«Sachsensumpf»-Prozess: Hauptangeklagte schildert Werdegang

Erstveröffentlicht: 
08.05.2017

Der Prozess um die «Sachsensumpf»-Affäre könnte Rechtsgeschichte schreiben. Denn noch nie stand ein Geheimdienstler vor Gericht, weil mit seiner Zuarbeit für Staatsanwälte Unschuldige verfolgt wurden.

 

Dresden (dpa/sn) - Die Angeklagte im «Sachsensumpf»-Prozess hatte für die umstrittene Dokumentensammlung nach eigenen Angaben strikte Vorgaben ihres Vorgesetzten. Der damalige Vize-Chef des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) habe verfügt, dass beim Komplex «Abseits III» zu möglichen Verstrickungen hoher Justizmitarbeiter in Netzwerke der Organisierten Kriminalität (OK) zunächst nur ein Sachverhalt mit Informationen einer Quelle an den Generalstaatsanwalt gehen sollte, sagte H. am Montag vor dem Landgericht Dresden. Sie habe darauf gedrungen, dass zumindest noch zwei weitere Hinweisgeber in dem sogenannten Behördenzeugnis auftauchten.

 

Der «Sachsensumpf» sorgte 2007 für Schlagzeilen. Im Fall von «Abseits III» sollten Leipziger Juristen Kontakte zur Organisierten Kriminalität gepflegt haben und in Straftaten wie sexueller Missbrauch von Kindern, Nötigung und Vorteilsnahme verwickelt gewesen sein. Aber auch zur italienischen Mafia, zur OK aus Osteuropa und zu Rockern hatte der Geheimdienst Informationen erhalten und gesammelt.

 

H. war damals beim Landesamt für Verfassungsschutz Leiterin des Referates «Organisierte Kriminalität». In dieser Eigenschaft hatte sie nach Auftauchen der Vorwürfe im Mai 2007 ein Behördenzeugnis für die Generalstaatsanwaltschaft Dresden erstellt. Das führte zu mehreren Ermittlungsverfahren, die allerdings keine Belege für Straftaten ergaben. Nun wird der 58 Jahre alten H. vorgeworfen, das Zeugnis nur auf Basis von Gerüchten und Vermutungen hauptsächlich nur einer Quelle formuliert zu haben.

 

H. ist deshalb wegen Verfolgung Unschuldiger angeklagt. Der Kriminalist Georg W. muss sich wegen Beihilfe verantworten. Er soll die Hauptquelle für die Anschuldigungen gewesen sein. Beiden wird zudem vorgeworfen, in einem Untersuchungsausschuss des Landtages falsche Angaben gemacht zu haben.

 

Die Verteidigung argumentiert, dass H. als Referatsleiterin beim LfV gar nicht Teil der Strafverfolgung gewesen sei und somit auch keine Unschuldigen verfolgt haben könne. Bislang sei in Deutschland noch niemand auf die Idee gekommen, einen Verfassungsschützer wegen Verfolgung Unschuldiger vor Gericht zu stellen, sagte der Verteidiger. Es sei Aufgabe eines Verfassungsschutzes, alle Informationen zu sammeln - auch solche aus Hinterzimmern. Die Übermittlung dieser Daten sei aber keine Strafverfolgung, wozu nur die Staatsanwaltschaft befugt sei. Diese hätte die Informationen prüfen müssen, bevor sie Ermittlungsverfahren einleitete.