Dresden. Dass beide in der Bundesversammlung am 12. Februar nicht nebeneinander saßen, lässt sich noch leicht erklären. Schließlich durften außer Stanislaw Tillich auch andere CDU-Ministerpräsidenten direkt hinter Kanzlerin Angela Merkel sitzen, während für Ex-Regierungschefs wie Kurt Biedenkopf nur fünf Reihen dahinter Platz war.
Schwerer fällt da schon die Erklärung der Sitzordnung beim Treffen der sächsischen Unionsmänner am Rande der Berliner Bundesversammlung. Links von Tillich saß erst Amtsvorgänger Georg Milbradt, dann Landtagspräsident Matthias Rößler und erst danach Biedenkopf - durchaus symbolisch für die Distanz zwischen dem Regierungschef und ihm. Erst recht, wenn man darum weiß, wie wichtig dem jetzt 87-Jährigen immer Etikette waren.
Der Sicherheitsabstand dürfte mit einem immerhin 307.900 Euro teuren Gefallen zu tun haben. Den hat Tillichs Staatskanzlei Biedenkopf zwar gemacht, indem sie so viel Geld für das Aufbereiten und Erscheinen von Biedenkopfs Memoiren beisteuerte - und sich damit nach dem Bekanntwerden dieser Finanzspritze vor allem von der Opposition den Vorwurf der Kungelei und des Filzes unter Parteifreunden einhandelte. Ex-"König Kurt" aber sieht den Fall ganz anders - und warf "dem Ministerpräsidenten" schon im Vorjahr öffentlich vor, sich nicht mehr an eine angeblich viel weiter gehende Absprache zu halten.
Demnach sollen nicht nur seine drei bis zum Jahr 1994 reichenden und allesamt im Herbst 2015 erschienenen Tagebücher von einer "Vereinbarung" umfasst sein, sondern auch drei weitere Folgebände mit seinen Aufzeichnungen als Ministerpräsident bis 2002.
Tillichs Staatskanzlei aber will davon nichts wissen. Seit 2015 bestreitet sie, dass Biedenkopf noch mehr Bücherbeihilfe versprochen worden war. Nach ihrer Darstellung habe Biedenkopf 2013 Tillich über das Tagebuchprojekt informiert. Darüber, dass dies zur Feier von 25 Jahren Sachsen 2015 ein "historisch bedeutsames Leitprojekt sein könnte", habe es Einvernehmen gegeben. Darüber hinaus aber habe Tillich das Erscheinen "nicht durch konkrete Handlungen oder Maßnahmen befördert oder sonst beeinflusst".
Noch etwas deutlicher beantwortete Staatskanzleichef Fritz Jaeckel (CDU) die jüngste Anfrage des hartnäckigen Linke-Abgeordneten André Schollbach: Tillich habe im Tagebuchfall Biedenkopf "zu keinem Zeitpunkt, nirgendwo, unter keinen Umständen an niemand und auf keine Weise konkret Aufträge oder Weisungen ... erteilt".
Biedenkopf aber hatte nicht nur in seinem Vorwort zu Band 1 Tillich dafür gedankt, das Erscheinen der Tagebücher "zu seiner Sache" und damit erst möglich gemacht zu haben. Öffentlich erinnerte er sich auch an eine "Anfrage des Ministerpräsidenten" an ihn, "gerne die Verlegung der Bücher aus der sächsischen Zeit zu übernehmen". Nun legte Biedenkopf im MDR-Kulturmagazin "Artour" nach und beklagte, warum die Staatskanzlei sich "belästigt" zu fühlen scheine, statt das Projekt einfach als "großartig" anzupreisen.
Am Dienstag entscheidet das Verfassungsgericht, ob Jaeckel eine frühere Anfrage Schollbachs zu Tillichs Rolle ordnungsgemäß beantwortet hat. Ein Nachspiel ist garantiert.