Flüchtlinge misshandelt? Wachleute vor Gericht

Erstveröffentlicht: 
01.02.2017

Eigentlich hätten sie für die Sicherheit der Menschen sorgen müssen. Doch was sich im Dezember 2015 in der Flüchtlingsunterkunft in Lingen offenbar zugetragen hat, ist das Gegenteil davon: Wie erst jetzt bekannt wurde, sollen zwei Mitarbeiter eines Wachdienstes drei pakistanische Flüchtlinge eingesperrt und schwer misshandelt haben. Das wirft die Lingener Staatsanwaltschaft den 36 und 28 Jahre alten Männern vor - und bringt den Fall damit erstmals ans Licht der Öffentlichkeit. Am kommenden Dienstag beginnt der Prozess gegen sie vor dem Amtsgericht. Die Anklage: gemeinschaftliche Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Doch warum wurde der Fall erst jetzt, gut ein Jahr später, publik?

 

Die Polizei begründet das mit der teils chaotischen Situation in den Erstaufnahmeeinrichtungen Ende 2015. Verständigungsprobleme und die Suche nach den Zeugen, die sich zwar schnell gemeldet hatten, aber dann verlegt wurden, hätten zu Verzögerungen in den Ermittlungen geführt, heißt es auf Nachfrage des NDR. 

 

Konfuse Angaben und Verständigungsprobleme?


Wie ein Sprecher der Polizeiinspektion Emsland/Grafschaft Bentheim dem NDR mitteilte, hatten Zeugen unter den Flüchtlingen sich bereits zwei Tage nach dem Vorfall an die Polizei gewandt. Dabei seien die Angaben aber sehr konfus und von starken Verständigungsschwierigkeiten geprägt gewesen. Außerdem seien die Flüchtlinge zu der Zeit gerade verlegt worden, so der Sprecher. Erst Wochen später habe der Sachverhalt geklärt werden können; der Abschlussbericht sei am 12. März 2016 erstellt worden. Durch diese zeitliche Verzögerung hätten die Ermittler vor Ort den Fall nicht an die Pressestelle weitergegeben - und die Polizeiinspektion selbst erst mit der Prozessankündigung des Amtsgerichts davon Kenntnis erlangt. Dem Innenministerium in Hannover blieb der Fall bisher verborgen. Man habe dazu keine Erkenntnisse, weil die Unterkunft nicht vom Land Niedersachsen betrieben wird, sondern vom Landkreis Emsland, sagte der Sprecher des Ministeriums, Matthias Eichler, NDR.de. 

 

Faustschläge gegen Kopf und Körper


Laut Staatsanwaltschaft passierte der Übergriff am Abend des 20. Dezember 2015 in der damals als Flüchtlingsunterkunft genutzten Sporthalle des Gymnasiums Georgianum. Die beiden Angeklagten sollen ihre drei Opfer zunächst in einen Toilettenraum eingeschlossen und anschließend eines nach dem anderen herausgeholt und ihre Köpfe und Körper mit Faustschlägen malträtiert haben. Einer der Männer soll von den Sicherheitsleuten auch mit dem Kopf gegen eine Wand geschlagen worden sein. Die Pakistaner erlitten der Anklage zufolge unter anderem Prellungen und einen Nasenbeinbruch. Eines der Opfer soll durch Schläge gegen den Kehlkopf beinahe das Bewusstsein verloren haben. Daraufhin riefen die Angeklagten Sanitäter hinzu, die dem Opfer Sauerstoff verabreichten, so die Staatsanwaltschaft.

 

Angeklagte bestreiten Vorwürfe


Beendet war das Martyrium der Männer damit aber noch nicht: Sie wurden erneut in die Toiletten gesperrt und erst am nächsten Morgen befreit. Die Angeklagten bestreiten die Tat. Weitere Verhandlungstermine am Lingener Amtsgericht sind für den 14. und 17. Februar angesetzt.