[A] Jugendlicher wird verprügelt - doch die Polizei kommt trotz Notruf nicht

Erstveröffentlicht: 
02.07.2016

Ein 16-Jähriger wählt den Notruf und teilt mit, er werde auf einem Skaterplatz in Stadtbergen bedroht. Ein Polizist wimmelt ihn offenbar ab. Nun hat der Vorfall ein Nachspiel. Von Jörg Heinzle

 

Es ist der Dienstag nach Ostern. Der Notruf geht nachmittags bei der Einsatzzentrale der Polizei ein. Ein 16-Jähriger ist am Telefon und teilt mit, dass er bedroht werde. Er befinde sich am Skaterplatz in Stadtbergen, sein Freund sei von anderen Jugendlichen geschlagen worden. Ein Grund für die Polizei, sofort einzuschreiten? Der Beamte am Notruf sieht das nicht so. Er wimmelt offenbar den Jugendlichen ab mit dem Hinweis, es sei keine Streife verfügbar. Er solle doch einfach den Platz verlassen oder zum nächsten Revier kommen, lautet die Auskunft des Polizisten.

 

Handyvideo von der Schlägerei

Die Sache endet für den 16-Jährigen äußerst unangenehm. Er wird von den Jugendlichen, die ihn zuvor bedroht haben, kurze Zeit später verprügelt. Es gibt ein Handyvideo, das Szenen der Schlägerei zeigt. Gefilmt wurde es offenbar von einem, der zum Lager der Schläger gehörte. Er soll das Video später auch zeitweise ins Internet gestellt haben. Die Sequenz wurde von der Polizei gesichert und ist inzwischen ein wichtiges Beweismittel. Zu sehen sind darauf unter anderem zwei Jugendliche mit Wurzeln im Kosovo. Der 16-Jährige gibt an, er sei von den Angreifern geschlagen und getreten worden. Auch gegen den Kopf. Und das auch noch, als er bereits am Boden lag. Der 16-Jährige hatte noch Glück. Er erlitt zwar diverse Prellungen, Blutergüsse und hatte ein blaues Auge. Schwerer verletzt wurde er aber nicht.

Der Fall hat jetzt nicht nur für die Jugendlichen ein Nachspiel, die an der Schlägerei beteiligt waren. Auch dem Beamten in der Einsatzzentrale droht Ärger. Gegen ihn wird nach Informationen unserer Zeitung wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt ermittelt. Die Frage ist: Trägt der Polizist eine Mitschuld daran, dass der Jugendliche am Ende zusammengeschlagen wurde? Es sieht zumindest so aus.

Im Augsburger Polizeipräsidium hat man, nachdem die Vorwürfe intern bekannt geworden sind, den Notruf noch einmal angehört. Alle Notrufe, die in der Einsatzzentrale eingehen, werden routinemäßig drei Monate lang gespeichert. „Wir bedauern den Vorfall“, sagt Polizeisprecher Thomas Rieger auf Anfrage unserer Zeitung. Man habe das Verhalten des Beamten einer „unabhängigen rechtlichen Prüfung“ unterziehen lassen wollen. Deshalb sei der Fall umgehend dem für interne Ermittlungen zuständigen Dezernat 13 beim Landeskriminalamt übergeben worden.

 

Körperverletzung im Amt?

Die Münchner Ermittler haben inzwischen einen Abschlussbericht zu dem Augsburger Fall vorgelegt. Sie kommen offensichtlich zu dem Schluss, dass sich der Notruf-Beamte tatsächlich einer Körperverletzung im Amt schuldig gemacht haben könnte – weil er es unterließ, dem Anrufer Hilfe zukommen zu lassen. Die Akten liegen jetzt bei der Augsburger Staatsanwaltschaft. Die Behörde wird demnächst entscheiden, wie es weitergeht.

Sollte die Staatsanwaltschaft die Ansicht teilen, dass das Verhalten des Beamten strafbar ist, dann droht ihm ein Strafbefehl oder ein Prozess. Das Gesetz sieht für den Vorwurf, der im Fall des Beamten im Raum steht, Geld- oder Freiheitsstrafen vor. Auch die Ermittlungen zu den Schlägereien, die sich an jenem Tag auf dem Skaterplatz abgespielt haben, sind noch nicht abgeschlossen, teilt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft mit. Deshalb ist auch noch offen, ob dem Jugendlichen, der das Video mit den Prügelszenen gedreht und zeitweise ins Internet gestellt haben soll, ebenfalls Ärger droht.

Hilfe bekam der 16-Jährige an jenem Tag übrigens doch noch – aber nicht von der Polizei. Wie es heißt, rief der Jugendliche, nachdem er beim Notruf abgeblitzt ist, per Handy auch noch bei einem Freund an – einem kräftigen Landwirtssohn aus einer kleineren Ortschaft im Kreis Augsburg. Als der am Skaterplatz auftauchte, so wird erzählt, sei Ruhe eingekehrt.