Angesichts der heute in Kraft tretenden Preiserhöhungen für den öffentlichen Nahverkehr ist erneut eine Debatte über die Einführung eines Bürgertickets entbrannt. Ausgelöst wurde die Kontroverse von Stadträtin Franziska Riekewald (Linke). Die verkehrspolitische Sprecherin der linken Fraktion hatte erklärt, bei einer fast 76 Euro teuren LVB-Monatskarte und einem fast 57 Euro teuren LVB-Abo sei ein „Bürgerticket für rund 30 Euro eine prüfenswerte Alternative“. Die CDU-Fraktion verlautbarte daraufhin gestern, der Riekewald-Vorstoß sei ein Versuch, den Leipzigern in den Geldbeutel zu greifen. Denn für das Bürgerticket sollen alle Leipziger zahlen – auch die, die Bus und Bahn nicht nutzen.
Die CDU forderte gleichzeitig, andere Möglichkeiten für eine zukunftsgerechte Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs zu finden, „die den Regeln des freien Wettbewerbs unterliegen und die Kosten nutzungsorientiert und damit gerecht verteilt“, so Fraktionschef Frank Tornau (CDU). „Ein Zwangsticket löst keine Probleme im Nahverkehr, es schafft eher neue. Neben den Fragen, was beispielsweise mit Studenten, Hartz-IV-Empfängern, Geringverdienern und Menschen, die das Angebot nicht nutzen möchten, ist, bleibt auf der anderen Seite auch die Frage der Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs. Die Gefahr, dass Wasserköpfe aufgebaut werden und nicht in die Attraktivität investiert wird, ist dann groß.“
Ein „Zwangsticket“ würde die LVB nicht weiter dazu animieren, ein attraktives Angebot zu schaffen. Mit einer solchen „Zwangsabgabe“ hätte das stadteigene Unternehmen weniger Anreiz, die Leistung für die Bürger zu optimieren. „30 Euro verpflichtend im Monat für ein Bürgerticket zu zahlen, ist für eine vierköpfige Familie ein schmerzhafter Eingriff und damit eine Beschneidung der individuellen Freiheit“, so Tornau.
Ein weiteres Problem sieht die CDU in der Auslastung des Nahverkehrs. Die Bahnen seien zu Stoßzeiten bereits jetzt sehr voll und die Gleiskapazitäten an entscheidenden Punkten ausgelastet. Mit einem Bürgerticket würden noch deutlich mehr Fahrgäste befördert werden müssen. „Wir dürfen nicht einfach immer mehr Geld ins System geben“, so Tornau. Wie berichtet ist das Bürgerticket vor einigen Monaten im Stadtrat durchgefallen. CDU, SPD, FDP und AfD stimmten gegen das Ticket.
Die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) widersprechen Forderungen, im Stadthaushalt mehr Geld für den öffentlichen Nahverkehr bereitzustellen. Sein Unternehmen werde aus dem Rathaus ausreichend mit Finanzmitteln und geldwerten Leistungen bedacht, erklärte LVB-Geschäftsführer Ulf Middelberg auf LVZ-Anfrage. „Über den kommunalen Querverbund der LVV-Stadtholding erhalten wir 47 Millionen Euro, darin enthalten sind zwei Millionen der Stadt für die Investition in die Investoffensive aus Fokus 25“, listete er auf. „Für 2018 hat die Stadt auf weitere drei Millionen Euro für Investitionen aufgestockt. Die Stadt hilft uns auch, den Vorrang des öffentlichen Nahverkehrs in der alltäglichen Verkehrsorganisation wirksam zu machen – also die Beschleunigung unserer Straßenbahnen und Busse konsequent durchzusetzen. Das ist für uns bares Geld wert und viel wichtiger, als allein über Euros zu sprechen.“ Wie berichtet, hofft das Unternehmen vor allem auf zusätzliche Mittel vom Freistaat und vom Bund, um die durch das starke Leipziger Bevölkerungswachstum notwendigen „Wachstumsinvestitionen“ auf den Weg zu bringen.
Middelberg widerspricht auch Stimmen aus Leipzig, die eine städtische Förderung der LVB von jährlich rund 60 Millionen Euro fordern, wenn Leipzigs Einwohnerzahl auf über 7000 000 Menschen klettert. „Auf Grundlage unserer Planung bis 2030 können wir diese Zahl so nicht nachvollziehen“, erklärte der Geschäftsführer. „Wir haben Planungsvarianten für die Entwicklung der LVB bis 2030 ausgearbeitet. Sie enthalten Vorschläge für unsere Angebotsentwicklung, Annahmen zur Kostenentwicklung sowie Prognosen für die Fahrgast- und Einnahmeentwicklung. Diese Zahlen sind in die Arbeit des Verkehrs- und Tiefbauamtes für Mobilitätsszenarien zum Nahverkehrsplan eingeflossen. Die Diskussion darüber wird nach meinen Informationen nach der Sommerpause beginnen.“
Die Stadt stehe wegen ihres Wachstums vor einer Vielzahl von Aufgaben. „Es ist wichtig, da mit Augenmaß eine angemessene Verteilung zu finden“, so Middelberg.