Gräber von NS-Widerstandskämpfer und Juden geschändet

Erstveröffentlicht: 
16.06.2017

Mehrere Grabstätten auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf wurden geschändet. Darunter die eines Widerstandskämpfers aus dem Dritten Reich und einer jüdischen Familie. Die Kriminalpolizei ermittelt.

 

Stahnsdorf - Auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf wurden in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag mehrere Grabstätten beschädigt. Das bestätigte am Freitag auf Anfrage Friedhofsverwalter Olaf Ihlefeldt. Alle geschändeten Gräber passen in das Feindbild von Neonazis.


Dabei handelt es sich zum einen um eine Informationsstele am Grab der Familie Gottschalk. Schauspieler Joachim Gottschalk hatte sich während des Dritten Reichs geweigert, sich von seiner jüdischen Frau und ihrem gemeinsamen Sohn zu trennen. Als Reaktion auf den darauf folgenden Druck der Nationalsozialisten nahm sich die Familie 1941 das Leben. An die Stele waren Beleidigungen geschmiert. "Den genauen Inhalt möchte ich nicht wiedergeben", sagte Ihlefeldt. 

 

Gedenktafel von Widerstandskämpfer weggeschleudert


Des Weiteren wurde die Gedenktafel für den Widerstandskämpfer Richard Hüttig von ihrem Platz entfernt und in ein Waldstück auf dem Friedhof geschmissen. Hüttig war 1934 von den Nazis hingerichtet worden. Auf dem Grab einer weiteren Familie jüdischer Herkunft wurde der Blumenschmuck zerstört. 


Trotz der offensichtlichen Schicksalsgemeinschaft, die die Toten dieser Gräber verbindet, geht Ihlefeldt nicht von einem politischen oder antisemitischen Hintergrund der Tat aus. Vielmehr ist er überzeugt, ein verwirrter Einzeltäter hätte die Grabstätten beschädigt. Denn bereits am Mittwoch sei eine Person bei der Friedhofsverwaltung aufgetaucht und habe, recht konfus, über sein persönliches Schicksal erzählt, mit dem er versucht habe, seine rechte Orientierung zu rechtfertigen. Auch hier wollte Ihlefeldt keine Details nennen, sagte aber: "Nur der kann es gewesen sein." 


Da der Friedhofsverwalter die Person nicht kennt, hat er Anzeige gegen unbekannt erstattet. Den Sachschaden schätzte er als nicht besonders hoch ein. Die zuständige Polizeidirektion Potsdam West war am Freitag nicht zu erreichen. 

 

Kriminalpolizei ermittelt wegen Störung der Totenruhe


Die Kriminalpolizei hat Ermittlungen zu einer Störung der Totenruhe aufgenommen. Zu einem möglichen rechten oder antisemitischen Hintergrund der Tat wollte eine Sprecherin keine Angaben machen: "Zu einer Motivation kann ich noch nichts sagen", so die Sprecherin, "wir ermitteln in alle Richtungen."

Vor zwei Jahren hatten Unbekannte auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf den Schädel von "Nosferatu"-Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau aus dessen Gruft gestohlen. Weder der Schädel noch die Täter wurden gefunden.