Rätsel um V-Mann bei Wehrhahn-Attentat

Erstveröffentlicht: 
12.02.2017
  • V-Mann hat für Hauptverdächtigen gearbeitet
  • Verfassungsschützer gibt ihm Alibi
  • Erst 12 Jahre später erfährt die Polizei davon

 

Nach WDR-Informationen hat der Verfassungsschutz NRW der Polizei Düsseldorf erst knapp zwölf Jahre nach dem Bombenanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn mitgeteilt, dass ihr V-Mann "Apollo" zum Tatzeitpunkt für den Hauptverdächtigen gearbeitet hat. 

 

Tatverdächtiger fast 17 Jahre später gefasst


Als am 27. Juli 2000 am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn eine Rohrbombe explodiert, werden zehn Menschen verletzt, einige von ihnen schwer; ein ungeborenes Baby stirbt im Bauch seiner Mutter. Die Opfer sind alle Schüler einer nahe gelegenen Sprachschule: sechs jüdische Aussiedler der ehemaligen Sowjetunion und vier Russlanddeutsche.

 

Offenbar werden die Schüler Opfer, weil ihre Sprachschule gegenüber dem Militaria-Laden des mutmaßlichen Bombers liegt - ein Treffpunkt der rechten Szene in Düsseldorf. Inhaber Ralf S. selbst ist bekennender Rechtsextremist, im Viertel als "Sheriff von Flingern" bekannt. 

 

"Gonzo" arbeitete offenbar für Ralf S.


Fast 17 Jahre nach dem Anschlag sind sich die Ermittler sicher: Ralf S. ist der Täter. Am 31. Januar 2017 nimmt ihn ein Spezialeinsatzkommando fest. Motiv soll unter anderem ein Vorfall aus dem Jahr 1999 sein, eine Auseinandersetzung mit mehreren ausländischen Sprachschülern. Daran sind zwei weitere Skinheads beteiligt.

 

Die Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Linke) vermutet, dass einer davon V-Mann des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes gewesen ist: Andre M., Spitzname "Gonzo". Wie Sicherheitskreise dem WDR bestätigten, soll er zum Tatzeitpunkt für Ralf S. gearbeitet haben, soll Streife gelaufen sein für seinen Sicherheitsdienst. Nebenbei berichtet er über die rechtsextreme Szene Düsseldorfs an den Landesverfassungsschutz NRW. 

 

Verfassungsschützer lassen Polizei im Dunkeln


Doch diese Information hält der Verfassungsschutz bis Februar 2012 zurück. Dabei wäre das eine wichtige Information für die Ermittler der Polizei gewesen. Ralf S. war schon im Jahr 2000 direkt nach dem Anschlag Hauptverdächtiger, wurde sogar für kurze Zeit festgenommen.

 

Für den Vorsitzenden des NSU-Untersuchungsausschuss im NRW-Landtag, Sven Wolf (SPD), ein befremdliches Vorgehen: "Es verärgert schon, dass erst 2012 die Informationen geflossen und ausgetauscht worden sind. Deshalb ist es gut, dass 2012 der ganze Fall Wehrhahn noch einmal auf links gedreht worden ist. Das hat auch dazu geführt, dass tatsächlich jetzt ein Verdächtiger überführt und verhaftet werden konnte." 

 

Zweifel an der Version des Verfassungsschutzes

 

Was wussten die Verfassungsschützer wann über den Anschlag? Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet, dass Andre M. bis Mai 2000 gespitzelt habe. Doch an dieser Version gibt es Zweifel: Als die Polizei Düsseldorf im Februar 2012 über den V-Mann in Kenntnis gesetzt wurde, erklärte der Verfassungsschutz nach WDR-Informationen, dass ihre Quelle nichts mit dem Anschlag zu tun habe. Er habe am Tattag Flugblätter verteilt.

 

Wie kann der Verfassungsschutz das aber wissen, wenn der V-Mann schon im Mai 2000, also zwei Monate vor dem Anschlag, abgeschaltet wurde? 

 

Neue Erkenntnisse Thema im Innenausschuss


Sicherheitskreise erklären auf WDR-Anfrage, dass es am Tattag selbst einen direkten Kontakt zwischen dem bereits abgeschalteten V-Mann und seinem V-Mann-Führer gab und bezeichnen das als einen höchst merkwürdigen Vorgang. Dass man die Polizei zwölf Jahre nicht über den V-Mann mit Kontakt zum Hauptverdächtigen informiert habe, sei aus heutiger Sicht ein Fehler gewesen. Damals sei es die übliche Arbeitsweise gewesen, so Sicherheitskreise.

Die Nähe des Verfassungsschutzes wirft viele Fragen auf. Am Mittwoch (15.02.2017) wird sich der Innenausschuss des Bundestages mit den neuen Erkenntnissen beschäftigen, wie die Linken-Abgeordnete Martina Renner via Twitter mitteilt.

 

Auf Antrag @Linksfraktion wird sich Innenausschuss des Bundestages am Mittwoch mit den neuen Erkenntnissen zum #Wehrhahn-Anschlag befassen. https://t.co/K51wii4muA

— Martina Renner (@MartinaRenner) February 11, 2017

 

Auch der NSU-Untersuchungsausschuss NRW will versuchen den Sachverhalt aufzuklären und wird am Freitag (17.02.2017) den damaligen Ermittlungsleiter Dietmar Wixfort erneut befragen. Weil es dann um den V-Mann "Apollo" gehen wird, ist die Öffentlichkeit ausgeschlossen.