Bei einem Treffen der „Jungen Alternative“ in Marburg sollen Teilnehmer mit Pfefferspray und Schlagstöcken auf linke Aktivisten losgegangen sein. Der Landesvorstand spricht von Notwehr.
Die Bilder wirken bedrohlich und befremdlich zugleich. Eine Gruppe von Männern, die Gesichter mit Sturmhauben oder schwarzen Tüchern vermummt, stürmt auf den Betrachter zu. Ihr Ziel: der Fotograf, der diese Aufnahmen macht. Befremdlich wirkt, dass die meisten Angreifer unter den vermummten Gesichtern eher elegant gekleidet sind. Anzughosen, gebügelte Hemden, einer trägt sogar Krawatte. Der Fotograf flieht. Auf dem Rückweg ziehen zwei der Angreifer ihre Sturmmasken ab – nicht ahnend, dass sie aus einem parkenden Auto heraus erneut fotografiert werden.
Unter der Vermummung kommen zwei bekannte Gesichter zum Vorschein: Philip Stein von der neurechten Ein-Prozent-Initiative und Max Kolb, Beisitzer im Vorstand der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) in Hessen.
Der Angriff auf den anonymen Fotografen hat sich bereits am 29. April ereignet. An diesem Samstag lud die hessische Junge Alternative zu ihrem Landestreffen nach Marburg. Veröffentlicht wurden die Fotos allerdings erst am vergangenen Sonntagabend von einem Blog, der der linken Szene in Marburg zuzurechnen ist – ebenso wie die anonymen Fotografen. Entstanden sind die Bilder vor der Zufahrt zum Verbindungshaus der völkischen Burschenschaft Germania – die der Jungen Alternative als Tagungsort diente. Eine Notlösung, wie der hessische JA-Vorsitzende Fabian Flecken auf FR-Anfrage betont. Nach Drohungen sei das Treffen kurzfristig dorthin verlegt worden.
Kaderschmieder der neuen Rechten
Die pflichtschlagende Verbindung Germania Marburg gilt Beobachtern als eine Art „Kaderschmiede“ der Neuen Rechten. Philip Stein, einer der prominentesten Ex-Germanen, zählt zum Umfeld des Instituts für Staatspolitik (IfS) und arbeitet in der Ein-Prozent-Initiative mit dessen Gründer Götz Kubitschek und Vertretern der AfD zusammen. Torben Braga, ebenfalls Mitglied der Germania, hat es zum Assistenten des thüringischen AfD-Rechtsaußen Björn Höcke gebracht. Beide nahmen, obwohl nicht Mitglieder der JA in Hessen, am Landestreffen teil.
Die Prominenz vom rechten Rand der AfD war es wohl auch, die örtliche Antifa-Aktivisten dazu veranlasste, das Treffen im Verbindungshaus dokumentieren zu wollen – genauer gesagt: die Teilnehmer. Dies, darin stimmen beide Seiten überein, war Auslöser für die nun öffentlich gewordene Auseinandersetzung.
Nur ein Gegenangriff?
Die linken Aktivisten sprechen davon, dass der Fotograf und andere Beobachter mehrfach von Teilnehmern des Treffens – darunter Kolb und Stein – attackiert worden seien, ohne diese provoziert zu haben. Dabei hätten die Angreifer auch Pfefferspray eingesetzt und Schlagstöcke gezückt. Die Konfrontation hat sich demnach auf der Lutherstraße vor dem Grundstück der Germania abgespielt.
Die Junge Alternative indes behauptet in einer schriftlichen Stellungnahme, dass zuvor Antifa-Aktivisten auf das Gelände der Burschenschaft vorgedrungen seien und Teilnehmer des Landestreffens mit einer Dachlatte und Pfefferspray attackiert hätten. Ein Mitglied der JA sei dabei an der Hand verletzt worden und habe bei der Polizei in Marburg Anzeige erstattet. Die Vermummung habe nur dazu gedient, die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu schützen, da diese bereits in der Vergangenheit Opfer von Outing-Aktionen und „Hass-Kampagnen“ der Antifa geworden seien.