Der presserechtlich Verantwortliche der Publikation GefangenenInfo Wolfgang Lettow ist am Mittwochnachmittag vom Berliner Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 800 Euro verurteilt worden. Der Grund für die Anklageerhebung ist der Prozessberichts „Blind in Beugehaft“ in der Ausgabe Nr.348 vom Juli letzten Jahres.
In dem inkriminierten Text wurde ein Verhandlungstag im §129b-Prozess gegen dem Gefangenen Faruk Ereren, dem inzwischen die Auslieferung in die Türkei droht, beschrieben. Nuri Eryüksel hatte es abgelehnt, über die Strukturen der türkischen Exilorganisation Aussagen zu machen, weil er sich dabei selber belasten könnte. Das Gericht bestand aber auf seiner Zeugenaussage und erließ dann die Beugehaft, die noch im Gerichtssaal vollstreckt wurde. Dieses Vorgehen sorgte unter den ProzessbeobachterInnen für besondere Empörung, weil Nuri mehrere Jahre in türkischen Gefängnissen inhaftiert war und dort auch gefoltert wurde.
Er hat mittlerweile auch als Spätfolge der Folter sein Augenlicht verloren. Die Verhängung der Beugehaft wurde dann 4 Wochen später aufgehoben und vom BGH als rechtswidrig kassiert! Die ProzessbeobachterInnen der Roten Hilfe Düsseldorf-Mönchengladbach schreiben in ihrem Bericht dem zuständigen Richter nach der Verkündung der Beugehaft eine Bemerkung zu, die von vielen Ohrenzeugen als zynisch empfunden wurde. Dort soll der Richter mit Verweis auf Nuris Erblindung erklärt haben, dass er vielleicht in der Beugehaft zur Besinnung komme. Der Richter bestreitet diese Äußerung. Mehrere ProzessbeobachterInnen, darunter ein Anwalt und ein Vertreter des Komitees für Grundrechte und Demokratie können sich an eine von ihnen als zynisch empfundene Äußerung des Richters erinnern.
Trotzdem erklärte der Richter in Berlin in der Urteilsbegründung am Mittwoch, dass die Äußerungen nicht gefallen sind. Anträge des Rechtsanwalts Jürgen Schneider, der Lettow verteidigte, zum Beweis des Prozessberichts, einen Verteidiger aus dem Düsseldorfer Verfahren zu laden, der sich auch an zynische Äußerungen des Richters erinnern kann, wurden abgelehnt. Vorher hatte Schneider anhand von Presseberichten nachgewiesen, dass Richter bei den Staatsschutzsenaten in ihre Vorworte vor ihren Entscheidungen oft harte Kritik an ZeugInnen, Angeklagten etc. einfließen lassen. Daher wären auch die inkriminierten Äußerungen des Richters durchaus denkbar.
Lange Geschichte der Kriminalisierung
Ca. 30 Menschen besuchten den Prozess, darunter zwei Mitglieder des Komitees für Grundrechte. Einige AktivistInnen entrollten auf einer Kurzpressekonferenz vor den Toren des Berliner Amtsgerichts ein Transparent des Netzwerks für politische Gefangene.
In einer Prozesserklärung erklärte Wolfgang Lettow, dass das Gefangeneninfo in seiner 21jährigen Geschichte mit ca. 30 Verfahren konfrontiert war. Davon kamen 4 zur Anklage, 2 RedakteurInnen wurden verurteilt. Lettow erklärte, dass in den ersten beiden Jahrzehnten mit den Kriminalisierungsversuchen eine Öffentlichkeit für die Gefangenen aus RAF und Widerstand verhindert werden sollte. In den letzten Jahren seien zunehmend türkische und kurdische Gefangene mit 129a und 129b-Verfahren konfrontiert. Damit können sie auch wegen völlig legaler politischer Tätigkeiten in Deutschland verurteilt werden, weil sie beschuldigt werden, damit den politischen Kampf in ihren zu unterstützen. Auch für diese Gefangene will das Info weiter Öffentlichkeit herstellen, betonte Wolfgang Lettow nach der Urteilsverkündung. Er sieht das Verfahren und das Urteil „hart an der Grenze zur Medienzensur“. In Anbetracht der Tatsache, dass linke Medienprojekte wie das "Gefangenen Info" keine kommerziellen Ziele verfolgen und somit nicht über ein dickes Finanzpolster verfügen, gleicht jeder Strafbefehl und jede Geldstrafe einem massiven Angriff, der die Existenz dieses Projektes gefährdet. Deswegen soll eine Spendenkampagne für das Urteil und die Prozesskosten gestartet werden.