Benjamin Heinsohn hat es in den vergangenen Wochen durch die Petition „Luan soll bleiben“ in die Schlagzeilen geschafft. Mit seinen Mitschülern protestiert er gegen die Abschiebung seines Klassenkameraden Luan Zejneli (18) in den Kosovo.
Leipzig. Benjamin Heinsohn ist 16 Jahre alt und besucht die 9. Klasse des Max-Klinger-Gymnasiums in Grünau. Der gebürtige Leipziger hat es in den vergangenen Wochen durch die Petition „Luan soll bleiben“ in die Schlagzeilen geschafft. Mit seinen Mitschülern protestiert er gegen die Abschiebung seines Klassenkameraden Luan Zejneli (18) in den Kosovo. Im Interview mit der LVZ berichtet er von seiner Freundschaft zu Luan und seinen Vorstellungen von einer gerechteren Asylpolitik.
Wie sieht Deine gemeinsame Geschichte mit Luan aus?
Vor zwei Jahren, nach den Sommerferien, saßen wir gemeinsam im Klassenraum. Plötzlich standen Luan und Sultan in der Tür und wurden uns als neue Mitschüler vorgestellt. Wir haben sie von Anfang an als normale Klassenkameraden gesehen, sie hatten keine Sonderstellung als Flüchtlinge oder so. Sultan, der aus Afghanistan kommt, ist inzwischen an einer anderen Schule. Aber Luan und ich sind schnell Freunde geworden. Er war anfangs sehr schüchtern, aber immer interessiert. Und er hat sehr schnell Deutsch gelernt. Wir haben erst versucht, Englisch mit ihm zu sprechen, er bestand jedoch auf Deutsch.
Wie hast Du vom Abschiebebescheid erfahren und wie war die Reaktion darauf?
Er hat das Schreiben am Donnerstag vor den Winterferien bekommen. Am nächsten Tag gab es Zeugnisse. Ich habe gesehen, wie einige Parallelklässler aufgeregt mit Luan vor dem Sekretariat diskutiert haben. Ich bin dann dazugestoßen. Wir waren natürlich schockiert und haben uns sofort zusammengesetzt, um die Petition zu starten und den Brief an die Ausländerbehörde zu schreiben.
Und die Lehrer?
Die äußern sich dazu nicht. Von ihnen gab es lediglich eine Einschätzung bezüglich Luans schulischer Leistungen.
Stand die Option, sich an die Härtefallkommission zu wenden, von Anfang an im Raum?
Nein, ich wusste anfangs gar nicht, dass es so etwas überhaupt gibt. Die Idee dazu und den Kontakt zum sächsischen Flüchtlingsrat habe ich von einen Freund bekommen. Der Flüchtlingsrat hat mir dann bei einem Treffen alles erklärt, jetzt arbeiten wir in der Sache zusammen.
Wie läuft der Antrag auf so eine Prüfung ab?
Das ist vergleichbar mit einem Bewerbungsschreiben: Lebenslauf, Empfehlungsschreiben, sonstige Aktivitäten, diverse Dokumente – das muss alles zusammengetragen werden und ist entsprechend aufwendig. Dass Luan nun einen weiteren Monat geduldet wird, verschafft uns die nötige Zeit, den Antrag in Ruhe zu bearbeiten.
Zurzeit wird das Thema Abschiebungen heiß diskutiert. War Dir die Problematik schon vorher bewusst?
Natürlich habe ich das schon irgendwie mitbekommen. Aber ich hatte mich nie wirklich damit auseinandergesetzt, denn es hat mich bisher nie persönlich betroffen. Das hat sich jetzt geändert.
Wie stehst Du prinzipiell zu Abschiebungen?
Ich bin dagegen. Definitiv. Jeder hat eine Chance verdient. Wir machen es uns viel zu leicht. Jemand kommt hierher, hat oder macht Probleme und wir sagen einfach „Weg mit ihm“. Das kann nur der letzte Ausweg sein.
Auch bei straffälligen oder integrationsunwilligen Zuzüglern?
Auch bei denen. Die Leute werden ja nicht aus Lust und Laune straffällig, mit ihnen sollte man umso intensiver arbeiten, um ihnen zu helfen. Genau wie bei denen, die sich nicht integrieren wollen oder können. Sich hierzulande zu integrieren, ist extrem schwierig. Ich würde mir wünschen, dass zu diesem Zweck eine spezielle pädagogische Ausbildung eingeführt wird.
Einige empfinden es als ungerechnet, dass Luans Fall jetzt so hochgekocht wird, während andere ebenfalls von Abschiebung bedroht sind und nicht diese Unterstützung bekommen.
Ich verstehe das und wenn ich könnte, würde ich jedem helfen. Das liegt aber nicht in meiner Kraft. Luan ist mein Freund – und deshalb helfe ich ihm. Letztlich ist das Ganze auch ein Zeichen an andere Betroffene, nicht die Hoffnung zu verlieren.
Dein Mitschüler Christoph Leonhardt (17) hat gefordert, dass der Beschluss akzeptiert werden müsse.
Es ist auch sein gutes Recht, diese Meinung zu äußern. Das will ich niemandem verbieten. Als er aber gemerkt hat, dass er zu viel Gegenwind bekommt, hat er seine Aussage relativiert. Wenn er schon so etwas sagt, dann sollte er auch dazu stehen. Davon abgesehen sind viele der Kommentare, die ihn treffen, auf gut Deutsch unter aller Sau. Es bringt mir und unserem Anliegen aber nichts, sich jetzt noch großartig damit auseinanderzusetzen. Das lenkt nur vom eigentlichen Problem ab.
Wie würde eine gerechtere Praxis im Umgang mit Asylbewerbern aussehen?
Erstens sollte man die bürokratischen Wege vereinfachen. Das Verfahren an sich muss leichter und unkomplizierter werden, es darf nicht an einem falsch ausgefüllten Formular scheitern. Zweitens sollte man die Leute nicht erst zwei Jahre warten lassen und ihnen dann sagen, sie müssten in zwei Wochen gehen. Luan hat gezeigt, was in zwei Jahren passieren kann: Er hat viele Freunde, spricht sehr gut Deutsch und ist in einigen Fächern schon besser als ich. Und drittens sollten – wie gesagt – Pädagogen mit den Leuten arbeiten.
Was kann der Fall Luan vielleicht für andere, aktuelle oder zukünftige Fälle bewirken?
Er kann – so wie bei mir – einfach für das Thema sensibilisieren. Und er kann anderen Mut machen und sie motivieren, etwas zu unternehmen, Asylbewerbern zu helfen. Wir sollten nicht stillschweigend zusehen, wenn so etwas passiert.
Unabhängig davon, wie der Fall Luan ausgeht: Wirst Du am Thema Abschiebung dranbleiben? Du engagierst Dich ja bereits im Schülerstadtrat.
Auf jeden Fall. Ob ich aber politisch weitermache, muss sich noch zeigen. Ich bin sehr an den Themen Bildung und Kultur interessiert und überlege, mich in der nächsten Wahlperiode im Jugendparlament aufzustellen. Aber ich habe ja noch ein paar Jahre Zeit, vielleicht ändert sich das alles noch.
Von Christian Neffe