist fehlgeschlagen." Von der SPD Lichtenberg hieß es weiter, die AfD grenze sich nicht glaubhaft gegen Rechtsextremismus ab und das rechtliche Vorgehen gegen Hönicke zeige die Nervosität der Partei.

 

Woldeit und sein Anwalt haben binnen einer Woche die Gelegenheit zur Stellungnahme. Die zuständige Richterin hat versucht, den Anwalt, Marc Vallendar, per Fax darüber zu informieren. Vallendar ist auch Abgeordneter der AfD. Jedoch verfügt dieser über kein Faxgerät, wie das Gericht notiert. Woldeit befindet sich derzeit im Urlaub, kündigte aber via Twitter an, dass der Fall in die nächste Runde gehen werde. "Ich nahm definitiv nicht teil."