Am kommenden Dienstag, den 22. November 2016 um 12:30 Uhr, findet vor dem Wuppertaler Amtsgericht ein Prozess gegen einen Wuppertaler Antifaschisten statt. Der Tatvorwurf lautet: Versuchte Körperverletzung und Widerstand gegen Polizeibeamte.
Dieser
Prozess ist nicht irgendein beliebiger Versuch der Wuppertaler
Staatsanwaltschaft und des Staatsschutzes Linke zu kriminalisieren,
sondern es geht um die Ereignisse rund um den Mordversuch vor dem
Autonomen Zentrum in Wuppertal am 11. April 2015 und um den
darausfolgenden Polizeieinsatz.
Zur
Erinnerung: Am 11. April 2015 um 1:00 Uhr morgens wurde ein Freund
des AZ auf der Straße vor dem AZ von drei Nazis aus dem
HOGESA-Spektrum angegriffen.
Aufgefallen waren die Täter bereits vorher durch Provokationen und
Versuche das AZ auszuspähen. Nachdem einer der drei Nazis von dem
späteren Opfer erkannt wurde, wurde er vor dem AZ mit dem Ruf „Wir
sind HOGESA“ angegriffen und vom Nazi Patrick Petri mit etlichen
gezielten Messerstichen lebensgefährlich verletzt. Nach der Tat sind
die Nazis Richtung Gathe / Innenstadt geflüchtet.
Der
Schwerverletzte wurde schnell in den Flur des AZ gebracht und Erste
Hilfe geleistet. Gleichzeitig ist umgehend vom AZ aus der Notarzt
gerufen worden. Die Rettungskräfte kamen zeitnah mit
Polizeieinsatzkräften am AZ an, sie wurden zu dem Schwerverletzten
begleitet. Sie konnten sofort und ungehindert die professionelle
Erstversorgung durchführen. Die Rettungssanitäter wurden einige
Zeit später ohne ersichtlichen Grund vom Opfer zurückgerufen. Die
Einsatzleitung der Polizei hat den Rettungseinsatz unterbrochen und
die Rettungssanitäter mit scharfem Ton vom Verletzten weggeholt.
Die
Polizei stürmte nun, anstatt das Gespräch mit den geschockten
AZ-Besucher*innen am Eingang zu suchen, unter Androhung von
Schlagstock- und Pfefferspray-Einsatz in den AZ-Eingang und
überwältige u.a. den Angeklagten.
Die
nach den Sanitätern eingetroffene Notärztin hat mit der ärztlichen
Versorgung des Opfers erst außerhalb des Hauses begonnen.
Die
später eingetroffene Notärztin ist nicht zum schwerverletzten Opfer
gegangen, die ärztliche Versorgung des Opfers wurde erst außerhalb
des Hauses begonnen. Später traten die Polizeikräfte auf der
Suche nach möglichen Tätern noch wahllos Türen im AZ ein.
Schließlich erklärte die Polizei das AZ zum Tatort und
beschlagnahmte unser Haus bis zum Morgen. Die Nazi-Täter waren zu
diesem Zeitpunkt schon lange weg.
Die Polizei behauptete später in einer unsäglichen Pressemitteilung, die von allen Wuppertaler Medien ungeprüft übernommen wurde, folgenden Sachverhalt:
Die Polizei behauptete später in einer unsäglichen Pressemitteilung, die von allen Wuppertaler Medien ungeprüft übernommen wurde, folgenden Sachverhalt:
„Bei Eintreffen der
Rettungskräfte wurden Polizeibeamte und Rettungswagenbesatzungen im
Gebäude von mehreren Angehörigen der linken Szene angegriffen und
der Zutritt verwehrt. Erst durch den Einsatz von Pfefferspray und
mittels Schlagstock konnten die Einsatzkräfte den Verletzten zur
weiteren ärztlichen Versorgung aus dem Gebäude retten.“
(Pressemitteilung der Polizei Wuppertal 11.04.2015 – 08:58)
(Pressemitteilung der Polizei Wuppertal 11.04.2015 – 08:58)
Via WDR-Lokalfernsehen
gab es eine weitere Version. Die Polizeisprecherin führte aus: „Die
Kollegen sind in das Gebäude rein. Es gab Rangeleien und
Schubsereien. Und da musste man auch zwischendurch wieder rausgehen,
sich sammeln. Die verletzte Person konnte aber aus dem Gebäude
gebracht werden und wurde dann aber weiter behandelt.“
Die trauen sich was
Die
zuletzt zitierten Behauptungen der Polizeipressestelle, die später
auch von der Polizeipräsidentin im Fernsehinterview - etwas variert
- wiederholt wurden, sind offensichtlich die Grundlage des aktuellen
Gerichtsverfahrens. Dass beim Hauptverfahren gegen die Nazi-Täter
vor dem Landgericht die Polizeiversion widerlegt wurde, ist u.a. im
Artikel der Wuppertaler Rundschau vom 20.1.2016 dokumentiert:
„Ebenfalls klar ist inzwischen, dass an einer ersten
öffentlichen Mitteilung der Polizei vom Tattag kaum mehr als das
Datum stimmte: Es gab keinen Schlagstock- und Pfefferspray-Einsatz
gegen AZ-Besucher, mit dem den Rettungskräften der Weg zum
Verletzten quasi freigekämpft worden wäre. Es gab allerdings den
wohl irrtümlichen Befehl eines leitenden Polizisten im voll
besetzten Flurbereich: "Rettungskräfte raus!" Das belegen
Aussagen der Sanitäter. Das
Gericht hat erklärt, dass es diesen Punkten nicht nachgehen wird.
Der Vorsitzende Richter Robert Bertling: "Das betrifft nicht das
Kerngeschehen."“
Wir sind verwundert
und gleichzeitig erbost, dass die Lügengeschichten der Wuppertaler
Polizei jetzt zu diesem Prozess führen. Dass eine Verurteilung wegen
Widerstand gegen Vollzugsbeamte „immer geht“ und gerne als
Retourkutsche bei Gewalttätigkeiten der Polizei eingesetzt wird
(siehe auch http://www.taz.de/!5273271/
), brauchen wir hier nicht weiter ausführen. Doch offensichtlich
denkt die hellwache Wuppertaler Staatsanwaltschaft und Polizei, dass
die skandalösen Umstände des Polizeieinsatzes und der Ermittlungen
in der Öffentlichkeit schon vergessen sind.
Daher möchten wir
die Gelegenheit des Prozesses nutzen, um erneut auf schwerwiegende
Rechtsverstöße hinzuweisen und eine Reihe von öffentlichen
Dienstaufsichtsbeschwerden zu stellen. Auch ein kleiner Eintrag in
der Personalakte kann aufgeweckten Vorgesetzten auffallen...
Öffentliche
Dienstaufsichtsbeschwerden:
1.
Wir fragen uns, ob das Presseteam um Polizeisprecherin Anja Meis
einen Freibrief für Lügengeschichten und Hetzkampagnen gegen Links
hat oder von der hellwachen dienstvorgesetzten Radermacher
Anordnungen erhalten hat?
2.
Wir fragen uns, ob die Quellen für die Falschaussagen auf Aussagen
der am Einsatz beteiligten Polizisten beruhen? Welcher Polizist lügt
so offensichtlich? Und sind das dieselben Polizisten, die jetzt eine
versuchte Körperverletzung und Widerstand gegen sich beklagen und
bezeugen werden? Wir fragen uns natürlich, ob die offensichtlichen
Falschaussagen im Polizeidienst zu Disziplinarverfahren und sogar zu
Strafverfahren führen werden?
3.
Wer hat den Einsatzbefehl gegeben, die Sanitäter von dem
lebensgefährlich Verletzten abzuziehen, um danach einen brutalen
Polizeieinsatz zu starten, um die im Eingangsbereich des AZ
befindlichen, größtenteils geschockten AZ-BesucherInnen anzugreifen
und teilweise zu verletzen?
4.
Wer trägt die Verantwortung für die Unterbrechung des
Rettungseinsatzes? Wer übernimmt die Verantwortung und auch die
zivilrechtliche Haftung für die mögliche Schädigung des
Verletzten, weil die Rettungsanitäter die Erstversorgung
unterbrechen mussten? Da das Opfer sein ganzes Leben mit
Folgeschäden leben muss, wäre auch eine Schadensersatzklage in
Betracht zu ziehen.
5.
Welche Rolle spielt eigentlich die Notärztin? War sie einverstanden,
dass die Rettungssanitäter von der Polizei abgezogen werden? Warum
hat die Notärztin sich selbst kein Bild vom Verletzten gemacht, ob,
wie und mit welcher Versorgung er aus den engen Räumlichkeiten
transportiert werden kann? Warum hat sie stattdessen zugelassen, dass
Polizeibeamte die Bergung des schwerverletzten Opfers vornahmen? Hier
stellt sich die Frage, welcher Umstand eine Notärztin dazu
veranlasst nicht direkt zum Opfer zu gehen. Es gab laut
Rettungssanitäter offensichtlich keine bedrohliche Situation im
Rettungseinsatz, das dürfte der Notärztin nicht entgangen sein.
6.
Spätestens um 2:15 Uhr waren der Polizei und der bereits
eingesetzten Mordkommission durch Zeugenaussagen bekannt, dass die
Täter eine HOGESA-Parole während des Angriffs brüllten und dann
Richtung Gathe /Innenstadt flüchteten. Auch für Mitglieder von
Mordkommissionen müsste begreiflich sein, dass ab jetzt die Täter
a) auch im rechten Spektrum gesucht werden sollten und das b) das AZ
nicht mehr die Fluchtstätte für diejenigen sind, die einen
Antifaschisten mit dem Messer abstechen.c) wurde im gleichen frühen
Zeitraum eine weitere Person mit Stichverletzungen an den
City-Arkaden von der Polizei entdeckt, die sicherlich von der Polizei
als der Nazi Patrick Petri identifiziert werden konnte.
Trotzdem
werden die ZeugInnen aus dem AZ und Umfeld bis September 2015 als
Beschuldigte in einem Mordverfahren geführt. Später wird diese
massive Einschüchterung und Kriminalisierung von der
Staatsanwaltschaft als Computerversehen schöngeredet. Auch hier ist
mindestens ein Disziplinarverfahren gegen die Mitarbeiter der
Mord-Kommission und der Staatsanwaltschaft denkbar, die wider
besseren Wissens über Monate falsche Beschuldigungen erheben.
7.
Ist der Einsatzleiter eigentlich noch im Amt, der diesen gesamten
Polizeieinsatz zu verantworten hat? Muss man für eine
Tatortsicherung Rettungskräfte zurückziehen und anschließend die von der Tat
geschockten AZ-Besucher*innen brachial angreifen und überwältigen?
Wurden die eingesetzten Polizisten auch schon mal mit deeskalierenden
Einsatzmethoden vertraut gemacht? Können die eingesetzten Polizisten
nicht nachvollziehen, dass nach einen Messerangriff auf einen
Antifaschisten die Ersthelfer*innen geschockt und die Nerven blank
liegen und dass man in dieser Situation nicht mit dem Knüppel
drohen, sondern es mit einer Ansprache versuchen sollte?
8.
Wer ist eigentlich dafür verantwortlich, dass der Staatsschützer
Böttcher immer noch im Dienst ist, obwohl aus einem Chat-Protokoll
seit dem 23.1.2015 wussste, dass Wuppertaler Nazis aus dem
HOGESA-Spektrum einen bewaffneten Überfall auf das AZ in Wuppertal
und auf das Linke Zentrum in Düsseldorf, sogar unter Einsatz von
Brandsätzen während vollbesetzten Konzertsälen diskutierten? Weder
wurden die Betreiber des AZ oder des Linken Zentrums informiert, noch
gab es eine Warnung vor den Tätern. Auch werden Nazis, die solche
gravierenden Straftaten planen, in Wuppertal juristisch
offensichtlich nicht zur Verantwortung gezogen. Dass nicht mal die
ermittelnde Staatsanwaltschaft nach dem Mordversuch über Planungen
eines der Hauptangeklagten vom Staatsschutz informiert wird, müsste
eigentlich sogar die Staatsanwaltschaft und erst Recht das Gericht
beunruhigen.
Die
Wahrheit wird
uns nicht
davonlaufen!
Antifaschistische
Initiative Wuppertal 20.11.2016