Auch die Amadeu-Antonio-Stiftung stand auf der Liste des mutmaßlichen Rechtsterroristen Franco A. "Ich bin schockiert", sagt deren Geschäftsführer Timo Reinfrank.
von Matthias Meisner
Herr Reinfrank, auch die Amadeu-Antonio-Stiftung stand auf der Liste potenzieller Anschlagsziele des mutmaßlichen Rechtsterroristen Franco A. Ziel eines Angriffs sollte offenbar auch Stiftungschefin Anetta Kahane sein. Seit wann wissen Sie davon?
Wir sind vergangene Woche zeitgleich mit den anderen Betroffenen unterrichtet worden, dass wir auf dieser Liste stehen. Allerdings ohne Details. Uns wurde wie anderen Betroffenen auch vom Berliner Landeskriminalamt ein Sicherheitsgespräch angeboten.
Jetzt ist durchgesickert, dass sich in den Händen des Bundeswehrsoldaten auch eine Skizze der Büroräume Ihrer Stiftung befand. Wie gehen Sie damit um?
Wir sind natürlich schockiert. Das zeigt, dass die Leute gut informiert sind und dass wir sie ernst nehmen müssen. Trotzdem trifft es uns nicht gänzlich unvorbereitet, denn unsere Geschäftsstelle auch auf der Verdachtsliste des NSU, auf der noch einmal wesentlich mehr Leute verzeichnet waren. Wir haben also schon vorher entsprechende Sicherheitsmaßnahmen ergriffen.
Angriffe von rechts sind für Ihre Stiftung nicht neu. Welche Drohungen ragten in besonderer Weise heraus?
Ich möchte da gar nicht so sehr ins Detail gehen. Wir werden immer wieder angefeindet: die ganze Bandbreite von organisierten Rechtsextremen bis zu eher wirren Einzeltätern aus dem Reichsbürger-Spektrum. Wir versuchen, damit professionell umzugehen, unsere Mitarbeiter zu schützen und auf mögliche Angriffe vorzubereiten. Erschreckend ist auch der Hass in den sozialen Netzwerken. Wenn es strafrechtlich relevant ist, zeigen wir Postings an. Und wir versuchen, die Sicherheitsbehörden zu bewegen, das Problem ernster zu nehmen. Sie müssen nicht nur uns, sondern auch andere zivilgesellschaftliche Akteure besser schützen.
Zurück zur Bundeswehr: Mit der zweiten Festnahme am Dienstag ist klar, dass Franco A. kein Einzeltäter ist. Es handelt sich ganz offenbar um ein rechtsextremistisches Netzwerk. Wie bewerten Sie das?
Wir wussten ja schon immer, dass es in der Bundeswehr rechtsextreme Umtriebe und Vorfälle gibt. Nicht zuletzt hat der Umgang mit dem NSU gezeigt, dass es rechtsextreme Straftäter gibt, die die Bundeswehr strategisch nutzen, um sich an Waffen auszubilden. Was mich erschreckt: Der NSU hätte nicht nur für die Bundeswehr, sondern auch für die Sicherheitsbehörden ein Warnruf sein müssen. Trotzdem ist viel zu wenig passiert.
Was erwarten Sie konkret?
Es gibt keine systematische Bestandsaufnahme von rechtsextremistischen Vorfällen in der Bundeswehr. Vieles wird bagatellisiert. Leute, die sich in internen Gruppen als Hitler-Verehrer oder Flüchtlingshetzer outen, müssen häufig weiterhin nur mit disziplinarischen Konsequenzen rechnen und werden nur in Einzelfällen aus dem Dienst entfernt. Oftmals dürfen sie ihre Waffen weiter tragen.
Wer trägt die politische Verantwortung?
Frau von der Leyen hat in ihrem früheren Amt als Bundesfamilienministerin viel Kompetenz im Umgang mit dem Thema Rechtsextremismus. Sie weiß, wie man dagegen vorgehen kann. Ich erwarte, dass sich auch die Bundeswehr über gezielte Erlasse hinaus mit dem Problem auseinandersetzt. Es muss bessere Angebote zur Prävention geben, intern muss härter durchgegriffen werden. Ich fände gut, wenn die Verteidigungsministerin das Thema jetzt im Unterschied zu ihren ganzen Vorgängern wirklich entschieden angeht.
Timo Reinfrank (44) ist Geschäftsführer der Amadeu-Antonio-Stiftung. Das Interview führte Matthias Meisner.