Alte Handelsbörse - Die AfD lädt zur Diskussion: Extrem am Thema vorbei

Erstveröffentlicht: 
21.02.2017

Angekündigt war an diesem 20. Februar 2017 eine Diskussion zum „Extremismus in Sachsen“. Herausgekommen ist eine Werbeveranstaltung für die Arbeit der AfD im sächsischen Landtag. Etwa 150 Menschen verfolgten die Darbietung in der Alten Handelsbörse, in deren Mittelpunkt die AfD-Leib- und Magenthemen Asyl, Islam, Migration und Sicherheit standen. Außerhalb des Gebäudes protestierten mehrere dutzend Menschen gegen die Veranstaltung. Einige AfD-Gegner hatten sich zu Beginn unter die Teilnehmenden gemischt und wurden nach wenigen Minuten des Saales verwiesen.

 

Nach etwa einer Stunde platzte einem Zuhörer – offensichtlich kein Sympathisant der AfD – der Kragen. Er stand auf und fragte lautstark: „Was hat denn das mit Extremismus zu tun?“. Anlass für seine Empörung war der Verlauf der Diskussion in der Alten Handelsbörse.

 

Thema sollte eigentlich der „Extremismus in Sachsen“ sein. Zumindest im Einführungsreferat des ehemaligen Sat1- und N24-Nachrichtenmoderators Hans-Hermann Gockel spielte das eine Rolle: Die Antifa als „SA 2.0“, das Conne Island und „Linksextreme“, die selbst Feuerwehrleute schwer verletzen würden, kamen dabei zur Sprache. Dass erst vor wenigen Tagen klar wurde, dass das „Conne Island“ nicht der Hort des extremen Bösen ist, hatte der Kollege noch nicht „recherchiert“.

 

Zudem würden mehr als 500.000 islamistische Gefährder in Deutschland leben. Jeder „Märchenerzähler aus dem Morgenland“, der im Asylantrag nicht seine wahre Identität angeben würde, sei eine „Gefahr für unsere Freunde und Familien“, so Gockel.

 

Obwohl die Repräsentanten der AfD – Parteichefin Frauke Petry und Sachsens Generalsekretär Uwe Wurlitzer saßen auf dem Podium – zu Beginn angekündigt hatten, über alle Formen des „Extremismus“ sprechen zu wollen, blieb dabei eine davon auf der Strecke. Was auch dem aufgesprungenen Zuhörer nicht entgangen war: „Ich hatte erwartet, dass Sie auch über Rechtsextremismus reden.“ Weil sich der in seinen Erwartungen Enttäuschte weiter lautstark beschwerte, wurde er von der Security aus dem Saal geführt. Damit war er in guter Gesellschaft.

 

Bereits zehn Minuten nach Beginn der Veranstaltung hatten die Sicherheitsleute etwa 20 Personen rausgeworfen. Ihr Vergehen: ironischer Beifall und andauerndes Husten. Die AfD-Gegner mussten sich daraufhin neben die Handelsbörse begeben, wo sie von einigen dutzend Protestierenden empfangen wurden. Deren Trillerpfeifen und Sprechchöre waren bis in den Veranstaltungssaal hinein zu hören.

 

Als später ein weiterer Zuhörer danach fragte, wie die AfD mit den NSU-Morden, den Reichsbürgern und den Asylunterkunft-Brandstiftern umgehen wolle, verwies Petry lapidar auf „Programme gegen Extremismus“. In erster Linie sollen diese jedoch Linken und Muslimen gewidmet sein, zumindest wenn es nach der Prioritätensetzung an diesem Abend ginge.

 

Mancher Redebeitrag erweckte zudem den Anschein, als würden zwischen Islam und islamistischem Terrorismus keine Unterschiede bestehen, eine Vermischung, die längst zum Alltagsrepertoire in AfD-Kreisen gehört.

 

Im überwiegenden Teil der Veranstaltung ging es jedoch noch nicht einmal darum. Stattdessen sprachen Petry und Wurlitzer über die Arbeit der AfD-Fraktion im sächsischen Landtag: Was kann die Partei in der Opposition bewirken? Wie nutzt sie ihre parlamentarischen Rechte? Welche Themen sind ihr wichtig? An einem Abend, der eigentlich vom „Extremismus in Sachsen“ handeln sollte, ging es deshalb auch um Russland-Sanktionen und Rundfunkbeitrag. Den Zuhörern war das egal – sie spendeten der Mogelpackung viel Applaus.

 

Moderator der Veranstaltung war Andreas Lombard, der früher als freier Journalist für die Berliner Zeitung und das Deutschlandradio Kultur arbeitete. Mittlerweile ist er unter anderem Autor der neurechten Monatszeitschrift „eigentümlich frei“. In seinen Texten warnt er, dass die Gleichstellung von Homosexuellen die Heterosexuellen diskriminieren würde, und bezeichnet Abtreibungen als neuen „Völkermord, der uns eines Tages vielleicht noch mehr auf die Füße fallen wird als der alte“.

 

Nimmt man seine Funktion an diesem Abend wörtlich, ist so etwas in der AfD offenbar keine extreme, sondern eine „moderate“ Position.