Fragwürdiges von Elsterglanz

Erstveröffentlicht: 
11.12.2016

Sie sind bekannt für ihre schrägen Neuvertonungen von „Rambo“ oder „Winnetou“. Das Duo Elsterglanz hat von Freitag bis Sonntag drei ausverkaufte Shows in Leipzig geboten. In einigen Szenen ihres „Angriff der Hochdruck-Prinzessin“ servieren sie rassistische und homophobe Witze, zum großen Publikumsvergnügen.

 

Leipzig. Wird man als Journalist zu Komikern geschickt, die man nur aus den derb-witzigen Neusynchronisationen berühmter Filmszenen kennt, denen es aber drei Tage in Folge gelingt, das Haus Auensee komplett zu füllen, geht man davon aus, bisher etwas verpasst zu haben und ist gespannt. Perplex ist man dann nach zwei Stunden, Zeuge heftiger Entgleisungen gewesen zu sein.

Die Mansfelder Schlurfigkeit der Figuren Sven und Gilli des Eislebener Duos Gilbert Rödiger und Sven Wittek ist längst Kult. Dass man ausgestellter Doofheit, ostdeutschem Dialekt und Klischees als Haupt-Humormittel (untenrum) und Bier-Schenkelklopfern wenig abgewinnen kann, ist persönliche Geschmackssache. Dass man anscheinend der Einzige ist, der nicht lacht, wenn erzählt wird, wie Sven „auf dem Stadtfest die fette Heidi vom Bratwurststand gepimpert“ hat und Gilli („Arbeiten? Kannste vergessen!“) Vegetariern jegliche Lebensfähigkeit abspricht: geschenkt.

Dass ein Großteil des überwiegend männlichen Publikums wirkt, als hätte es nach diesem Wochenende aus Elsterglanz-Shows am Montag wieder einen Dresdner Spaziergang im Kalender markiert, ist einigen gegenüber sicher ungerecht, erzeugt aber zunehmend Unbehagen.

Spätestens, als sich in die bierselige Osttümelei zunehmend rassistische und homophobe Witze mischen, bekommt der Abend eine fragwürdige Schlagseite. Der grobe Rahmen des Programms „Angriff der Hochdruckprinzessin“ besteht daraus, dass Sven und Gilli sich zu Superhelden ausbilden lassen wollen, aber aufgrund akuter kognitiver und körperlicher Defizite ungeeignet sind. Dennoch rutschen sie zwecks Geheimhaltung ins Zeugenschutzprogramm und sollen als homosexuelles Pärchen untertauchen. Igitt, bäh, eklig das geht ja gar nicht! Es folgen bejohlte Erläuterungen, die von heruntergefallener Seife und Mokkastübchen handeln.

In der Folge fallen Wörter wie „Negerküsse“ („zertrampeln, bevor sie schlüpfen“ – Brüller!), „Schwuchtel“, „Homo“ und „Tschechenschnalle“ ebenso selbstverständlich, wie sie beklatscht werden. Der Tiefpunkt ist erreicht, als in einer Schatzkiste aus dem Zweiten Weltkrieg Aladins Wunderlampe gefunden wird, die nicht als Waffe eingesetzt werden konnte, weil sich der Geist weigerte mit der Wehrmacht zusammenzuarbeiten: Buh-Rufe im Publikum.

Ein gefundener Brief in der Kiste beginnt mit „Mein Führer“: Klatschen im Publikum. Beides vereinzelt, aber unsanktioniert. Als kurz darauf ein Witz damit schließt, dass die „dicke Ossi-Tante“, die heute über uns bestimmt, das ja sicher nicht mehr lange tut, grölt der ganze Saal. Kaum leiser wird es bei einem anschließenden Flüchtlingswitz (nicht der erste an diesem Abend) und einem „Wir-schaffen-das-nicht“-Wortspiel. Das sind keine Ausrutscher und niveaulose Kalauer mehr, das sind rechte Assoziationsstrukturen in Billigwitze verpackt.

Die Intention der kommerziell ungemein erfolgreichen Künstler hinter all dem bleibt rätselhaft, immerhin werden doch Elsterglanz von einigen Humorkollegen durchaus geschätzt. Die bekannten Sketche und Filmausschnitte bleiben ja auch stets auf der Basis ostdeutschen Nonsens.

Wie viel schützende Ironieschicht zwischen Rödiger, Witteg und ihren Figuren steckt, ist schwer zu ermitteln. Das Publikum jedenfalls nimmt es pur, hier wird munter die Kombination aus stolz-dummem Ossi, Trinker, Kampfcarnivore, Schwulenhasser und Rassist gefeiert – kurzum also diejenigen, die sich als Abgehängte stilisieren und sich doch alle Mühe geben, die über sie grassierenden Klischees zu bestätigen. Eine Show, die weit über die Geschmacksfrage hinaus geht.

Von Karsten Kriesel