Whatsapp: Justizminister Gemkow will mehr Überwachung möglich machen

Erstveröffentlicht: 
30.04.2017

Das Internet wird von vielen Menschen als rechtsfreier Raum angesehen, kritisiert Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (38, CDU). Die Hemmschwelle für Beleidigungen, Hass und Volksverhetzung seien „von der Couch aus deutlich geringer als im realen Leben“. Er verlangt ein deutlich härteres Vorgehen – insbesondere von der Bundesregierung.

 

Dresden. Das Internet wird von vielen Menschen als rechtsfreier Raum angesehen, kritisiert Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (38, CDU). Die Hemmschwelle für Beleidigungen, Hass und Volksverhetzung seien „von der Couch aus deutlich geringer als im realen Leben“. Allein die Anklagen wegen Volksverhetzung haben sich seit 2013 von 24 auf 97 im vergangenen Jahr vervierfacht. Die Zahl der Strafbefehle stieg im gleichen Zeitraum von 23 auf 147. Auch deshalb verlangt Gemkow ein deutlich härteres Vorgehen – insbesondere von der Bundesregierung.

 

LVZ: Herr Gemkow, mal ganz ehrlich: Kann die Justiz überhaupt mit dem digitalen Zeitalter Schritt halten?


Sebastian Gemkow: Technisch sicherlich, da lässt sich relativ rasch aufrüsten – allerdings muss sich rechtlich einiges ändern. Denn die Ermittler müssen in die Lage versetzt werden, die neuen Formen der Kommunikation zu durchdringen. Mit den herkömmlichen Befugnissen gibt es in dieser Beziehung erhebliche Probleme. Dabei geht es um Messengerdienste wie Whatsapp, Skype oder auch Spielkonsolen. All das sind Kommunikationswege, die immer stärker genutzt werden, und das natürlich auch von Kriminellen. Wegen verschiedener Verschlüsselungen fällt es den Ermittlern nicht leicht, die Inhalte herauszufiltern. Es gibt jedoch eine technische Möglichkeit, auch diese Kommunikation überwachen zu können: Die Quellen-TKÜ, bei der ein Programm auf das Gerät gespielt wird. Dadurch können Informationen vor der Verschlüsselung abgefangen werden. 

 

"Bislang herrscht eine Grauzone"


Das heißt, Sie fordern deutlich weitere Kompetenzen für die Ermittler?


Bislang herrscht eine Grauzone, die wir dringend beseitigen müssen. Es kann heute vorkommen, dass Gerichte solche Abfragen nicht zulassen. Deshalb brauchen wir in diesen Fällen, in denen der Staat in die Rechte des Einzelnen eingreift, eine eindeutige rechtliche Grundlage. Dafür müssen möglichst schnell verschiedene Bundesgesetze, unter anderem das Telekommunikationsgesetz und die Strafprozessordnung, angepasst werden. Wir brauchen endlich Rechtssicherheit.

 

Dienste und Plattformen wie Whats-App, Skype oder Facebook sind so neu nicht. Weshalb wird erst jetzt gehandelt?


Die Diskussion läuft ja schon einige Jahre. Es muss immer zwischen der Freiheit des Internets und den Eingriffsbefugnissen des Staates abgewogen werden. Dabei stand bislang im Vordergrund, die neuen Freiheiten der Kommunikation nicht zu beschneiden. Es wird aber immer deutlicher, dass mit dieser neuen Freiheit nicht nur Chancen, sondern auch Risiken verbunden sind. Ein Risiko ist eben, dass Kriminelle in die Lage versetzt werden, ihre Straftaten im Dunklen zu organisieren. Die Ermittler wissen das seit Langem und sind darauf eingestellt – sie haben aber nicht die rechtlichen Befugnisse, um die Protokolle und die Kommunikation verfolgen zu können. 

 

Gemkow verlangt härteres Vorgehen vom Bund


Braucht es auch schärfere Gesetze, um gegen Hassbotschaften und Fake-News im Internet vorgehen zu können, so wie es der Bundesjustizminister angekündigt hat?


Der Teufel steckt – wie so oft – im Detail. Deshalb muss differenziert werden. Straftaten, etwa Volksverhetzung, können auch schon heute verfolgt werden. Dafür braucht es keine schärferen Gesetze. Sondern: Unternehmen wie Facebook müssen gezwungen werden können, Botschaften, die eine Straftat darstellen, zu löschen. Nach einem Jahr der freiwilligen Selbstverpflichtung ist leider festzustellen: Die Lösch-Quote ist erschreckend niedrig. Aus diesem Grund muss nun gehandelt werden. Das Bundesamt für Justiz soll unter anderem Bußgelder verhängen können, wenn die Unternehmen nicht sicherstellen, dass die Einträge zeitnah gelöscht werden können.

 

Angenommen, Facebook zahlt in Zukunft das Bußgeld – der Hass-Kommentar oder die Beleidigung sind damit nicht aus der Welt.


Genau, die aktuellen Planungen des Bundesjustizministeriums sehen lediglich vor, dass die Unternehmen die Inhalte schneller beziehungsweise überhaupt prüfen müssen. Eine Löschung ist damit aber nicht zwingend verbunden. Die muss im Einzelfall gegebenenfalls noch nach den allgemeinen Gesetzen durchgesetzt werden. Außerdem müssen wir im Blick behalten, wer denn hier Facebook und Co. auf die Finger schauen soll. Das soll nämlich das Bundesamt für Justiz übernehmen – und dagegen erhebe ich Einspruch. Denn worum geht es in den Sozialen Medien nicht zuletzt? Um Meinungsbildung und Meinungsfreiheit.

 

Weshalb sträuben Sie sich derart gegen die Berliner Pläne?


Weil wir schon den Anschein von staatlicher Einflussnahme unbedingt vermeiden müssen. Auch nur mittelbare Eingriffe dürfen nicht von einer staatlichen oder dem Staat sehr nahestehenden Behörde erfolgen. Eine solche Kontrollinstanz braucht größtmögliche Unabhängigkeit, wie sie zum Beispiel die Landesmedienanstalten garantieren. Deshalb halte ich die jetzt in Berlin angedachte Konstruktion mit dem Bundesamt für Justiz für zumindest bedenklich. 

 

Internet als rechtsfreier Raum


Das ändert aber nichts daran, dass gegen Hass-Kommentare härter vorgegangen werden soll.


Auf jeden Fall. Das Internet wird von vielen Menschen als rechtsfreier Raum angesehen. Die Hemmschwelle für Beleidigungen, Hass und Volksverhetzung ist von der Couch aus deutlich geringer als im realen Leben. Doch jeder muss wissen: Auch bei dieser bequemen Variante des Beleidigens geht es um Straftaten – und diese werden verfolgt. Der Rahmen des Anstands und des Legalen darf auch im Internet und in sozialen Netzwerken nicht überschritten werden. Deshalb muss viel genauer hingeschaut und viel schneller gehandelt werden als bisher. Es muss schließlich derselbe Mechanismus wie im normalen Leben gelten: Wenn eine Straftat vorliegt, muss diese geahndet werden. Aus diesem Grund müssen nicht nur die technischen und rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, sondern auch die personellen in Form von Internetstreifen.

 

Wie schwierig ist es, dass die Ermittler stets auf technisch neuestem Stand sind? Können sie den Tätern überhaupt voraus sein?


Die rein technische Seite ist nicht das große Problem. Das wird auch so bleiben, wenn die neuen Befugnisse für Messengerdienste kommen und falls deshalb technisch aufgerüstet werden muss. Vieles scheitert momentan an der fehlenden rechtlichen Grundlage und Klarheit. Wenn von Cyber-Crime die Rede ist, denken viele zuerst an die großen Verfahren, an Internetbetrug und so weiter. Mittlerweile nutzen aber auch die meisten kleineren Kriminellen das Internet zur Kommunikation, werden alle Kriminalitätsfelder durchdrungen. Bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden haben wir deswegen schon eine Zentralstelle Cybercrime – doch die sächsische Justiz muss auch in der Fläche deutlich besser ausgestattet werden, unter anderem mit IT-Forensikern.

 

Müsste der Staat nicht auch finanziell nachlegen, um die Besten zu bekommen – insbesondere vor dem Hintergrund der Konkurrenz aus der Wirtschaft?


Wir können immerhin mit einem öffentlichen Dienstverhältnis werben. Das sollte in der Gesamtbetrachtung nicht außen vor gelassen werden. Ich bin mir nicht sicher, ob es immer nur auf das monatliche Gehalt ankommt. Natürlich weiß ich aber auch, dass die Privatwirtschaft den Spezialisten finanziell mehr bieten kann als wir.

 

Interview: Andreas Debski