Seit November 2016 ist Michael Werl Fraktionsvorsitzender der AfD in Kassel. Mit ihm befindet sich nun ein Burschenschafter und Neonazi an der Spitze der Fraktion. Screenshots einer Facebook-Unterhaltung belegen seine Gesinnung. Mit diesem Text wollen wir öffentlich machen, um wen es sich bei Michael Werl wirklich handelt. Zudem weisen wir erneut auf die Beziehungen von AfD, Neonazis und Burschenschaften hin.
Michael Werl, politische Karriere bei der AfD
Michael Werl engagiert sich seit Mai 2015 in der Jungen Alternative Hochschulgruppe (JA HSG). Seit der Kommunalwahl im März 2016 sitzt er in der Stadtverordnetenversammlung (StaVo). Nachdem im November 2016 bekannt geworden ist, dass der damalige Fraktionsvorsitzende Dieter Gratzer versucht hatte, einige seiner Mieter*innen aus ihren Wohnungen zu ekeln, trat er von seinem Amt zurück. Dieses wurde daraufhin von Michael Werl besetzt. Doch Michael Werl ist nicht nur Fraktionsvorsitzender, er sitzt auch im Ausschuss für Kultur und für Recht, Sicherheit, Integration und Gleichstellung. Auch im Rahmen der Ausschüsse bemüht sich die AfD immer wieder darum, durch Anfragen linke und zivilgesellschaftliche Projekte zu sabotieren.
Werl hat in den vergangen Monaten mehr Funktionen für die AfD erfüllt. Doch der unscheinbar wirkende Werl ist Burschenschafter und bezeichnet sich selbst als Nationalsozialist. In der Öffentlichkeit stritt er seine Verbindungen zur Burschenschaft Germania Kassel zunächst ab. Später räumte er ein, entsprechende Kontakte gehabt zu haben, diese jedoch nicht weiter zu pflegen. Die Abwendung des Schadens, der durch eine Offenlegung seiner Gesinnung der AfD droht, wird zumindest einer der Gründe sein, warum Werl sich bisher vom burschenschaftlichen Lebensbund distanzierte. Aus historischen Gründen passt es außerdem ins Bild, dass sich FachistInnen irrwitziger Weise selbst als DemokratInnen und AntifaschistInnen bezeichnen, ihre wahre Gesinnung verleugnen. Nicht zuletzt äußert sich dieses Weltbild in dem unsinnigen Geschwafel der JA HSG gegen „Links- und Rechtsextremismus“. Werl war eine Zeit lang aktiv bei den Republikanern als Landesschriftführer. Auch bei der Germania fungierte er als Schriftwart.
Werls Gesinnung bezeugen die uns zugespielten Screenshots einer Facebook-Unterhaltung zwischen ihm und dem nicht weniger überzeugten Rechtsradikalen Lars Seyfarth. Dessen Facebook-Profilfoto zeigt den Schriftzug „Freiheit für Wolle“. Gemeint ist der als NSU-Unterstützer angeklagte NPD’ler Ralf Wohlleben. Seyfarth ist ein aktiver Neonazi aus Pforzheim, Werl stammt aus dem nahegelegenen Karlsruhe. Beide hören gerne einschlägige Rechtsrock-Bands. Über der Germania schreibt Werl „wir ham in der Burschenschaft einen guten zulauf … alle 88-Leute“ sowie „Meine Ehre heißt Treue ….. ich werde diese Verbindung niemals varraten“.
Werl ist jedoch nicht die einzige Person aus der JA HSG, die nachweislich Kontakt zu Neonazis hat. Ann-Kathrin Magnitz besuchte gemeinsam mit Torben Braga (Burschenschaft Germania Marburg, Assistent von Björn Höcke) die Neonazi Initiative Wir lieben Meinigen, im Auftrag der Thüringer AfD-Fraktion. Ziel war es, den Weg für gemeinsame Arbeit zu ebnen.
Mit dieser Veröffentlichung wollen wir die AfD als das entlarven, was sie ist: Eine zum Teil protofaschistische Partei, die massiv Strukturen für (nationalsozialistische) Burschenschafter und AnhängerInnen der Neuen Rechten stellt. Auch wenn es innerhalb der AfD weiterhin Streitigkeiten und Parteiflügel mit mehr Abgrenzungsbedürfnis nach rechtsaußen gibt.
Hintergrund - Die Burschenschaft Germania Kassel
Die Burschenschaft Germania Kassel ging am 4. Dezember 1985 aus der Vereinigung Alter Burschenschafter Kassel (VAB) hervor. Seit 1991 ist sie in der Deutschen Burschenschaft (DB) organisiert.
(Freie) Kameradschaften kamen und gingen in und um Kassel, die Germania besteht seit mehr als 30 Jahren und ist ein fester Bestandteil rechter Infrastruktur. Die Germania versteht sich als Männerbund auf Lebenszeit und ist pflichtschlagend. Sie ist ein widerlicher Zusammenschluss von elitären Studenten, der seine persönlichkeitsbildende Aufgabe darin sieht, die Mitglieder mittels Härte gegen sich selbst und andere zu unter anderem soldatischer Männlichkeit zu erziehen. Die Germania als Mitgliedsbund der DB versteht sich explizit als eine politische Studentenverbindung. In ihren Strukturen manifestiert sich ihr antifeministischer Charakter. Frauen werden aus dem politischen Leben ausgeschlossen, in dieser vermeintlich männlichen Domäne hätten sie schlicht nichts mitzubestimmen. In der Welt der Burschenschafter gelten sie lediglich als schmückendes Beiwerk. Die DB bekennt sich, so wie ihre Bünde, zu einem volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff. Im Jahr 2011 geriet die DB in den bürgerlichen Medien in die Kritik, als die Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn einen Antrag auf dem Burschentag in Eisenach stellte, in dem die Aufnahme von „Nicht-Biodeutschen“ in die Mitgliedsbünde der DB unterbunden werden sollte. In diesem hieß es unter anderem, dass „beispielsweise […] eine nichteuropäische Gesichts- und Körpermorphologie auf die Zugehörigkeit zu einer außereuropäischen populationsgenetischen Gruppierung und damit auf eine nicht deutsche Abstammung“ hinweise. Die unterzeichnenden Burschenschaften „bekennen sich zum deutschen Volk als Abstammungs- und Schicksalsgemeinschaft und fordern alle deutschen Burschenschafter auf, jeder weiteren Aushöhlung des Volkstums- und Vaterlandsbegriffes entschlossen entgegenzutreten“. Auch die Germania Kassel sprach sich für diesen so genannten „Ariernachweis“ aus. Man kann die Germania also getrost als letzte Nationalsozialistische Erziehungsanstalt in Kassel bezeichnen.
Die Germania hatte noch nie Berührungsängste zu faschistischen Parteien. Dafür gibt es eine Reihe an Belegen: Schon im November 1992 fiel sie durch eine Veranstaltung mit dem rechtsradikalen Liedermacher Frank Rennicke auf. Alle sechs Alben Rennickes, welche bis 1993 erschienen waren, wurden indiziert. Auf dem Konzert des Nazibarden im Germanenhaus war u.a. Björn Breitenfeld, seines Zeichen Funktionär der 1992 verbotenen Partei Nationalistische Front, im Braunhemd erschienen und applaudierte mit „Juda verrecke“. Ebenfalls anwesend waren die beiden Nazifunktionäre der seit 1995 verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) Dirk Winkel und Markus Eckel, die sich mit „deutschen Gruß“ bzw. „Sieg Heil“ ins Gästebuch eintrugen.
Am 19.11.2004 hatte der mittlerweile verstorbene NPD-Funktionär Jürgen Rieger, verurteilter Holocaustleugner, über das Thema „Germanischer Glaube in unserer Zeit“ referiert. In diesem Zusammenhang ermittelte auch die Kasseler Staatsanwaltschaft, da Rieger auf dem Vortrag im Germanenhaus den nationalsozialistischen Massenmord an Sinti und Roma geleugnet haben soll. Im weiteren Verlauf wurde dem Trägerverein der Germania durch das Finanzamt Kassel die Gemeinnützigkeit aberkannt.
Im Gegensatz zu anderen Burschenschaften kann die Germania nicht auf eine lange Historie zurückblicken, da Kassel erst seit 45 Jahren eine Universität hat. Auch gibt es keine weiteren Burschenschaften in Kassel und das übliche Verbindungswesen ist übersichtlich. Sie besitzen ein Verbindungshaus in Kassel-Wolfsanger in der Wolfsangerstraße 98 welches verglichen mit anderen herrschaftlichen Villen von Burschenschaften erbärmlich wirkt. Dem Tarnverein der Burschenschaft, Studentenwohnheime Kassel-Wolfsanger e.V. gehört direkt gegenüber ein Haus, in dem nicht nur Verbinder wohnen sondern auch normale Studis. Dort wohnte auch Michael Werl von mindestens 2013-2015.
Weitere Beweise für die Ausrichtung der Burschenschaft Germania liefern ihre Mitglieder selbst. Der Lehramtsstudierende, Waffennarr und Wehrmachtsverehrer Jörg Fritsche zeigte beispielsweise auf seinem Facebook-Profil das Tor des KZ Buchenwald. Den desolaten Zustand der Germania bezeugt die Tatsache, dass weder Fritsche noch der Chargierte Daniel Wohlgemuth auf dem offiziellen Burschenschaftshaus wohnen.
Seit Jahrzehnten werden die rechten Machenschaften der Kassler Germania von Journalist_innen und Antifagruppen ansTageslicht gezogen. Der Verfassungsschutz glänzt durch Nichtstun und unterstreicht damit seine eigene Überflüssigkeit. Interessant ist jedoch, dass die Seilschaften der Burschenschaften bis in den Verfassungsschutz hinein funktionieren. So ist der Sächsische VS-Präsident Gordian Meyer Plath alter Herr der Burschenschaft Marchia Bonn, deren Vaterlandsbegriff ähnlich ausgelegt wird wie in der Germania Kassel. So liegt es nahe, warum nur wenige Burschenschaften, trotz ihrer politischen Ausrichtung, vom Verfassungsschutz beobachtet werden.
Bereits in unserem ersten Text über die AfD im Jahr 2013 haben wir auf die antiemanzipatorische und rechtsoffene Ausrichtung der Partei hingewiesen. Am Beispiel von Michael Werl ist offensichtlich geworden, das rechtsradikale Ansichten mehrheitsfähig in der Kasseler AfD sind.