Hintergrund: Die rechte Szene will in Ludwigshafen Fuß fassen - behauptet das linke Milieu. Dahinter steckt Propaganda - behauptet die Polizei. Beobachtet werden die Extremisten vom Verfassungsschutz. Und der fürchtet nur eines: die direkte Konfrontation der beiden Lager.
Wenn sich "Internationale Wanderfreunde" zu einem "Südwestdeutschen
Kulturtag" treffen, klingt das zunächst einmal unverdächtig. So
unverdächtig, dass sich auch der Volkshaus-Pächter in der
Ludwigshafener Gartenstadt nichts dabei gedacht haben mag, wem er da
für 10.April seine Räume vermietet.Dass die volkstümliche Fassade
einen tiefbraunen Anstrich hat und der Wirt über die wahre Identität
der "seriös" anmutenden Gäste "getäuscht" wurde, dämmerte ihm erst
später. Zu spät, um das Ganze abzublasen. Ein Hausverbot wollte er
jedenfalls nicht erteilen. Ihm sei versichert worden, dass es sich um
keine politische Veranstaltung handelt, gab der Gastronom zu Protokoll.
Doch da hatte er sich gewaltig geirrt.
Die vermeintlichen
Wandergesellen entpuppten sich als Anhänger der NPD, ihrer
Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) sowie der verbotenen
"Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ). Etwa 150 von ihnen - die Rechten
sprechen im Internet ("Germanische Weltnetzgemeinschaft") von 230 -
feierten mehrere Stunden ein feuchtfröhliches Fest. Bei Weißwurst und
Sauerkraut, mit Märschen, Fahnen und "hessischem Walzer der
JN-Kameraden". Darunter waren viele Familien mit Kindern. Dass sie
dabei von den Ordnungshütern beobachtet wurden, störte sie nicht die
Bohne. Im Gegenteil. Die aus dem ganzen Südwesten der Republik
zusammengetrommelten Rechten genossen deren ungeteilte Aufmerksamkeit.
Für
die Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD), die an diesem Tag
spontan eine Gegendemo durch die Innenstadt organisierte, sind diese
Umstände ein Indiz dafür, dass die Rechten in Ludwigshafen Fuß fassen -
und die Polizei sie gewähren lässt. "Hätte da einer ,Sieg Heil"
gerufen, wären wir eingeschritten", entgegnet Bernd Römer, seit 14
Jahren Leiter der Ludwigshafener Polizeidirektion (PD). Doch die
Faschisten-Fete verlief ohne Zwischenfälle.
"Die wissen genau,
was sie tun dürfen, und was nicht - und haben inzwischen auch gute
Rechtsberater", weiß Kriminaldirektor Manfred Holzschuh. Er leitet im
Polizeipräsidium Rheinpfalz das eng mit dem Verfassungsschutz
kooperierende Kommissariat 12. Aufgabengebiete: Extremismus und
Terrorismus. Nackte Zahlen belegen für ihn, dass weder Rechts- noch
Linksextreme hier an Einfluss gewinnen. Selbst wenn sich diese Gruppen
in einschlägigen Foren damit brüsteten und sich vor Ort immer mal
wieder ihre "Spielwiesen" suchten. Wie den Ebertpark, wo sich gut 20
Rechte am Ostersamstag zum "Bierschnapssuchen" versammelt hatten.
Holzschuh
zufolge gab es in Ludwigshafen mit knapp 170.000 Einwohnern im Vorjahr
53 politisch motivierte Straftaten mit rechtem Hintergrund, überwiegend
"Propagandadelikte" wie Hakenkreuzschmierereien. 270 waren es im
Einzugsgebiet des Präsidiums, wo von der Süd- bis zur Vorderpfalz gut
900.000 Menschen leben. Ähnlich waren die Zahlen im Jahr zuvor.
Ludwigshafen
und sein Umland als kommende Hochburg rechter Gewalt zu bezeichnen sei
schon allein deswegen Unsinn, sagt Holzschuh in Richtung Antifa, deren
Anhänger stadt- und landesweit ähnlich viele Straftaten zur Last gelegt
werden wie Personen aus dem rechten Spektrum. Holzschuhs Erfahrung: "Es
sind immer die Gleichen."
Damit meint er die harten Kerne beider
Lager, die ihre Anhänger gezielt mobilisierten. "So gaukeln sie
schlagkräftige Truppen vor", berichtet Regierungsdirektor Peter
Wilkesmann aus dem Mainzer Innenministerium. Beispielhaft nennt der
Mann vom Verfassungsschutz rechte und linke Aktionbündnisse im
Rhein-Neckar-Raum, die Aufmärsche oder Demos perfekt organisierten:
"Die leben für ihre Ideologie."
Wilkesmann geht landesweit von
einem Dutzend NPD-Kameradschaften mit etwa 300 Mitgliedern aus. In
Rheinland-Pfalz werden laut Verfassungsschutzbericht 1000 Personen als
rechtsextrem eingestuft. Jeder Zehnte gilt als gewaltbereit und wird
beobachtet, "20 bis 30 Neonazis" sind es im Raum Ludwigshafen/Mannheim.
In diese Kreise würden auch Informanten eingeschleust. Das linksextreme
Potenzial im Land liegt bei 700 Personen, jeder Siebte gilt als
gewaltbereit.
Verglichen mit anderen Landstrichen in Deutschland
seien das harmlose Zahlen: "Rheinland-Pfalz gilt als Land der Reben und
Rüben", meint Wilkesmann. Während Neonazis speziell in den neuen
Bundesländern auf fruchtbaren Boden stießen, seien linksextreme Zentren
Metropolen wie Hamburg oder Berlin. Dort seien die politischen
Strukturen ganz andere. Gefährliche werde es - unabhängig vom Ort -
stets dann, wenn Anhänger beider Lager aufeinandertreffen, weil die
Hemmschwelle für brutale Übergriffe sinke - auch gegenüber Polizisten.
"Graswurzelrevolution"
nennt Wilkesmann die Taktik der Extremisten, die versuchten, sich in
der Mitte der Gesellschaft zu verankern. "Wir können aber nur dann
aktiv werden, wenn die demokratische Grundordnung gefährdet ist", sagt
er. Die Republikaner, die bei der Kommunalwahl in Ludwigshafen 6,2
Prozent der Stimmen erhalten haben, werden - wie die Linkspartei -
nicht als verfassungsfeindlich eingestuft und nicht beobachtet. "Das
ist die Aufgabe der Gesellschaft."
Zivilcourage wünscht sich
auch Polizeipräsident Wolfgang Fromm. Er lobt die Zusammenarbeit mit
der Stadt. Die wenigen NPD-Demos der Vorjahre seien dank "intelligenter
Auflagen" glimpflich verlaufen. Die aktuelle Forderung der Grünen nach
einer Strategie gegen Rechtsextreme im Nachgang zum Volkshaus-Treffen
hält er für unbegründet: "Wir bieten Extremisten keinen Freiraum, weder
rechts noch links. Stadt und Polizei rudern in die gleiche Richtung."