[MS]: Prozess zur Räumung der Besetzung am Schifffahrter Damm (Bericht)

[MS]: Prozess zur Räumung der Besetzung am Schifffahrter Damm

Am Mittwoch, 24. Mai fand der erste Prozess im Rahmen der Räumung des Schifffahrter Damms statt. Das Haus wurde im August 2016 besetzt, nachdem es jahrelang leer stand und durch den Eigentümer Geringhoff dem Verfall überlassen wurde. Nachdem sich Richterin und Staatsanwältin einig waren, dass dringend „ein Zeichen gesetzt“ werden müsse gegen diese andauernden Besetzungen in Münster, wurde das Verfahren gegen Auflage eingestellt.

 

Trotz der spontanen Ankündigung (erst am Nachmittag vor dem Prozess wurde bekannt, dass das Verfahren doch öffentlich stattfinden wird) fanden sich einige Unterstützer_innen im Amtsgericht Münster ein. Ganz im Gegensatz zu den Zeug_innen: Viele waren verhindert und auch Geringhoff schien es nicht für nötig zu halten, zu dem Verfahren, dass er selbst durch seinen Strafantrag ins Leben gerufen hatte, zu erscheinen.

 

Die vier angeklagten Menschen aus Münster und Bremen wurden beschuldigt „im Rahmen einer Hausbesetzung gemeinschaftlich widerrechtlich in Eigentum eingedrungen“ zu sein und somit den Hausfrieden gebrochen zu haben. Völlig zurecht stellte der Verteidiger die Frage, was für ein Friede denn bitte gebrochen wurde? Die Wohnungssituation in Münster ist verheerend, eine Immobilienblase ist entstanden, Menschen wurden und werden verdrängt, auch aus dem Schifffahrter Damm 84. Doch Geringhoff lässt sein Haus ungenutzt leerstehen – und beschwert sich dann, wenn Menschen Leerstand beleben!

 

Die Richterin Goldberg sieht das anders. „Es ist nicht legitim und zeitgemäß, durch Besetzungen auf politische Missstände hinzuweisen“, behauptet sie. Nicht zeitgemäß? Beurteilen die Gerichte jetzt also die Modernität politischer Aktionen?

 

Richterin und Staatsanwältin schienen sich außerordentlich gut zu verstehen. Noch bevor das erste Argument der Verteidigung hervorgebracht werden konnte, waren sie sich einig, das Verfahren nur nach Auflage einzustellen. Die Staatsanwältin machte ganz offen ihre Strategie bekannt. Es solle mit dem Prozess „ein Zeichen gesetzt“ werden, ein abschreckendes Beispiel, damit sich Hausbesetzungen in Münster nicht wiederholen. Vor dem Hintergrund, dass Hausfriedensbruch oft wegen Geringfügigkeit nach § 153 StPO ganz ohne Auflagen eingestellt wird und die Besetzung am Schifffahrter Damm mehrfach als einladend und nachbarschaftlich beschrieben wurde, war dieses sture Beharren schon merkwürdig. Es wurde deutlich, das Gericht wollte in diesem Prozess nicht die Verhältnismäßigkeit prüfen und schon gar kein „Zeichen setzen“ gegen Leerstand und Wohnungsnot in Münster.

 

Immerhin wurde das Verfahren eingestellt, gegen Auflage von 20 Sozialstunden. Hierfür hatten sich die Angeklagten selbst entschieden, möglich wäre auch die Zahlung einer Strafe von 200 Euro gewesen. Die Ignoranz der Staatsanwältin wurde mehr als deutlich, als die Verteidigung den Einwand erhob, dass diese Strafe im Vergleich zum Einkommen der Angeklagten zu hoch angesetzt sei. Sie bezeichnete dies als „Gehampele“ und „Geschachere“ - es scheint völlig an ihrer Lebensrealität vorbei zu gehen, dass 200 Euro für Menschen viel Geld sein können. Auch der allseits verbreitete Rassismus aus der Mitte kam zum Vorschein, als sich die Staatsanwältin in diesem Zusammenhang abfällig über Basare äußerte. Auf die Frage, was die Angelegenheit denn bitte mit Marktkulturen zu tun habe, fiel ihr wohl keine gute Antwort ein. Anschließende Kritik aus dem Publikum wurde von der Richterin harsch verhindert, während diese selbst aber nichts zur Äußerung der Staatsanwältin sagte.

 

Äußerst lächerlich waren die Klagen der Richterin Goldberg zum „fehlenden Geständnis“. So jammerte sie allen Ernstes, was sie doch für eine Arbeit hatte, weil die Angeklagten nicht sofort brav die äußerst hoch angesetzte Strafe bezahlten, sondern ein Prozess stattfinden „musste“. So musste sie auch noch Zeug_innen einladen, einen Termin organisieren, Telefonate führen, und, und, und... Arme Goldberg, als ob sie dafür als Richterin am Amtsgericht nicht einige Tausend Euro pro Monat verdienen würde. Wir raten bei so viel Stress dringend zum Jobwechsel!

 

Alles in allem also ein sinnloser Prozess, der wegen Geringfügigkeit eingestellt wurde. Die Auflage von 20 Sozialstunden ist einzig dem Bestreben von Richterin und Staatsanwältin zu verdanken, explizit ein Zeichen gegen Hausbesetzungen in Münster setzten zu wollen. Während Leerstand und Immobilienspekulation offensichtlich völlig im Trend liegen, seien Hausbesetzungen nicht mehr „zeitgemäß“. Wir glauben kaum, dass sich Hausbesetzer_innen auf diese Weise von Gerichten abhalten lassen, solange sich nichts an den Zuständen in den Städten ändert!

 

Solidarische Grüße an die Menschen aus Bremen, die durch die nervige Herumfahrerei noch mehr Stress mit der ganzen Angelegenheit hatten.

 

Danke an alle Menschen, die die Besetzung des Schifffahrter Damms und die weiteren Besetzungen in Münster unterstützen! Häuser denen, die sie nutzen - Squat the world!