„Kirchentag auf dem Weg“ Leipziger Verein hat eigenen Arbeitskreis zur „Aufarbeitung der Hexenverfolgung“

Erstveröffentlicht: 
22.05.2017

Ein Arbeitskreis des Leipziger Vereins Frauenkultur widmet sich der „Aufarbeitung der Hexenverfolgung“ unter anderem in Zeiten der Reformation in Leipzig und Sachsen. Es geht vor allem um die Rolle von Martin Luther.

 

Leipzig. „Es ist ein Thema, über das nur wenig gewusst, geforscht oder geredet wird“, sagt Christine Rietzke vom Verein Frauenkultur. Das sei ein Grund gewesen, sich im Januar 2016 in einem Offenen Arbeitskreis (AK) „Aufarbeitung Hexenverfolgung“ ehrenamtlich zusammenzufinden. „Das Thema ist schließlich Teil der Leipziger, der sächsischen Geschichte und ruht relativ unbearbeitet“, so Rietzke. Der Arbeitskreis ackert daher seit anderthalb Jahren, um fundierte Erkenntnisse zu sammeln und „diese gesellschaftlichen Unrechtssituationen aufzuarbeiten sowie Formen der Rehabilitation unschuldig ermordeter Frauen, Männer und Kinder zu finden.

 

Auch, wenn das Jahrhunderte her ist und die Kirche das Ganze bis heute weitestgehend aus ihrer Geschichtsschreibung ausblendet“. In den Arbeitskreis bringen sich neben gestandenen Historikern Leute unterschiedlichster Professionen ein – wie der heimatlich verbundene, frühere Geschichtslehrer Stephan Klein. Der sagt: „Was wir bisher herausfanden, ist nur die Spitze des Eisberges.“ Die Quellenlage sei nicht üppig. „Von einst 700, 800 Bänden sächsischer Gerichtsakten aus all den Jahrhunderten sind heute noch 14 da“, deutet Rietzke an.

 

Immerhin: „Die Spitze des Eisberges“ reichte vorderhand aus, eine Ausstellung auf die Beine zu bringen. Sie wird am Donnerstag in der Frauenkultur eröffnet – und dürfte eine kritische Note zum beginnenden „Kirchentag auf dem Weg“ in der Stadt beisteuern. Denn während die Welt derzeit ganz schön im Luther-Freuden-und-Feier-Taumel ist, hinterfragt sie auch das Wirken des Reformators von einer ganz anderen Flanke.

 

„Luther hat mit seinem 1529 erschienen Kathechismus, der fast in jedem Haushalt Verbreitung fand, dem Hexenglauben massiv Vorschub geleistet“, sind sich Rietzke und Klein einig. Vor allem seine Übersetzungen hätten seine Überzeugung im Hinblick auf die Allgegenwärtigkeit des Teufels und seiner Verbündeten, der Hexen und Zauberer, zum Gemeingut des Volkes gemacht. „Luther glaubte fest an den Satan – und wer ,glaubensschwach‘ war, war eher mit ihm im Bunde. Und für ,glaubensschwach‘ und demzufolge ,verführbar‘ schienen ihm und anderen insbesondere Frauen“, sagt Rietzke und verweist etwa auf Luthers Hexenpredigt „Die Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen“ von 1526.

 

Neben Arbeitskreis-Recherchen wie diesen setzt sich die Schau überhaupt mit der historischen Entstehung des Begriffes „Hexe“ auseinander, der kirchlicherseits in seiner Bedeutung verstetigt wurde, insbesondere als Papst Innoncens VIII. im Jahr 1484 mit der „Hexenbulle“ eine verbindliche rechtliche Anordnung erließ. Er gab den Dominikaner-Inquisitoren Heinrich Institoris und Jakob Sprenger freie Hand, in Deutschland besonders verbreitete, magische Praktiken zu bekämpfen und mit absoluter Härte gegen Verdächtige zu verfahren. Institoris setzte gar noch einen drauf, schuf 1486 den „Hexenhammer“ mit seinen Theorien zu „Ursachen und Gründen der Hexerei“ nebst Anweisungen zur Verfolgungen und „Befragungen“, durch die Frauen zutiefst erniedrigt wurden. Später habe noch ein hochdotierter Leipziger Jurist sein Scherflein dazu beigetragen, die Hexenprozesse erheblich zu befördern, erzählen Rietzke und Klein: Benedict Carpzov (1595-1666). Der wiederum verfasste die „Practica nova“, die der Autor Georg Längin zum Beispiel 1888 in einer Schrift als „protestantischen Hexenhammer“ geißelte.

 

Welche Schicksale sich mit der Hexenverfolgung in Leipzig verbanden, hat der Arbeitskreis, soweit recherchierbar, auch zusammengetragen: So ist ein erster Prozess dieser Art für 1479 dokumentiert. Eine Frau Slezieryn war der Zauberei angeklagt, „das Stadtgericht verurteilte sie zu Staupe-Schlägen, brennen durch die Backen und Verweisung der Stadt“. 1496 zum Beispiel wurde eine Margaretha Pornecker vom Scharfrichter lebendig vergraben; 1502 etwa der Leipziger Abdecker Peter zum Feuertod verurteilt… 1632 traf es gar drei kleine Jungs, die der Hexerei bezichtigt und zu Ruten-Hieben verurteilt wurden.

 

Nicht zuletzt beleuchtet die Schau das Bild der Hexe in Märchen und Literatur. Alles in allem sei sie als Wanderausstellung angelegt, so Rietzke. Und was das Thema an sich betrifft, so bleibe der Arbeitskreis dran, noch soviel wie möglich vom „ganzen Eisberg“ freizulegen…

 

Die Schau „Aufarbeitung der Hexenverfolgung“ (bis 5. Juli): Eröffnung 25. Mai, 19 Uhr, Frauenkultur, Windscheidstr. 51. Offener Vortrag „Als Hexe/r verfolgt und ermordet“ 26. Mai, 19 Uhr. Rundgänge während „Kirchentage auf dem Weg“ am 25., 26. und 27. Mai jeweils 13 Uhr. Eintritt frei.

 

Von Angelika Raulien