Im Zuge der vergangenen Landtagswahl am 9. Mai haben die rechten Parteien in Bochum einen starken - wie größtenteils erfolglosen – Wahlkampf hingelegt. Anders als im letzten Jahr bei der Bundes- und Kommunalwahl waren dieses Mal neben der NPD zudem die REP und proNRW im Stadtbild vertreten. Auch wenn etwas verspätet wollen wir den Wahlkampf von rechts und die Gegenmaßnahmen erörtern und einen kritischen Blick darauf werfen. Die restlichen etablierten Parteien haben wir in unserer Anti-Wahl-Zeitung beleuchtet.
Alle Jahre wieder
Für die Wahlen in NRW standen in Bochum der „Jugendbeauftragte“ Andre Zimmer und der Landesvorsitzende Claus Cremer für die NPD zur Wahl. Bereits Anfang März fing die örtliche Abteilung an Wahlkampfaktionen durchzuführen. So fand schon am 13. März ein Infostand in Wattenscheid gegen eine „Bunker-Moschee“ statt, der nicht zuletzt dazu diente islamophobe Ängste zu schüren und das aktuelle Thema für sich zu nutzen, sondern auch um fleißig Stimmen für sich zu werben. Oftmals wurden Flugblatt- und Zeitungsverteilungen durchgeführt und Wahlkampfstände während der gesamten Wahlkampfperiode gehalten. Diese fanden aber meistens in den Außenbezirken Bochums statt: Langendreer, Linden, Gerthe, Dahlhausen, Wattenscheid und Altenbochum. Vermutlich haben die NPDler aus den Erfahrungen letztes Jahr gelernt – ständig wurden sie in der Innenstadt gesichtet und sofort gestört: ob beim Unterschriftensammeln oder beim Abhalten von Wahlständen, nur in den Außenbezirken Bochums konnten sie ungestört ihren alltäglichen Mist durchführen. Und so fand dieses Jahr auch nur ein Stand in der Innenstadt, am letzten Tag vor der Wahl, statt. Wie gewohnt wurde dieser umgehend gestört. (http://ajb.blogsport.de/2010/05/10/npd-stand-effektiv-gestoert/) Nebenbei wurden mehrmals Lautsprecherfahrten durchgeführt.
Für die Landestagswahlen hat sich die NPD zudem ganz neue Mittel einfallen lassen: um an SchülerInnen und ErstwählerInnen heranzukommen versuchte sie mit „technisch hochmodernen Transportmitteln“ via 1500 USB-Sticks die jungen WählerInnen zu locken. Ihre Schulhof-CD wurde dabei ebenfalls hervorgeholt. Zudem wurden nach eigenen Angaben um die 3000 SchülerInnenvertretungen landesweit angeschrieben, was der NPD einige Schlagzeilen brachte, aber wohl keine Wähler. Und obwohl sogar extra Hilfe aus Hamburg herangeschafft wurde und Plakate aus anderen Bundesländern extra nach Nordrhein-Westfalen geschickt worden sind, hat die NPD trotz scheinbar „innovativen“ Wahlkampfmitteln (so wurden auch ein Flugzeug mit NPD-Banner und ein gesponsertes „Flaggschiff“, ein aufgepimpter Wohnwagen, herangeholt) kein erfolgversprechendes Ergebnis erlangen können.
„Mahnwache“ und Materialschlacht – der Wahlkampf von Pro NRW
Während die NPD Bochum mit jeglichen Demonstrationen oder großen Kundgebungen in der Innenstadt verschonte, machte die Partei Pro NRW, die bis dahin nur im Rheinland in Erscheinung getreten worden war, auf sich aufmerksam. So sollte am 26. März eine „Mahnwache“ vor der Islamischen Gemeinde in Bochum stattfinden. Sofort wurde von antifaschistischer Seite aus eine Protestkundgebung in unmittelbarerer Nähe angemeldet und zahlreich zu Gegenaktionen mobilisiert (u.a. wurde ein Infostand in der Innenstadt organisiert). Am Tag des Geschehens selbst kam es im starken Regen zu einer Sitzblockade mit 50 Menschen, die eine der Zufahrten zum rechten Kundgebungsort blockiert hat. Als jedoch die ProNRW Wagen vor den Augen der Blockierenden erschienen sind, sind diese auf die Hauptstraße gelaufen, um die Weiterfahrt zu verhindern. Dabei kam es zu schweren Angriffen seitens der Polizei auf die AntifaschistInnen. (http://ajb.blogsport.de/2010/03/28/bochum-polizeigewalt-ermoeglicht-pro-...) Insgesamt konnte die Kundgebung um ca. eine Stunde verzögert werden.
Im weiteren Verlauf des Wahlkampfs kam es zwar nicht zu weiteren öffentlichen Aktionen von Pro NRW, allerdings hängten die RechtspopulistInnen zahlreiche Plakate im ganzen Stadtgebiet auf. Hierfür lief eigens der stellvertretende Pro-NRW-Vorsitzende Manfrend Rouhs aus Köln auf. Hinzufügen muss man allerdings, dass ProNRW wohl den aktivsten Wahlkampf von allen rechten Parteien hingelegt hat. Von den Großaktionen in Gelsenkirchen und Duisburg abgesehen, waren die Rechten in jeglichen anderen Groß- und Kleinstädten präsent, oftmals jedoch nicht ohne antifaschistischen Protest.
Komische Aktionen und abwesende Parteien
Will man sich an Aktionen der restlichen rechtsradikalen Parteien erinnern, so fällt es einem zurecht sehr schwer. Von der DVU, die ja nun gar nicht erst angetreten sind, und den REPs hat man in Bochum nichts gehört. Außer einigen Plakaten waren diese überhaupt nicht präsent (was natürlich auch keiner bedauert hat). Die Importpartei BüSos allerdings war immer wieder mal in der Innenstadt anzutreffen. Ob es wieder „Info“stände waren, wo behauptet wurde, Obama solle umgebracht werden und von den Engländern deswegen ersetzt, um sein Leben zu schützen – oder ob sektenartige Schauspiele in der Innenstadt geboten wurden – mit verkleideten Soldaten und singenden Märschen in den Straßen, die BüSos waren wohl mit die unterhaltsamsten im Parteienzirkus. Zu kritisieren ist jedoch an dieser Stelle der fehlende antifaschistische Protest gegen die Kleinstpartei. Die Aktionen wurden nicht organisiert gestört, höchstens wurden die Anhänger von Kascha & Co. von Einzelpersonen geärgert. Diese Form des Protests ist aber notwendig, um auf den verschwörungstheoretischen Quatsch der BüSo hinzuweisen. Dies sollte für alle ein Ziel für den nächsten Wahlkampf sein.
Wo man auch hinsieht – man sieht das, was man nicht sehen will
Im Landestagswahlkampf waren wieder vermehrt Plakate von den rechten Parteien zu verzeichnen. Man kann definitiv sagen, dass es 2010 mehr Plakate zum Abreißen und Beschmutzen gab, als das Jahr zuvor. Zeitweise waren ganze Alleen plakatiert.
Die NPD holte sich nicht nur Plakate aus Hamburg, um den eigenen Bestand aufzustocken, sie war auch die erste rechte Partei, die sich Litfaßsäulen und Brückenunterführungen als Werbefläche unter den Nagel gerissen hat.
Neben der NPD tauchten auch zum ersten Mal Plakate Pro NRWs auf. Diese hingen immer, ähnlich wie die der NPD, sehr hoch. Plakate, die an zentralen Orten verschwanden, tauchten oft an gleicher Stelle neue auf und nervten weiterhin antifaschistisch eingestellte Menschen in der Stadt.
Massiv haben auch die BüSos im Innenstadtbereich und am Opelring plakatiert. Doch ähnlich wie bei ihren anderen Aktionen wurden die Plakate vernachlässigt und nur selten abgemacht. Möglicherweise waren empörte BürgerInnen und AktivistInnen einfach zu fixiert auf die Materialschlacht von NPD und Pro NRW.
Repression und Polizeigewalt
Obwohl es dieses Jahr eine große Anzahl an Plakaten gab, die es abzumachen galt, ist es auch auf jeden Fall positiv zu verzeichnen, dass sich auch mehr Leute am Abmachen und Beschädigen beteiligt haben. Dies merkte man im Vergleich zum letzten Jahr ganz eindeutig. Ein großes Lob an dieser Stelle an alle AktivistInnen! Was eine größere Beteiligung natürlich nach sich zieht ist die höhere Zahl der Menschen, die von Repression aufgrund ihres Engagements betroffen sind. Die NPD ließ natürlich nicht nehmen Jugendliche, die beim Entsorgen des braunen Mülls von der Polizei erwischt worden waren, wegen „Sachbeschädigung“ anzuzeigen.
Abgesehen von der Repression, die das Abmachen von Plakaten nach sich zieht, erwartet man polizeiliche Konsequenzen wegen der Sitzblockade am 26. März. Elf Menschen wurden brutal festgenommen und zum Teil verprügelt und eine Person auf der Wache bis zur Ohnmacht gewürgt. (http://ajb.blogsport.de/2010/03/21/gegen-den-humbug-der-wahlen-raus-auf-...) Und auch auf der Demonstration am 10. April, die ursprünglich als Gegenaktion zu der von der NPD angekündigten Kundgebung geplant war und letztlich unter dem Motto „Gegen den Humbug der Wahlen“ (http://ajb.blogsport.de/2010/03/21/gegen-den-humbug-der-wahlen-raus-auf-...) und nach der erlebten Polizeigewalt Ende März auch diese thematisieren sollte, wurden zwei Menschen direkt an der Polizeiwache willkürlich festgenommen. Hierbei gibt es bereits ein Anklageschreiben an eine Person, die schwere Vorwürfe erhebt und tatsächlich den Eindruck vermittelt, man wolle die Person hinter Gitter bringen. (http://ajb.blogsport.de/2010/06/01/bo-erste-anklage-wegen-kritik-an-poli...)
Doch nicht nur während großen Aktionen wurde Erfahrung mit Polizeigewalt gemacht. Auch während des Wahlkampfstandes der NPD am 8. Mai, nachdem ein Antifaschist mit auf die Wache genommen wurde, weil er sich nicht ausweisen konnte, musste dieser eine physische Attacke von dem bekannten Polizisten „Harry“ über sich ergehen lassen. (http://ajb.blogsport.de/2010/05/16/pressemitteilung-vom-10-05-harry-verl...)
Es gilt nun zu versuchen, das beste aus den Situationen herauszuholen und Repression zu mindern.
Wahlergebnisse für Bochum
Speziell in Bochum konnte die NPD 1,27% an Erststimmen ergattern. Diese bildet also weiterhin die stärkste rechtsradikale Kraft in Bochum und liegt über dem Landesdurchschnitt. Die Pros bekamen 1,16% der Zweitstimmen und die REPs 0,22%. Insgesamt wurden 4175 Zweitstimmen aus Bochum an die antretenden Nazis gegeben. Für weitere Details siehe den Bericht hier: http://ajb.blogsport.de/2010/05/11/nazi-parteien-landesweit-mit-schwachen-wahlergebnissen/
Nazis ganz enttäuscht
Keine der antretenden Naziparteien konnte in den nordrhein-westfälischen Landtag einziehen. Einzig ProNRW sicherte sich eine Wahlkampfkostenrückerstattung. Die anderen Parteien bleiben auf den hohen Kosten sitzen – so auch die NPD, die versuchte Gründe für ihr scheitern zu suchen.
„Freie Nationalisten“, ganz enttäuscht von dem mickrigen Endergebnis von nur 0,7%, verfassten eine Stellungnahme, in der sie ProNRW für den „heimlichen Sieger“ der Wahlen und den Landesparteichef Claus Cremer für das Scheitern der NPD verantwortlich machen. „Pro NRW hat also das geschafft, was der NPD-Landesvorsitzende Claus Cremer seit Jahren als unmöglich darstellt“, klagen die „parteilosen“ Nazis. Der Wahlkampf war in größten Teilen von NRW „nicht existent“, man hätte sich auf einen Themenschwerpunkt festlegen sollen. Es folgt eine klare Ansage: „Unter Personen wie Claus Cremer, und dem von ihm seit Jahren installierten Marionettenvorstand, der zu großen Teilen nur bei den Vorstandswahlen zu Leben erwacht, kann man keine nationale Arbeit verrichten, erst recht keine radikale Oppositionsarbeit.“
Sofort meldete sich Claus Cremer zu Wort und dementierte die Vorwürfe – er findet, der Wahlkampf war supi, aktiv und vielseitig. Wie spannend und lustig die Streitereien auch sein mögen – aus dem schlechten Ergebnis will die NPD Konsequenzen ziehen und so fanden bereits u.a. in Bochum „Vernetzungstreffen“ mit NPD Akteuren aus Essen, Dortmund und natürlich Bochum statt. Diese sollen der erste Schritt in die „bessere Zukunft“ sein. Es wurde ein „Konsenspapier“ verfasst und indirekt Aktionen angekündigt, die sich dem Schwerpunkt „Islamisierung“ widmen sollen.
Was uns bleibt
Als Fazit muss man auf jeden Fall die Kriminalisierung der Aktionen während des Wahlkampfs in Betracht ziehen. Ob Gegendemos, Blockaden oder bloßes Entfernen von Wahlplakaten – linke Strukturen und linke Aktionen werden zunehmend auch im Zuge der Extremismusdebatte kriminalisiert und ziehen starke Repression mit sich, ob auf lokaler oder landesweiten Ebene. Es ist wichtig zu überlegen, was man hätte besser machen können und wie man beim nächsten Mal damit umgeht.
Was die rechten Strukturen anbelangt, so wurden dieses Jahr in Bochum vermehrt gute Aktivitäten gegen die Nazis durchgeführt. (Die NPD beschwerte sich sogar über die Linksradikalen, die dafür sorgen, dass ihre Plakate nur für kurze Zeit kleben bleiben ) Aber auch hier muss man schauen, wie man eine effektivere Methode entwickeln kann, flächendeckend über rechte Strukturen aufzuklären und ihre Aktivitäten in den Schatten zu stellen. So sollte man z.B. öfter Infostände in der Innenstadt organisieren und Infos an die Menschen tragen.
Wir denken, man darf gespannt sein, was die Nazis als nächstes vorhaben und sich gefasst auf einen heißen Sommer machen.
Antifaschistische Jugend Bochum
Wahlkampfreport von 2009
http://ajb.blogsport.de/2009/10/10/antifa-report-zu-den-wahlkaempfen-2009-in-bochum/