„Reichsbürger“ attackieren Polizei mit Millionen-Forderungen

Erstveröffentlicht: 
28.10.2016

Die Polizei in Thüringen wird flächendeckend mit fingierten Schuldforderungen überzogen. Im Einzelfall geht es um bis zu 100 Millionen US-Dollar. Dahinter stecken „Reichsbürger“, die die Bundesrepublik Deutschland, ihre Institutionen und Bediensteten nicht anerkennen.

 

Bayern hat ein "Reichsbürger" vor wenigen Tagen einen Polizisten erschossen. Zehn Millionen Dollar verlange ein "Reichsbürger" von ihm, sagte der Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft DPolG, Jürgen Hoffmann, unserer Zeitung. Bei einem anderen Beamten geht es um 3,5 Millionen Dollar. Betroffen seien "mehr als hundert Polizeibeamte im ganzen Land", sagt Hoffmann. Für die Beamten kann daraus eine reale Gefahr erwachsen: vor allem die horrender Anwaltskosten für den Fall, dass sie sich gerichtlich wehren müssen -zumal in Malta, von wo die Gefahr ausgeht. Mit dem Problem fühlen sich viele Polizisten alleingelassen - von der Landesregierung. "Der Dienstherr hat bisher nicht zugesagt, anfallende Anwaltskosten in voller Höhe zu übernehmen", kritisiert Hoffmann. Stattdessen verweise das Land die Beamten auf privaten oder gewerkschaftlichen Rechtsschutz. 

 

Ministerium hilft mit Handreichungen


Für Rainer Wendt, den Bundesvorsitzenden der DPolG, ist das ein Unding. "Hier sind Kriminelle am Werk, die Polizeibeamte attackieren, nur weil diese ihren Dienst ausgeübt haben. Hier muss der Staat seine Fürsorgepflicht für seine Bediensteten wahrnehmen".

 

Aktuell verschafft sich die DPolG bundesweit einen Überblick. "Es scheint bisher ein spezielles Thüringer Problem zu sein", sagt Wendt. Angesichts dieser Situation sieht man sich bei der Polizei zur Selbsthilfe gezwungen. Die Gewerkschaft der Polizei in Thüringen hat bereits die zweite Schulung für den Umgang mit "Reichsbürgern" abgehalten. "Es wäre die Pflicht des Dienstherrn, sind klar vor die Bediensteten zu stellen", kritisiert GdP-Chef Kai Christ. CDU-Sicherheitsexperte Raymond Walk spricht von einer "Ausweich-Info-Veranstaltung, weil der Dienstherr nichts macht". 

 

Unter Beamten herrscht große Verunsicherung


Im Thüringer Innenministerium sieht man das Problem nicht so. Vielmehr habe man jedem Beamten eine "Handreichung zum Thema Reichsbürger und Malta-Masche" zugänglich gemacht. Außerdem seien lediglich "Einzelfälle" bekannt, heißt es aus dem Ministerium. Wie sich ein "Einzelfall" auf die Polizeiarbeit auswirkt, zeigt sich in einer Randregion des Landes. "Ich spüre eine große Verunsicherung unter den Kollegen", sagte ein Polizeiführer unserer Zeitung. Es gebe bereits Beamte, die würden nur noch zögerlich gegen "Reichsbürger" vorgehen, beispielsweise wenn diese sich gegen Pfändungen wehrten - was öfter vorkommt. "Wenn der Eindruck entsteht, dass sich der Rechtsstaat nicht vollständig hinter seine Polizei stellt, fühlen sich die Reichsbürger ermuntert, weiterzumachen", warnt DPolG-Chef Jürgen Hoffmann. 

 

Justiz in Malta will Schuldforderungen künftig sorgfältiger prüfen


Auch die Bundesregierung bemüht sich um eine Lösung des Problems "Malta-Masche". Das Auswärtige Amt hat den Landesjustizministerien aktuell mitgeteilt, die maltesische Justiz werde sich "dafür einsetzen, dass bei der Eröffnung von (normalen) Mahnverfahren gegen nicht auf Malta ansässige Schuldner besonders sorgfältig geprüft und gründliche Sachverhaltsaufklärung betrieben". Ob die Gefahr damit vollständig gebannt ist, ist fraglich. "Das Auswärtige Amt hofft", heißt es, "dass es nunmehr in Zusammenarbeit mit den maltesischen Justizbehörden gelingen wird, der so genannten Malta-Masche ein Ende zu bereiten."