Wie die AfD Lügen über London verbreitet

Erstveröffentlicht: 
06.06.2017

Mit einer Verschwörungstheorie will die Partei Stimmung gegen Medien und Muslime machen.

 

Es ist ein Skandal, den die AfD da aufgedeckt hat: Der Nachrichtensender CNN hat eine komplette Demonstration erfunden!

 

Das Ganze ist am Tag nach dem Anschlag von London vom Samstag passiert: Plötzlich tauchte am Tatort nämlich eine Gruppe von Muslimen mit Blumen und selbstgemachten Schildern auf, um ihre Solidarität mit den Opfern zu demonstrieren. Oder stimmt das gar nicht?

 

"Diese Demonstration fand nie statt", verkündet die AfD in einem Facebook-Video. "Es handelt sich um gestellte Szene, die CNN gedreht haben soll", erklärt der Begleittext, und dann auch gleich, wie das alles abgelaufen ist: "Ein ganzes Set wurde aufgebaut, die Statisten mit traditionell islamischer Kleidung ausgestattet. Schilder und Blumen lagen bereit, die augenscheinlichen Schauspieler wurden professionell platziert."

 

Als einzigen Beweis für diesen ungeheuerlichen Vorwurf führt die AfD an, dass einer der Demonstranten sowohl in den später von CNN veröffentlichten Fotos als auch in einem Handy-Video zu sehen ist, das jemand von derselben Szene gedreht hat. Was genau der Skandal sein soll, versteht man hier noch nicht so richtig – dafür muss man das Gerücht von der gefälschten Demo an seinen Ursprung verfolgen.

 

Das Handy-Video stammt nämlich von einem Blogger, der zufällig dabei stand, als die kleine Gruppe von Muslimen sich vor den Kameras von CNN aufbaute, um ihre mit #turntolove und "Isis will lose" beschrifteten Schilder zu zeigen. In dem Video ist zu sehen, wie die CNN-Produzenten der Gruppe Anweisungen geben, wie sie sich aufstellen sollen, damit sie alle aufs Bild passen.

 

Auf den ersten Blick sieht das Video auch tatsächlich so aus, als fände hier eine Inszenierung statt, bei der Polizei und Journalisten zusammenarbeiten, um die Demonstration in Szene zu setzen. Was daran stimmt: Die Kameraleute der CNN erklären den Demonstranten, wie sie sich hinstellen müssen, um ein gutes Bild abzugeben, und die Reporterin Becky Anderson wartet, bis die Demonstranten bereit sind, bevor sie die Szene anmoderiert. Das wirkt zwar auf Laien etwas künstlich, ist aber im Nachrichtenfernsehen normal.

 

Die Presseabteilung von CNN hat später erklärt, dass diese Demonstranten von der Polizei durchgelassen wurden, damit sie den Medien ihre Plakate präsentieren konnten – genau dafür waren sie ja auch gekommen. Das bestätigt ein anderer Journalist vor Ort, den die FAZ nach den Umständen des Videos gefragt hat.

 

Die Behauptung der AfD, die Demonstration habe nie stattgefunden und die Gruppe sei von der CNN beauftragt und ausgestattet worden, ist also offensichtlich frei erfunden. Warum die AfD sich solche Verschwörungen ausdenkt, liegt natürlich auf der Hand: Es erscheint ihr einfach immer noch glaubhafter als die Tatsache, dass echte Muslime auf eigene Faust das Bedürfnis haben könnten, ein Zeichen gegen den Terror zu setzen. Und das, obwohl das nach solchen Anschlägen immer wieder passiert.

 

Dabei ist ziemlich klar, wessen Botschaft die AfD mit solchen Aktionen weiterträgt: die der Terroristen. Wer mit einem Transporter in eine Menge fährt und dann wahllos auf Menschen einsticht, will vor allem eins: ein Zeichen des Hasses setzen. Die Botschaft: Verschiedene Kulturen können nicht friedlich in einem Land zusammenleben, Nicht-Muslime müssen Angst vor Muslimen haben. Diese Botschaft hat die AfD gerne geglaubt. Als andere Muslime ein anderes Zeichen setzen wollten, konnte die Partei gar nicht schnell genug "Fake News!" schreien. Dabei sind sie es selbst, die Lügen verbreiten.