Ein Jahr nach gewalttätigen Übergriffen bei einer NPD-Demonstration am damaligen Zeltlager für Asylbewerber an der Bremer Straße saßen jetzt zwei Beteiligte vor dem Richter.
Von Alexander Schneider
Dresden. Fast genau ein Jahr nach den gewalttätigen Übergriffen zahlreicher Rechtsextremer bei einer Demonstration der NPD mussten sich zwei junge Männer vor dem Amtsgericht Dresden verantworten. Michel K. (26) und René F. (23) waren dabei, als Dutzende NPD-Anhänger in der Bremer Straße am 24. Juli 2015 auf Polizisten und Gegendemonstranten losstürmten und Flaschen, Verkehrszeichen und Böller warfen. Mehrere Menschen wurden verletzt, mindestens zwei in Kliniken gebracht.
Laut Anklage hat K. an jenem Freitagabend eine Warnbake in Richtung der Polizisten geworfen, jedoch niemanden getroffen. F. hat im Getümmel bei einem Angriff mitten auf der Bremer Straße einen Uniformierten auf ein Auto gestoßen, das langsam vorbeifuhr. Die beiden Angeklagten mussten sich daher unter anderem wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung verantworten.
Ihre Anwälte gaben kurze Erklärungen ab, wonach die Angeklagten die Vorwürfe einräumten. F. behauptete, die Bremer Straße sei für den Verkehr gesperrt gewesen. Doch Polizist Danilo F. widersprach. Man habe den Verkehr absichtlich fließen lassen und die Straße als „natürliche Grenze“ genutzt, um die beiden Lager auf Abstand zu halten. Nur 20 Beamte des Einsatzzuges waren da, um die kurzfristig anberaumten Demos abzusichern. Mehr als 200 Teilnehmer standen auf der Seite der NPD, gut 300 Gegendemonstranten auf dem gegenüberliegenden Fußweg.
Polizist Harald H. sagte, K. habe mit der Bake wohl die Gegendemonstranten treffen wollen. Er habe den Werfer genau gesehen und nicht mehr aus den Augen gelassen. Bei K. fanden die Beamten später Pfefferspray. Polizist H. sagte, bei den gewalttätigen Anhängern der NPD-Demo habe es sich um „Hooligan- und Fußball-Klientel“ gehandelt, „sehr aggressiv“. Sie hätten die Konfrontation gesucht. Als ein Fernsehteam NPD-Teilnehmern Fragen stellen wollte, sei plötzlich mit Sachen geworfen worden, einige stürmten auf die Straße. Beim zweiten Angriff sei zunächst aus den NPD-Reihen ein Böller in die Gegendemonstranten geworfen worden.
Michel K. und René F. gelten als szenebekannte Dresdner Neonazis. Die beiden Deutschen sind seit Jahren arbeitslos. K. hat mehr als 20 Vorstrafen, hat wegen Körperverletzung im Gefängnis gesessen. In den letzten Jahren ist er vor allem wegen Schwarzfahrens aufgefallen. In einem Dutzend Strafverfahren hatte die Justiz in den Jahren 2005 bis 2008 von einer Verfolgung abgesehen, weil K. Jugendlicher war.
Beide Männer wurden bereits im September 2015 angeklagt, zusammen mit weiteren Mittätern. Tom Z. etwa soll einen Böller geworfen haben. Weil er inzwischen untergetaucht sei, habe das Gericht den Prozess nicht eher eröffnen können. Z.s Verfahren sei daher abgetrennt worden, sagte Richter Roland Wirlitsch. Er verurteilte Michel K. zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die er zur Bewährung aussetzte. Ein mildes Urteil, nicht nur angesichts der vielen Vorstrafen. René F. kam mit einer Geldstrafe von 600 Euro davon. Er hatte sich bei dem Polizisten entschuldigt und hat nur eine Vorstrafe.
Das Verfahren kann als Sinnbild für die Überforderung dafür gesehen werden, wie der Staat 2015 auf die Herausforderungen der Flüchtlingskrise reagiert hatte. Über Nacht wurden Standorte neuer Asylbewerber-Unterkünfte mitgeteilt, der Protest organisierte sich schnell – doch viel zu wenige Polizisten waren vor Ort, um die aufgeheizte Lage abzusichern. Wie in Freital und Heidenau kam es auch in der Bremer Straße mehrfach zu Auseinandersetzungen. Dieser Prozess hätte jedoch besser schon vor einem halben Jahr stattgefunden.