Neurechter Professor der Universität Leipzig in der Kritik

Jura-Professor Thomas Rauscher
Erstveröffentlicht: 
03.05.2016

Durch neurechte Inhalte wie „Je suis Pegida“ und „Europa den Europäern“ ist Jura-Professor Thomas Rauscher Anfang des Jahres auf Twitter aufgefallen. Gepostet hat er als Privatperson, sein wissenschaftliches wie persönliches Ansehen an der Universität Leipzig ist seitdem jedoch enorm geschwunden.

 

Leipzig. Das Jahr 1993 - es bleibt den meisten Deutschen vor allem wegen der Wahl Bill Clintons zum US-Präsidenten, dem verheerenden Brandanschlag auf eine türkische Familie in Solingen und Steffi Grafs Sieg in Wimbledon in Erinnerung. Für Thomas Rauscher ist der Herbst ’93 ein ganz besonderer: Nach Stationen als Lehrstuhlvertretung in Frankfurt, Hamburg und Marburg tritt er im Oktober seine erste ordentliche Professur an. An der Universität Leipzig bekommt er den Lehrstuhl für Internationales Privatrecht, Rechtsvergleichung sowie Bürgerliches Recht.

 

Beinahe zwanzig Jahre hat der gebürtige Erlanger zuvor in München gelebt; hat als Diplomand (Mathematik, Jura) und Doktorand (Jura) an der Ludwig-Maximilian-Universität und dem Oberlandesgericht München geforscht und gearbeitet. Heute sitzt Rauscher in seinem Büro in der Juristenfakultät in der Leipziger Burgstraße. Wenn er hier von seiner bayerischen Heimat erzählt, von der Kirche und dem Marterl, die für ihn dort einzig zur Landschaft gehören, könnte man das als melancholische Heimatverbundenheit deuten. Kennt man Rauschers Twitter-Account, auf dem er unter dem Namen @Rauscher_RO vorwiegend die Themen Migration, Flucht und Asyl kommentiert, wirft das Bild vom bayerischen Idyll dunkle Schatten.

 

"Die ‚Angst des weißen Mannes‘ sollte wehrhaft werden!“

 

Anfang Februar war es, als Twitter-Nutzer auf die neurechten Inhalte Rauschers aufmerksam geworden waren. Dort heißt es etwa „Es ist natürlich sich zu wehren, wenn die eigene Kultur untergeht. Die ‚Angst des weißen Mannes‘ sollte wehrhaft werden!“ oder „Es gibt keinen friedlichen Islam. Dschihad ist der Auftrag dieser Leute.“ Schnell gelangte die Nachricht vom rechtspopulistischen Professor damals unter die Studierendenschaft und in die Medien. Gleichzeitig wurde der Vorwurf laut, ein Professor, der ein derartiges Weltbild öffentlich zur Schau stelle, widerspreche dem Leitbild der Universität Leipzig. „Festgeschrieben ist, dass sich alle Mitarbeitenden dem Wohl der Menschen verpflichten. Wir fragen uns, wie dies mit den offenen rassistischen und homophoben Positionen Professor Rauscher gewährleistet werden kann“, heißt es in einem offenen Brief der Studenteninitiative ‚Legida? Läuft nicht!‘ vom 30. Januar. Da Rauscher zu dem Zeitpunkt außerdem das Amt des Auslandsbeauftragten in der Juristenfakultät innehatte, waren seine politischen Positionen besonders pikant.

 

Der Islam gehört kulturell u politisch nicht zu D. Zum Vergleich: Mantrasteine gehören in den Himalaya, Marterl auf unsere Berge. So schwer?

— Thomas Rauscher (@Rauscher_RO) May 2, 2016

 

„In Deutschland herrscht mittlerweile eine Kontrollreaktion, die sich hier in den Kreisen jener, die glauben, die richtige Meinung zu haben, und sie dann auch kämpferisch gegen Abtrünnige durchsetzen müssen, ausbildet“, sagt Rauscher im Gespräch in seinem Büro. Vor dem massiven Bücherregal wirkt er noch magerer und sehniger. Er drückt sich gewählt aus. Er liest Zeitungen nicht, sondern „konsultiert“ sie, meint er  „Beleidigungen“, sagt er „Verbalinjurien“. Wenn er Andersdenkende als „Tugendwächter“ bezeichnet und sich dabei dem Jargon Thilo Sarrazins bedient, handelt er kalkuliert. Immer wieder fällt im Gespräch die Formulierung eines „sich selbst verstärkenden Mainstream“, der Rauscher ähnlich beängstigend scheint wie geflüchtete Menschen in seiner Heimat.

 

Guter Journalismus würde die Möglichkeit plumper Diffamierung von links in Betracht ziehen https://t.co/8px4uOAJ3C via @SZ

— Thomas Rauscher (@Rauscher_RO) March 20, 2016

 

Moral als Instrument zur Zensur

 

Fragt man ihn nach seiner Definition von Meinungsfreiheit, so antwortet er nüchtern: „Meinungsfreiheit ist schlicht Artikel 5, Absatz 1, Grundgesetz: Jeder hat das Recht, seine Meinung auszudrücken in den Grenzen der allgemeinen Gesetze.“ Paragraphen beherrscht Rauscher, er ist Zivilrechtler durch und durch. Aus moralischer Perspektive sind seine Argumente jedoch fragwürdig. Moral? - Rauscher wiegelt ab. Der Begriff ist für ihn lediglich ein beliebtes Instrument zur Zensur von Meinungen. Konfrontiert mit der Verantwortung, die man in Zeiten brennender Flüchtlingsunterkünfte als Meinungsäußernder auf Twitter durchaus mitträgt, sagt Rauscher: „Ich handle aus tiefer Verantwortung – für unser Land.“

 

Im Mai 2013 tritt Rauscher dem sozialen Netzwerk Twitter bei, weil er als FDP-Kandidat für die Bundestagswahl Stimmen werben will – erfolglos. Rauscher tritt daraufhin aus der FDP aus und lässt den Account einschlafen. Im September vergangenen Jahres reaktiviert er ihn wieder – kurz nach der Aussetzung des Dublin-Verfahrens für syrische Flüchtlinge und während der Verhandlungen des Koalitionsausschusses über das Maßnahmenpaket zur Flüchtlingslage. Rauscher hat damals nicht einmal 20 Follower. Die Argumentationen in seinen Tweets baut er meist um Artikel aus Süddeutscher Zeitung, FAZ und Welt auf. Drei Leitmedien, die er für den kulturellen Verfall des Landes mitverantwortlich sieht. „Im Journalismus entwickelt sich gerade ein ganz starker erzieherischer Wunsch“, sagt Rauscher. Durch „soufflierende“ Leitmedien könne sich der von ihm so oft angesprochene Mainstream viel stärker entfalten. „Meinungen, die den Ansichten der Presse nicht passend erscheinen, werden dann natürlich auch relativ schnell verfolgt, mit Aggression bedacht und versucht auszumerzen“, sagt Rauscher. Oft zitiert findet man auf seiner Twitter-Wand den Innenpolitik-Ressortleiter der Süddeutschen, Heribert Prantl, der wie Rauscher promovierter Jurist ist. Ihm wirft Rauscher vor, seine Erfahrung als Rechtswissenschaftler in seine Berichterstattung einzubringen und so zu versuchen, „steuernden, manipulativen Journalismus“ zu machen.

 

Persönliche politische Meinung und Lehre nicht strikt voneinander zu trennen

 

Für Rauscher ist die Frage, wo Meinungsfreiheit beginnt und wo sie endet, dank seiner Paragraphen einfach zu beantworten. Es fällt ihm auch leicht, die Grenzen der Anderen zu definieren - derer, die versuchen, ihn in moralische Schranken zu weisen. Für die Uni Leipzig sind Rauschers Twitter-Aktivitäten nicht ganz so einfach zu handhaben. Weil er als Privatperson öffentlich Stellung bezieht, kann er in seiner Position als Professor nicht belangt werden. Rektorin Beate Schücking distanzierte sich nach der öffentlichen Diskussion um Rauscher jedoch von dessen Person. Für Rauscher ein Unding: „Die Art, in der sich die Rektorin in der Angelegenheit geäußert hat, ist im Grunde bereits ein Eingriff in meine Meinungsfreiheit.“ Schücking gebe damit eine Wertung der Meinung ab, derer sich die Unileitung eigentlich enthalten müsse, so Rauscher.

 

Fachlich gesehen genießen Professoren eine größere Meinungsfreiheit als andere Beamte wie etwa Lehrer, diese beruht auf der Freiheit von Forschung und Lehre. Auch Rauscher hat beim vergangenen Donnerstagsdiskurs im Audimax der Universität das erste Mal öffentlich zugegeben, dass persönliche politische Meinung und Lehre nicht strikt voneinander zu trennen seien. Studierende und Fakultätsvertreter hatten bereits vor einigen Wochen eine Neuwahl des Auslandsbeauftragten gefordert. Die Antragsteller begründeten dies damit, dass sich muslimische Studierende durch Rauschers Bewertung des Islam diskriminiert fühlen könnten – schließlich sollen sich ausländische Studierende an den Auslandsbeauftragten als Vertrauensperson wenden, wenn sie Probleme aufgrund ihrer Herkunft haben.

 

...als Auslandsbeauftragter gefeuert,in Vorlesungen bespitzelt,bei jedem Wort vom Rat der Tugendwächtern kontrolliert.Das ist doch sinnlos

— Thomas Rauscher (@Rauscher_RO) May 1, 2016

 

Für Rauscher „ein Antrag, der versucht hat, einen Spagat zu gehen zwischen der Vermeidung des Eingriffs in meine Meinungsfreiheit und dem Erreichen eines Ziels, nämlich mich abzuwählen. Dieser Spagat konnte nicht gelingen.“ Er konnte doch: der Posten des „Auslandsbeauftragten“ der Juristenfakultät wurde im April mit sofortiger Wirkung abgeschafft und durch die eines „Ausländerbeauftragten“ ersetzt. In Kürze wird der Fakultätsrat diesen Posten neu besetzen.

 

Von Nadja Neqqache