Eine am Donnerstag von der Ostbeauftragten der Bundesregierung, Iris Gleicke (SPD), in Berlin vorgestellt Studie besagt: Der Osten hat Probleme mit Rechtsextremismus. Er werde durch Faktoren befördert, die „in Ostdeutschland stärker ausgeprägt sind“ als im Westen.
Berlin. Nicht in ganz Ostdeutschland, aber in gewissen Regionen und politisch-kulturellen Umfeldern wie im Dresdner Umland gebe es eine historisch gewachsene Neigung zu Fremdenfeindlichkeit und rechtsextremem Denken, heißt es in der Studie der Wissenschaftler um den Parteienforscher Franz Walter vom Göttinger Institut für Demokratieforschung. Dies dürfe in der politischen Debatte nicht einfach beiseite gewischt werden, nur weil die Diagnose einer ostdeutschen Besonderheit eine politisch unangenehme Schwere in die öffentliche Debatte bringe. Ein großes Manko sehen die Autoren auch bei Politikern vor Ort und mangelndem Widerspruch zu rechten Umtrieben.
Vor allem mit der Situation in Sachsen und der Rolle der sächsischen CDU gehen die Forscher hart ins Gericht. Die Dominanz der Union in dem Freistaat sei für die Entwicklung der sächsischen Zivilgesellschaft und die Akzeptanz des Interessenpluralismus eher von Nachteil gewesen, heißt es. Es gebe ein großes Misstrauen der sächsischen Union gegenüber der zivilgesellschaftlichen Szene. Darauf sei sicherlich zurückzuführen, dass die Landesregierung das Problem Rechtsextremismus lange Zeit unterschätzt und viele Vereine, die Aufklärungs- und Präventionsarbeit gegen Rechtsextremismus anbieten, eher behindert als gefördert habe.
Ursachen müssen schonungslos und ohne Tabus aufgedeckt werden
Die Ostbeauftragte Gleicke warnte vor einem Rückzug des Staates aus ganzen Landstrichen Ostdeutschlands. Allerdings sollten Lösungsvorschläge mit erhobenem Zeigefinger und Belehrungen aus dem vermeintlich so viel weltoffeneren Westen der Republik tunlichst unterbleiben, sagte Gleicke. Vielmehr müssten strukturschwache Regionen noch gezielter gefördert werden. Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus seien eine ernste Bedrohung für den sozialen Frieden und die wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland. Deshalb müssten die Ursachen schonungslos und ohne Tabus aufgedeckt und offengelegt werden.
Für die Studie mit dem Titel „Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland – Ursachen, Hintergründe, regionale Kontextfaktoren“ hatten die Göttinger Wissenschaftler von Mai bis Dezember vergangenen Jahres die sächsischen Städte Freital und Heidenau sowie den Erfurter Stadtteil Herrenberg untersucht.
Sächsische Union kritisiert Extremismusstudie scharf
Die sächsische Union hat Gleicke wegen der Rechtsextremismusstudie scharf attackiert. In der Untersuchung werden der sächsischen Regierung Versäumnisse im Kampf gegen Rechts vorgeworfen. Der Regierungspartei CDU wird angeraten, die Probleme nicht „mit Sachsenstolz“ zu übertünchen, sondern sich ihrer anzunehmen.
„Man muss sich mittlerweile ernsthaft fragen, ob die so genannte Ost-Beauftragte der Bundesregierung ihren Job noch richtig versteht“, sagte Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer der Deutschen Presse-Agentur. Gleickes Aufgabe „sollte es eigentlich sein, als Stimme der ostdeutschen Länder in der Bundesregierung dafür zu sorgen, dass sich der ökonomische und infrastrukturelle Aufholprozess beschleunigt“.
Die in der Studie erhobenen Vorwürfe wies Kretschmer zurück. Der Kampf gegen Rechts sei für die sächsische Union eine wichtige Aufgabe. „Wir stehen seit jeher für eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Rechtsextremisten.“ Zugleich warnte er davor, „den Menschen einzureden, dass Heimatliebe, eine starke regionale Identität und ein patriotisches Bekenntnis zu seiner Heimat Zeichen rechten Gedankenguts seien.“ Vielmehr sei dies „zusammen mit der Anerkennung unserer Leitkultur die Basis für eine erfolgreiche Integration von Zuwanderern.“