[OS] Den nationalen Konsens brechen - Gegen den Nationalismus der Mitte

Das Problem heißt Rassismus

Am 6.12.2016 fand in Osnabrück eine Demonstration des Exil e.V. in Kooperation mit dem DGB statt. Das Motto der Demo war "Bleib doch Mensch" und richtete sich gegen Abschiebungen.

 

Wir von den libertären Kommunist*innen Osnabrück waren mit 2 Transparenten mit der Aufschrift "Nieder mit dem AKP Regime, Nieder mit der Festung Europa" und "Das Problem heißt Rassismus" anwesend. WeIterhin haben wir auf der Demonstration Flyer verteilt, um das Appelieren an den Staat zu kritisieren und den Nationalismus der Mitte, maskiert mit Floskeln wie "Den Standort stärken" anzugreifen. Es gilt, nicht an den Staat zu appelieren, sondern ihn und die herrschenden Verhältnisse zu bekämpfen!

 

Im Folgenden ist der Text des Flyers angehängt.

 


 

Heute verkünden PolitikerInnen öffentlich, es werde „in Europa Deutsch gesprochen“, die „Zuwanderung in deutsche Sozialsysteme“ sei „bis zur letzten Patrone“ abzuwehren, die „Produzenten“ von „ständig neuen Kopftuchmädchen“ müsse „niemand anerkennen“ und die griechische Grenze solle von einer „Waffen besitzenden“ europäischen Grenzsicherungstruppe bewacht werden.

 

Bei solchen Aussagen werden viele von uns zunächst an die HetzerInnen der AfD, an ihre berüchtigten Auftritte in Funk und Fernsehen denken. Die Zitate stammen jedoch nicht von Petry, Gauland oder Höcke, sondern in der angeführten Reihenfolge von Kauder, CDU, Seehofer, CSU, Sarrazin, SPD Palmer, Grüne.

 

Es handelt sich bei diesen Äußerungen auch nicht um „populistische Überspitzungen“ oder „rhetorische Ausreißer Einzelner“, wie Mitglieder und WählerInnen der genannten Parteien sicher behaupten werden, sondern schlicht um jene Menschenfeindlichkeit, die in der sogenannten „politischen Mitte“ überall anzutreffen ist.

 

Nur dünn verschleiert hinter Floskeln wie „Stärkung des Standortes“ und „Sachzwänge des Marktes“ ist in dieser politischen und gesellschaftlichen „Mitte“ der nutzenrassistische und sozialchauvinistische nationale Konsens Deutschlands zu beobachten. Teil dieses Konsenses sind seit langem auch die Führungsspitzen der DGB-Gewerkschaften, die zwar billige antirassistische Phrasen auf den Lippen führen, im Rahmen der „Sozialpartnerschaft“ mit dem Kapital jedoch ebenso der Standortlogik gehorchen müssen wie alle anderen staatstragenden Akteure.

 

Ein “Zusammenstehen Aller“, ein „Allgemeinwohl“, die emotional aufgeladene, aber falsche Gemeinschaft aller Deutschen wird beschworen, „Du bist Deutschland“ wird in die Köpfe gehämmert, doch unter dieser Schutzschicht trügerischer Gewissheit liegt die Wahrheit verborgen, dass alle Insassen dieses Staates lediglich auf ihre Verwertbarkeit reduzierte Mittel der Kapitalanhäufung sind. Im Nationalstaat Deutschland, den so viele für den Hebel ihres eigenen Erfolgs halten, ist kein Mensch ein Zweck an sich, und wer in diesem schlechten Sinn nicht nützlich ist, der wird verarmt, ausgestoßen oder gar nicht erst ins Land gelassen.

 

Wenn es an das geht, was in der BRD wirklich zählt, also die Profite der Kapitalistenklasse und die finanzielle Handlungsfähigkeit des ideellen Gesamtkapitalisten Staat, dann zögert niemand in den staatstragenden Parteien: Die sowieso schon ausgehöhlte Asylgesetzgebung wird permanent weiter verschärft und gleichzeitig die Kriegsmarine zur angeblichen „Bekämpfung des Menschenschmuggels“, also zur Schließung von Fluchtrouten, ins Mittelmeer geschickt.

 

Im Kontrast zu den wohlmeinenden Vorstellungen humanistisch gesinnter BürgerInnen handelt es sich beim staatlich gewährten „Recht auf Asyl“ also nicht um eine Form von selbstloser Menschenfreundlichkeit, sondern um einen Hebel zur Durchsetzung nationaler Interessenpolitik, etwa durch die damit gewonnene Möglichkeit, gerade als feindlich betrachtete Staaten zu delegitimieren. Wie variabel die Gewährung von Asyl deshalb ist, sieht man an der ständig wachsenden Liste sogenannter „sicherer Herkunftsländer“.

 

So werden Menschen inzwischen auch nach Afghanistan, den Kosovo und die Maghrebstaaten abgeschoben, wo zwar Krieg und/oder Verfolgung herrscht, die deutsche Regierung jedoch keinen Grund für die Kritik an den dortigen Regierungen sieht.

 

Die Mitglieder und FührerInnen der AfD stehen mit ihren Forderungen zur Asylpolitik also nicht außerhalb des nationalen Konsenses, sie sind lediglich seine logische und konsequente Speerspitze. Sie fordern schon jetzt das, etwa den Schießbefehl an der Grenze, oder die Privatisierung des Arbeitslosengeldes, was die anderen Fans des deutschen Staates und Kapitals erst nach dem nächsten Krisenschub des Kapitalismus, oder vielleicht auch schon der nächsten verlorenen Wahl, in ihr Programm aufnehmen werden.

 

Wer das nicht glauben will, sollte sich nochmal genau erinnern, was in der BRD in den letzten Jahrzehnten passiert ist, auch ein Blick in die anderen Zentren des Kapitals ist hier hilfreich. In dieser Welt von kapitalistischen Nationalstaaten führen soziale Katastrophen wie Massenarbeitslosigkeit und Armut nicht zum Hinterfragen der Profitwirtschaft, sondern zur extremen Verschärfung der Lebensunsicherheit von Lohnabhängigen, Stichwort Hartz IV. Pogrome wie in Rostock-Lichtenhagen 1992, oder die Welle von Anschlägen auf Geflüchtete heute, lösen kein antirassistisches Umdenken aus, sondern werden zur Rechtfertigung der quasi-Abschaffung des Menschenrechtes auf Asyl benutzt.  

 

Solange wir gezwungen sind, in einer Gesellschaft von konkurrierenden Nationalstaaten und Kapitalen zu leben, wird sich an dieser menschenfeindlichen Tendenz nicht das Geringste ändern. In diesem System geht es zwangsläufig, den von niemandem erfundenen oder gesteuerten Gesetzen des Kapitalismus folgend, um die Maximierung von Profit, den Sieg in der Konkurrenz und die permanente Ausbeutung der Lohnabhängigen, also derjenigen, die unter erzwungenem Einsatz ihrer Lebenszeit und Gesundheit den ganzen Laden am Laufen halten. Der Staat steht zu diesen Verhältnissen nicht neutral, er hält sie mit Gewalt aufrecht, und die Nation ist kein „sicherer Hafen“, sondern ein klebriges geistiges Bindemittel für Menschen mit zutiefst gegenläufigen Interessen.

 

Es ist falsch, auf die angebliche Humanität Deutschlands zu setzen und an die Regierung – gleich welcher Couleur – zu appellieren, da die „unantastbaren Rechte“ geflüchteter Menschen im Zweifel immer den Kapital- und Staatsinteressen weichen.

 

Was nötig ist für die Überwindung einer Gesellschaft, welche institutionalisierten Rassismus und den Abriss des Asylrechtes hervorbringen konnte, ist ein Ende nationalistischen Denkens und gleichzeitig ein Angriff auf den Kapitalismus als Maschinerie der Ausbeutung und Zerstörung von Mensch und Umwelt. Das können wir nur zusammen schaffen, nur durch Solidarität aller Leute, denen dieses System das Leben zur Hölle macht. Fangen wir jetzt damit an! 

 

Likos - Libertäre Kommunist*innen Osnabrück