Darf beim G-20-Gipfel in Hamburg scharf geschossen werden?

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Erstveröffentlicht: 
13.05.2017

Innensenator Grote ließ durchblicken, dass Protestierende den bewaffneten Sicherheitskräften der Staatsgäste besser nicht in die Quere kommen sollen

Fast scheint es, als ob die Hansestadt sich für Anfang Juli auf einen Krieg vorbereitet: Die Hamburger Polizei wurde rechtzeitig für den Anti-Terror-Kampf aufgerüstet, eine Gefangenen-Sammelstelle wird errichtet und Innensenator Andy Grote (SPD) ließ durchblicken, dass Blockaden der Routen der Auto-Korsos mit den Politikerinnen und Politikern, die am G-20-Gipfel am 7./8. Juli 2017 in Hamburg teilnehmen, eventuell dazu führen, dass "die bewaffneten Sicherheitskräfte der Staatsgäste, die die Kolonne begleiten, das als Ernstfall werten". Heißt im Klartest: "Störer" (Bild) müssen damit rechnen, dass scharf geschossen wird.

 

Seit neuestem verfügt die Hamburger Polizei über den modernen Panzerwagen "Survivor", Sturmgewehre und bessere Schutzkleidung. "Survivor" wiegt fast 10 Tonnen, kann aber trotzdem auf 100 km/h beschleunigen, hält Beschuss durch durchschlagstarke Militärwaffen aus und soll bei Terroranschlägen, Geiselnahmen oder Amokläufen die direkt in den Kugelhagel fahren können, um dort Spezialkräfte abzusetzen oder Opfer zu retten.

 

Angeblich wurde "Survivior" angeschafft, um der wachsenden Terror-Gefahr zu begegnen und im Ernstfall auch ohne den Einsatz der Bundeswehr im Inneren auszukommen. "Bei gefährlichen Einsatzlagen brauchen wir keine Bundeswehr. Das kann die Polizei jetzt auch", zitiert der NDR Grote. "Wenn hier militärisch ausgerüstete Terroristen auftreten sollten, muss Waffengleichheit bestehen. Das ist jetzt der Fall", betonte der Innensenator in der Hamburger Morgenpost (MOPO). Kostenpunkt des Terror-Abwehr-Pakets: schlappe 4,5 Mio. €.

 

"Abschreckungskonzept" gegen Protestierende

 

Gleich zwei große Demonstrationen sind im Zusammenhang mit dem G-20-Gipfel angemeldet: Eine aus dem Umfeld des autonomen Stadtteilzentrum "Rote Flora" für den 6. Juli, und eine für den 8. Juli, die vom linken Bundestagsabgeordneten Jan van Aken angemeldet wurde.

 

Diese Proteste scheinen das Image des Hamburger Senats als guter Gastgeber zu stören. Die Hamburger Innenstadt wird weiträumig zur No-Go-Area erklärt, und wer sich trotzdem hineinwagt, muss damit rechnen, arrestiert zu werden. Laut der Bürgerschaftsfraktion der Linkspartei wird im Stadtteil Hamburg-Harburg eine Sammelstelle mit Zellen-Containern errichtet, in der bis zu 400 Gefangene bis zu 48 Stunden festgehalten werden können - in 9m²-Zellen, in die jeweils 5 Menschen gequetscht werden können. Die Container verfügen über Klimatisierung, dimmbares Licht, Rauchmelder, Notrufeinrichtung und bieten die Möglichkeit, die Gefangenen mittels Türspion lückenlos zu überwachen.

 

Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion, Christian Schneider, kritisierte das Vorhaben als "Abschreckungskonzept": "Bis zu einer richterlichen Entscheidung kann es maximal 48 Stunden dauern. Mit richterlicher Anordnung kann ein so genannter Unterbindungsgewahrsam bis zu zehn Tage angeordnet werden. Es können also Menschen präventiv für die gesamte Zeit des G20-Gipfels festgehalten werden."

 

Grote wies in einem Interview in der Bild durch die Blume darauf hin, dass die Protestierenden sich keinen Gefallen tun, wenn sie z. B. die Auto-Korsos mit den Staatsgästen blockieren. Dadurch würden sie sich "beim Aufeinandertreffen mit der Kolonne in Gefahr bringen", so der Innensenator. Das lässt sich nicht anders verstehen, als seien eventuell Blockierende für die "bewaffneten Sicherheitskräfte der Staatsgäste" zum Abschuss frei gegeben. Ein geschickter Schachzug des SPD-Politikers, der damit die Verantwortung für die Sicherheit der Demonstrierenden aus der Hand gibt.

 

"Auf Protestierende, auf Menschen, die zivilen Ungehorsam ausüben, darf unter keinen Umständen geschossen werden. Dafür tragen Sie Verantwortung", erklärte dazu die Fraktions-Vorsitzende der Linkspartei, Cansu Özdemir. an die Adresse des Innensenators.

 

Grotes subtile Drohung weckt Erinnerungen an den Fall Carlo Guliani. Der damals 23jährige wurde im Rahmen der Gegenproteste zum G-8-Gipfel in Genua am 20. Juli 2001 von einem italienischen Carabinieri erschossen.