Die NS-verherrlichende „exklusive Ein Fähnlein-Erlebnisfahrt für Kameraden“
Für das Wochenende 21. bis 23. April 2017 planen Neonazis eine „historische Exkursion“ in die Eifel und ins Rheinland. Auf dem Programm stehen für den Nationalsozialismus und die völkische Bewegung bedeutende Orte. Im Hintergrund der Reise agiert das Zeitungsprojekt „Ein Fähnlein“, das versucht, eine Brücke zwischen den „alten Kämpfern“ des Nationalsozialismus und heutigen Neonazis zu bauen. Ein entsprechender Personenkreis darf erwartet werden.
Alexander Brekemann & Laura Kunzstein in LOTTA (18.04.2017)
Eingeladen zu der „exklusiven Ein Fähnlein-Erlebnisfahrt für Kameraden“ mit den Stationen „Ordensburg Vogelsang – Nibelungenhalle Königswinter – Arno Breker – Auf den Spuren Schlageters – Ausstellung 'Schaffendes Volk'“ hat der in Bremen lebende Henrik Ostendorf. Ostendorf ist schon seit den 1980er Jahren in der neonazistischen Szene aktiv, sei es im Umfeld der 1995 verbotenen „Freiheitlich Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP), der 1992 verbotenen „Nationalistischen Front (NF)“ oder später in der NPD. In den 2000er Jahren arbeitete er für die NPD und schrieb für deren Parteizeitung „Deutsche Stimme“ (DS). Schon in dieser Zeit ließ sich sein Interesse an den „Veteranen“ des Nationalsozialismus feststellen. 2006 berichtete er für die DS über ein Treffen zum Andenken an Soldaten der Waffen-SS auf dem Ulrichsberg in der Nähe von Klagenfurt in Österreich.
„Erhaltung von Tugend und Tradition“
2012 erschien die erste Ausgabe des Magazins „Ein Fähnlein“, das von Ostendorf herausgegeben wurde. Im Untertitel wird das Anliegen der Zeitschrift benannt: „Zur Erhaltung von Tugend und Tradition“. Welche „Tugend und Tradition“ gemeint ist, wird beim Durchblättern schnell klar. In einem in „Ein Fähnlein“ publizierten Gedicht wurde beispielsweise unter Verwendung des verbotenen Wahlspruchs der SS – „Meine Ehre heißt Treue“ – das mörderische Agieren der Nazis legitimiert: „Was wäre denn heute, wenn sie nicht gewesen? Die Antwort kann nur sagen, der selbst dabei gewesen. Es wäre gekommen, wie es keiner gewollt, die Masse aus dem Osten hätte Europa überrollt. Darum gaben sie alles und ganz ohne Reue, sie kannten nur eins: ‚Meine Ehre heißt Treue'.“ In dem vierfarbigen Magazin finden sich vor allem Berichte von „Veteranentreffen“, Erlebnisberichte aus dem 2. Weltkrieg – selbstverständlich nur von Truppenteilen, die auf Seiten der Deutschen kämpften –, aber auch Berichte von Aktionen, die an die Tradition von Wehrmacht und Waffen-SS anknüpfen.
Wie zum Beispiel über den „Ausbruchsmarsch“ 2012 in Budapest, der „im Gedenken an die Einheiten von Heer und Waffen-SS der Verteidigung von Budapest 1945“ stattfand. Die NS-verherrlichenden Gedenkveranstaltungen anlässlich der Jahrestage des gescheiterten Ausbruchsversuches aus der von der Roten Armee eingekesselten Stadt vom 11. Februar 1945 werden in Budapest unter anderem vom in Deutschland verbotenen „Blood & Honour“-Netzwerk organisiert. Derartige Berichte in „Ein Fähnlein“ sind Programm. Zum Erscheinen der ersten Ausgabe hieß es, man werde „nicht nur über die Vergangenheit, sondern auch über unsere Gegenwart berichten“. Man wolle „nicht zum reinen Konsumieren, sondern zum Mitmachen einladen. Es gibt viel zu tun, packen wir’s an! Wir sind nicht nur Schreibtischtäter, sondern lassen den Worten auch Taten folgen.“
Verbindungen nach NRW
Der Kreis um „Ein Fähnlein“ hat beste Verbindungen nach NRW, das zeigen schon die Werbeanzeigen von „Balmung Ausrüstungen“, dem Versand von Ralph Tegethoff. In seinem in Bad Honnef-Ägidienberg (Rhein-Sieg-Kreis) ansässigen Versand bietet der seit den 1980er Jahren in der neonazistischen Szene aktive Neonazikader und „Kameradschaftsführer“ der „Kameradschaft Rhein-Sieg“ (auch mit Bezug auf die SA als „Sturm 8/12“ auftretend) unter anderem Nachbildungen von Wehrmachtsbekleidung und -ausrüstungen an.
Wer die Website von „Ein Fähnlein“ aufruft, wird weitergeleitet auf „soldatenbiographien.de“. Verantwortlich zeichnet hier Ostendorf, angemeldet ist die Website aber auf Dennis Krüger aus Bottrop. Auch Krüger ist seit vielen Jahren in der Neonazi-Szene aktiv, er agiert aber seit Jahren weniger auf der Straße, sondern eher „kulturell“ im Hintergrund. Er gehörte einst dem Herausgeberkreis der neonazistischen Zeitschrift „Der Förderturm“ an, war federführend an der Postille „Trojaburg“ beteiligt, betreibt den „Forsite-Verlag“ und „Parzival-Versand“ und wirkt am Zeitschriftenprojekt „Reconquista“ mit. Er bietet esoterische, okkulte und germanophile Schriften an, die teilweise aus dem Nationalsozialismus stammen oder diesen verherrlichen.
Die Fahrt – Freitag und Samstag
„Diese Information ist NICHT für das Internet/facebook und die Öffentlichkeit bestimmt!“, heißt es in der internen Einladung zu der „Erlebnisfahrt“. Zu offensichtlich ist der NS-verherrlichende Charakter der Fahrt und das politische Milieu, aus dem heraus sie organisiert wurde, als dass Interesse an einer öffentlichen „Würdigung“ bestünde. Man möchte unter sich bleiben und sich in diejenigen Zeiten zurück katapultieren, die man glaubt verpasst zu haben. Das Programm führt die Teilnehmer_innen zu entsprechenden Orten. Am Freitagmittag steht ab 13 Uhr eine Besichtigung der ehemaligen NS-Ordensburg Vogelsang in der Eifel auf dem Programm, nicht nur „eines der größten Bauwerke des Nationalsozialismus, sondern auch Ausdruck seiner Überheblichkeit und Menschenverachtung“, wie die Homepage „vogelsang-ip.de“ aufklärt (siehe auch Günter Born: In Stein gehauene Ideologie, in: LOTTA #24, Herbst 2006, S. 4-6). Es bestünde – so Ostendorf – auf dem Vogelsang-Gelände ab 12 Uhr „die Möglichkeit einer kurzen Erfrischung [...] im alten Schwimmbad“, in dem bis heute unter anderem ein großes Wandmosaik aus der NS-Zeit zu sehen ist. Das Bad ist öffentlich zugänglich und wird unter anderem auch von Geflüchteten genutzt, die in einer Unterkunft des Landes NRW auf dem Gelände untergebracht sind.
Kaum zu vermuten ist, dass die neonazistische Reisegruppe anschließend an einer Führung durch die sehenswerte, 2016 eröffnete Dauerausstellung „Bestimmung: Herrenmensch. NS-Ordensburgen zwischen Faszination und Verbrechen“ interessiert ist. Stattdessen dürfte man eher das „Herrenmenschen“-Ambiente atmen wollen, die Welt – oder zumindest den Nationalpark Eifel – zu Füßen herunter ins Tal blicken und über das Gelände wandeln, begleitet von Kurzreferaten ihres „Reise-Führers“.
Apropos „Führer“: Abends soll es dann, so verrät das Programm, zur Übernachtung in eines „der absoluten Lieblingshotels Adolf Hitlers“ gehen: „Spitzenlage direkt am Rheinufer, meist mit herrlichem Blick auf den Fluß und das Siebengebirge“. In dem „außergewöhnlichen Hotel der Spitzenklasse“ soll nicht nur geschlafen werden, sondern es sind noch ein „kameradschaftliches Beisammensein & Einsatzbesprechung des nä. Tages“ vorgesehen.
Am Samstagvormittag soll dann die Nibelungenhalle in Königswinter (Rhein-Sieg-Kreis) besucht werden, um anschließend in den „Großraum Düsseldorf“ weiterzufahren. Dort steht am Nachmittag eine „militärhistorische Überraschung“ auf dem Programm, anschließend ist eine „geführte Besichtigung durch das Arno-Breker-Atelier“ in Düsseldorf-Lohhausen geplant („alternativ: Breker-Museum, Nörvenich“ im Kreis Düren). Arno Breker war einer der bedeutendsten Bildhauer des Nationalsozialismus. Der anschließende „Besuch“ des im Programm zum „Blitzschleuderer“ degradierten „Blitzeschleuderers“, einer im Kreisverkehr vor der Düsseldorfer „Esprit-Arena“ stehenden, fünf Meter hohen Bronzeskulptur des Breker-Lehrers Hubert Netzer, die den „germanischen Donnergott Donar“ abbilden soll, passt zur Breker-Verehrung der NS-Reisegruppe.
Weitergehen soll es danach im nördlichen Düsseldorfer Stadtteil Kaiserswerth, der idyllisch am Rhein gelegenen und 1929 eingemeindeten ehemaligen „Reichsstadt“. Ziel ist hier die direkt am Rhein gelegene „Barbarossa-Kaiserpfalz, der späteren Schlageter-Gedenkstätte der HJ“, wie es im Programm heißt. Das Gelände und die Ruinen der Kaiserpfalz waren von der „Hitlerjugend“ als Treffpunkt und Gedenkort sowie für Selbstinszenierungen genutzt worden.
Den Samstag ausklingen lassen möchte man mit einem „gemeinsamen Abendessen (auf eigene Kosten) mit Vortrag über Albert Leo Schlageter“, dem „Bezug des Quartiers“ und dem bereits bekannten Programmpunkt „Kameradschaftliches Beisammensein & Einsatzbesprechung des nä. Tages“. Wer den Vortrag halten soll, wird nicht verraten. Daran interessiert sein könnte der Düsseldorfer Neonazikader und Schlageter-Verehrer Sven Skoda, der seine Verlautbarungen gerne mal mit „Sven Skoda, Schlageterstadt“ unterzeichnet und schon in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre Artikel über sein Vorbild in neonazistischen Periodika veröffentlichte.
Neonazistische Spurensuche am Sonntag
Auch am Sonntag, 23. April 2017, soll bis 14 Uhr der in der extremen Rechten allseits verehrte Freikorps-„Held“ Albert Leo Schlageter im Vordergrund stehen. Wegen durchgeführter Sabotageaktionen gegen die französische Besetzung des Ruhrgebiets in Folge nicht geleisteter Reparationsleistungen wurde Schlageter nach einem nicht sonderlich geglückten Sprengstoffanschlag auf eine Eisenbahnbrücke zwischen Duisburg und Düsseldorf am 7. April 1923 in betrunkenem Zustand von der französischen Polizei in Essen festgenommen. Er hatte dort trotz mitgeführter gefälschter Papiere mit seinem richtigen Namen in einem Hotel eingecheckt – mit einem Koffer voller Sprengkörper im Gepäck. Er wurde in Düsseldorf inhaftiert, zum Tode verurteilt und am 26. Mai 1923 in der Golzheimer Heide hingerichtet. Vielen galt er schon vor der Machtübertragung an die NSDAP als „Volksheld“ und „Freiheitskämpfer“, es entstand ein regelrechter Kult um den „letzten Soldaten des Weltkriegs und ersten Soldaten des Dritten Reichs“. Die Nationalsozialisten bauten diesen Mythos aus und nutzten ihn (vgl. hierzu LOTTA #18, S. 50-53). Das „Wirken und Sterben von Albert Leo Schlageter“ sollen – so verrät das „Ein Fähnlein“-Programm – am 23. April 2017 „nacherlebt“ werden, ebenso, „wie sich der aktive Widerstand der Kameraden im Ruhrkampf gestaltete“. Nach einer „Einführung in die Thematik“ an einer „geeigneten Stelle zur Unterbrechung der Eisenbahnverbindung, an der aber im Endeffekt doch kein Anschlag erfolgte“ sollen dann in kleineren Gruppen mehrere Punkte angefahren werden, die für das „Wirken und Sterben Schlageters“ stünden. Zum einen die Stelle in Düsseldorf-Kalkum, an der der „verhängnisvolle Anschlag im April 1923 von Schlageter und seinen Männern durchgeführt wurde“. Zum anderen „das Gefängnis, in dem Schlageter bis zu seiner Hinrichtung durch die Franzosen schmorte“ – die seit 2012 nicht mehr als JVA genutzte und derzeitig im Abriss befindliche „Ulmer Höhe“ in Düsseldorf-Derendorf – und abschließend die „Hinrichtungsstelle auf der Golzheimer Heide, die später zum Schlageter-Nationaldenkmal wurde“. Das Denkmal – 50 Meter von der Hinrichtungsstelle entfernt – war 1931 eingeweiht worden, 1946 wurde es gesprengt. 1958 wurde an dieser Stelle des Nordfriedhofs das städtische „Drei Nornen“-Mahnmal eingeweiht, das bis heute den „Opfern des Krieges und der Gefangenschaft“, „den Opfern in der Heimat, den Vermissten und Hinterbliebenen“ und „den Opfern des politischen Terrors“ gedenkt.
Um 14 Uhr am Sonntag ist dann das Hauptprogramm der Fahrt zu Ende, schließlich haben einige „Kameraden“ noch eine weite Heimreise vor sich. Für die ganz Harten aber gibt es noch ein „Bonusprogramm nach dem offiziellen Abschluss auf der Golzheimer Heide“: „der Besuch der NS-Mustersiedlung und Ausstellung 'Schaffendes Volk'“. Hierzu zählt ein „geführter Rundgang über das Gelände der ehemal. Ausstellung 'Schaffendes Volk' und zweier NS-Mustersiedlungen (ca. 2 ½ Stunden zu Fuß)“. Die „Reichsausstellung Schaffendes Volk“, die von über sechs Millionen Menschen aus dem In- und Ausland besucht wurde, präsentierte 1937 propagandistisch das „neue deutsche Wohnen“, das „neue deutsche Arbeiten“ und die „neue deutsche Kunst“. Auf dem in Fußnähe des Nordfriedhofs gelegenen Gelände befinden sich heute der Düsseldorfer „Aquazoo“, der „Japanische Garten“ und der auch damals schon existierende Nordpark. Am Rand des damaligen Ausstellungsgeländes gelegen waren die beiden „NS-Mustersiedlungen“ – die „Wilhelm-Gustloff-Siedlung“ (heute „Nordparksiedlung“) für Arbeiter und die „Schlagetersiedlung“ (heute „Golzheimer Siedlung“) für Bessergestellte in der „Volksgemeinschaft“, zu denen auch der Düsseldorfer NSDAP-„Gauleiter“ Friedrich Karl Florian zählte.
„Volksgemeinschaft“ für Besserverdienende
Das „Komplettpaket Freitag bis Sonntag“ mit zwei Übernachtungen, Frühstück und Eintritten kostet im Doppelzimmer 220 Euro, im Einzelzimmer 270 Euro. Die weniger gut verdienenden in der „Volksgemeinschaft“ werden hier eher abwinken. Oder erst – wie angeboten – am 22. April in Königswinter hinzustoßen, also erst ab Samstag am Programm teilnehmen. Diejenigen aber, die es sich leisten können, werden am Tag nach dem 128. „Führergeburtstag“ in die Eifel reisen, sofern die Mindestteilnehmer_innenzahl der „Ein Fähnlein-Erlebnisfahrt“ – acht Personen – erreicht wird. Die maximale Teilnehmer_innenzahl beträgt 20 Personen.
Literaturtipps:
Martin Langebach, Michael Sturm (Hrsg.): Erinnerungsorte der extremen Rechten,
Springer Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden 2014
Klaus Ring, Stefan Wunsch, Vogelsang IP gGmbH (Hrsg.): Bestimmung: Herrenmensch: NS-Ordensburg zwischen Faszination und Verbrechen, Begleitband zur Ausstellung, Sandstein Verlag, Dresden 2016
Stefanie Schäfers: Vom Werkbund zum Vierjahresplan. Die Ausstellung „Schaffendes Volk“, Düsseldorf 1937, Band Droste Verlag, Düsseldorf 2001