Die AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag hat sich gespalten. Es geht auch um die Macht im Bund: Eine Gruppe um Parteichef Jörg Meuthen hat den Kampf gegen die Co-Vorsitzende Frauke Petry aufgenommen.
Es hatte sich angedeutet, jetzt ist es vollzogen: In Baden-Württemberg verlässt Jörg Meuthen mit zwölf weiteren Abgeordneten die AfD-Landtagsfraktion. Die restlichen zehn sollen die AfD nicht mehr vertreten. So will es der Bundesvorstand, zumindest jene Führungsmitglieder, die den Beschluss in einer telefonischen Schalte am Dienstagnachmittag fassten. Denn eine Frau war darin nicht eingebunden: Frauke Petry, die sich seit dem Sommer 2015 mit Meuthen gleichberechtigt den Vorsitz der Bundespartei teilt.
Der Bruch von Stuttgart ist also nicht nur ein Bruch der AfD im Ländle, er könnte der Beginn eines Zerfallsprozesses sein, der die Partei als Ganzes erfasst. Meuthens Schritt bedeutet eine (von einem großen Teil der Führung mitgetragene) Kampfansage an Petry. Sie hatte aus nicht nur seiner Sicht den Konflikt um den baden-württembergischen AfD-Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon, einen Verfasser antisemitischer Schriften, dazu genutzt, ihm als Landeschef zu schaden. Auch AfD-Vize Alexander Gauland, Petry in herzlicher Abneigung verbunden, war schon seit Längerem dieser Auffassung. Statt eines raschen Rauswurfs, den Meuthen wollte, plädierte Petry für ein Verfahren, das am Ende auch von der Fraktion abgesegnet wurde und sich bis zum Herbst hingezogen hätte - zunächst ein Gutachten, das die Schriften Gedeons auf Antisemitismus prüft, erst dann ein (möglicher) Ausschluss.
Meuthen ordnete sich dem zunächst unter, befürchtete aber eine sich über die Sommerpause hinziehende Debatte, in der Petry hinter den Kulissen immer wieder in seiner Fraktion und in seinem Landesverband hätte eingreifen können. Am Abend hieß es dann wieder überraschend, nach Intervention von Petry habe der Abgeordnete Wolfgang Gedeon nun doch seinen Austritt aus der Fraktion erklärt.
Seit Monaten nur eine Frage: Wer führt die AfD?
Tatsächlich war auch dieser Konflikt nur vordergründig. Seit Monaten geht es in der AfD - wie im vergangenen Jahr unter dem ausgetretenen Mitgründer Bernd Lucke - eigentlich nur um eine Frage: Wer setzt sich durch, Meuthen oder Petry? Ein veritabler Machtkampf ist im Gange - und er vollzieht sich ausgerechnet in einer Phase, in der die AfD in Umfragen weiterhin stabil bei über zehn Prozent liegt und in einigen Ländern, die in diesem September Wahlen abhalten (Berlin und Mecklenburg-Vorpommern) sogar Zugewinne zu verzeichnen hat. Wird dieser Machtkampf der AfD auf Dauer schaden? Ausgemacht ist das nicht: Den Wählern dieser Partei waren die Intrigen ihres Führungspersonals auch bislang herzlich egal.
Das ist ja die Krux mit der AfD. Bei ihr ist vieles anders. Wer glaubt, es ginge jetzt um den Kampf von Strömungen, der irrt. Solche Zuschreibungen passen hier nicht. In dieser Partei vermischt sich vieles: Petry hat mit ihrem Lebensgefährten Marcus Pretzell, dem AfD-Landeschef von Nordrhein-Westfalen, den Kontakt zur rechtspopulistischen FPÖ in Österreich gesucht; Pretzell wiederum gehört als Europaabgeordneter seit diesem Frühjahr der ENF in Brüssel an, in der der rechtsradikale Front National von Marine Le Pen das Sagen hat. Der sich nach außen hin zurückhaltend gebende Volkswirtschaftsprofessor Meuthen hingegen pflegt zusammen mit AfD-Vize Alexander Gauland den Kontakt zum Rechtsausleger der Partei, dem völkischen Redner und Thüringer Landes- und Fraktionschef Björn Höcke.
Wer ist da nun gemäßigter oder rechter als der andere Flügel? Rechtspopulistisch sind sie im Bund oder im Land allesamt, ob sie Meuthen oder Petry, Gauland oder Höcke heißen. Lediglich in der Dosierung unterscheiden sie sich voneinander.
Der Konflikt, der sich nun abspielt, ist zudem nicht ohne den menschlichen Faktor Sympathie und Antipathie zu begreifen. Meuthen, Gauland und Höcke (und andere in der Führung) teilen eine tiefe Abneigung gegen Petry und Pretzell. Sie halten das Paar für intrigant, für Solotänzer, für Selbstdarsteller - jenseits aller möglichen politischen Differenzen. Vor rund vier Wochen luden die drei AfD-Männer Meuthen, Gauland und Höcke eine Gruppe von Journalisten - darunter auch den Autor dieser Zeilen - zu einem Hintergrundgespräch in ein Café in Berlin ein. Was an diesem Sommerabend über Petry gesprochen wurde, darf bis heute nicht zitiert werden. Klar war an diesem Abend jedenfalls: Zwischen diesem Trio und dem Duo Petry und Pretzell wird es keinen Frieden mehr geben.
Was folgt nun? In den vergangenen Wochen ging es Meuthen, Gauland, Höcke (und anderen führenden AfD-Mitgliedern) hinter den Kulissen darum, Petry als Spitzenkandidatin im Bundestagswahlkampf zu verhindern. Nun aber, nach dem Bruch von Stuttgart, liegt offen zu Tage, worum es sich eigentlich dreht: um eine AfD mit oder ohne Petry (und Pretzell) an der Spitze. Meuthen und die anderen werden sich irgendwann entscheiden müssen, ob sie die Co-Chefin stürzen wollen. Kampflos wird Petry nicht aufgeben.