Prozess nach Brandanschlag - Erschreckende Einblicke in das Nazi-Milieu

Erstveröffentlicht: 
09.12.2016

Rassistische Musik, Alkohol, Drogen und diebische Freude über einen Brandanschlag: Der dritte Prozesstag gegen die Nauener Neonazi-Gruppe um Maik Schneider brachte erschreckende Einblicke in das Millieu der Angeklagten. Außerdem wurde deutlich, wie die Angeklagten versuchen, die ihnen zu Last gelegten Taten zu verharmlosen.

 

Potsdam. „Ich würde ihn nicht als den Oberneonazi bezeichnen“, sagt die Zeugin, um wenig später das Lieblingslied ihres Ex-Freundes und Angeklagten zu nennen. „Arisches Kind“ von Landser. Das habe er schön gefunden, weil man auch ein blondes Kind habe. Dass der Angeklagte ausgerechnet auf Landser steht, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn die Mitglieder der Neonazi-Band wurden als „kriminelle Vereinigung“ verurteilt. Und genau das wird dem Angeklagten im aktuellen Prozess auch vorgeworfen: „Mitglied einer kriminellen Vereinigung“ zu sein.

 

Im Gegensatz zum Hauptangeklagten Maik Schneider spielte der Angeklagte mit der Landser-Vorliebe zwar nur eine kleine Rolle in der Gruppe. Aber die Aussage seiner Ex-Freundin lässt durchblicken, wie tief das rechtsextreme Gedankengut bei ihm verankert war. Er hörte regelmäßig Rechtsrock, war bei NPD-Aufmärschen dabei und reiste sogar nach Ungarn, um dort an einem Gedenkmarsch für gefallene deutsche Soldaten teilzunehmen. Noch am ersten Prozesstag hatte sich eben jener Angeklagter als eher unpolitischen Menschen bezeichnet, der erst nach mehreren Anwerbeversuchen nachgab und mit NPD-Mann Schneider Flyer verteilte. 

 

Zeuge bezeichnet Schneider als „Stammtischführer“


Dass Schneider in Nauen eine Führungsfigur der rechten Szene war, zeigten am Donnerstag gleich mehrere Zeugenaussagen. Sie beschrieben, wie Schneider Aufmärsche organisierte, dort Reden hielt und bei Treffen meist das Wort führte. Er sei ein „Stammtischführer“, sagte ein Zeuge.

 

Eine Zeugin belastete Schneider schwer. Sie sagte, dass er bereits einige Zeit vor dem Brand der Nauener Turnhalle sagte, dass diese brennen muss. Sie habe das zunächst für einen üblen Scherz gehalten. Aber je häufiger darüber gesprochen wurde, desto eher hielt sie es für wahrscheinlich, dass so etwas tatsächlich passieren könne. „Man kennt seine Schweine im Stall“, sagte sie.

 

Die 22-Jährige arbeitete als Bedienung in der Kneipe, in der Schneider und die Angeklagten regelmäßig verkehrten. Einer der Angeklagten sei eigentlich regelmäßig besoffen gewesen, ein anderer hingegen war „immer drauf“. Nur Schneider blieb immer nüchtern. Er habe lieber Milch getrunken. 

 

Brand als Unfall verharmlost


Auch Mitglieder der rechten Szene aus Nauen sagten aus, dass sie kurz nach dem Brand sofort Schneider und den Mitangeklagten Dennis W. im Verdacht hatten.

 

Schneider bestreitet die Rädelsführerschaft in der kriminellen Vereinigung. Die habe es nicht gegeben. Von einer gezielten Planung krimineller Aktionen könne keine Rede sein. Und der Brand sei ein Unfall gewesen.

 

Diese Form von Verharmlosung zeigt sich immer wieder in den Aussagen der Angeklagten und Zeugen. Darauf angesprochen, ob es nach dem Brand eine Art Auswertungstreffen gab, sagte eine Zeugin: „Bestimmt. Wenn ich mit meinen Freundinnen shoppen gehe, werte ich das auch aus.“ Ein anderer Zeuge - ein Mitglied der rechten Szene - sagte, dass sich in Nauen viele über den Brand gefreut hätten. Zur Erinnerung. Bei dem Feuer ist eine Sporthalle zerstört worden, der Schaden liegt bei 3,5 Millionen Euro. Die Halle dient auch zum Schulsport. Tatsächlich war das Entsetzen nicht nur in Nauen, sondern auch brandenburgweit nach dem Anschlag groß. 

 

Kritik an den Polizeiverhören


Den sechs Angeklagten werden verschiedene Straftaten vorgeworfen. Unter anderem Farb-Anschläge auf Linkenbüros und mehrere Brandanschläge in Nauen. Darunter der verheerende Brand einer Turnhalle im August 2015. Sie war als Flüchtlingsunterkunft geplant und brannte komplett nieder. Schaden: 3,5 Millionen Euro. Schneider bezeichnete den Brand als „Unfall“. Er habe lediglich ein Zeichen setzen und die Halle einrußen, aber nicht abbrennen wollen.

 

Neben der Verharmlosung gibt es noch eine weitere Auffälligkeit, die sich durch den Prozess zieht. Nämlich die Kritik an den Polizeiverhören. Mehrere Zeugen sagten am Donnerstag aus, bei der Polizei unter Druck gesetzt worden zu sein, damit sie bestimmte Aussagen treffen. Auch die Anwälte der Hauptangeklagten Schneider und W. Fragten häufiger in diese Richtung nach. Ob wirklich Druck von der Polizei ausgeübt wurde, werden die Aussagen der Polizisten zeigen. 

 

Druck wird auch von den Angeklagten ausgeübt


Dass aber nicht nur die Polizei Druck ausüben kann, zeigt auch die Zeugenaussage des Angeklagten Christian B. Er hatte zum Prozessauftakt zunächst Schneider und W. Stark belastet, dann aber die Aussage zurückgezogen. Am Donnerstag kam heraus warum: Er fand an seinem Auto einen Zettel mit einer deutlichen Botschaft. Verräter. B. hat sich am Donnerstag erneut erklärt und sich dafür entschuldigt, seine Aussage zurückgezogen zu haben. Dann wiederholte er seine belastende Aussage.

 

Am kommenden Dienstag wird der Prozess um 10 Uhr fortgesetzt. Unter anderem soll weiter die Zeugin, die Schneider schwer belastet, gehört werden. Neben dem Staatsanwalt hat auch Schneider „einige Fragen“ angekündigt.

Von Christian Meyer