Nach den Anschlägen in Brüssel werden sich viele fragen: Wie gefährdet sind wir selbst? Ist es möglich, dass auch wir Opfer eines globalen Dschihad werden - eines Terrors, der keine Staatsgrenzen kennt? Hierzulande hat der Verfassungsschutz die Aufgabe, ein Frühwarnsystem zu sein, um solche Ereignisse möglichst vorauszusehen und zu verhindern. Aber wie soll das gehen?
Eine düstere Vorahnung gab es schon, sagt Gordian Meyer-Plath, Chef des Verfassungsschutzes in Dresden: "Das Unbehagen war nach den Anschlägen von Paris dauerhaft da. Es war deutlich, dass dieses Netzwerk nicht in Gänze zerschlagen werden konnte. Mit der Verhaftung der Person in Brüssel vergangene Woche war klar, dass es in irgendeiner Form eine Reaktion darauf geben würde." Trotzdem konnten die Anschläge vom Dienstag nicht verhindert werden.
Für Sachsen gelte laut Meyer-Plath derzeit: "Keine Entwarnung! Das haben uns die Bilder von Brüssel noch einmal ganz deutlich gezeigt. Wir sind Fokus und Feindbild von Attentätern dieser Art. Aber neue Erkenntnisse für die Lage in Sachsen ergeben sich daraus nicht."
Unmittelbar nach den Anschlägen lief europaweit die Fahndungs-Maschinerie an, zu der auch Meyer-Plaths Behörde in Dresden gehört: "Dann fließen sofort die Informationen über unsere Kollegen vom Bund hierher. Es werden alle greifbaren Informationen, Namen oder andere möglicherweise relevante Informationen gegengeprüft: ob es Erkenntnisse bei uns darüber gibt, ob es Bezüge gibt, ob wir zur Identifizierung etwas beitragen oder Netzwerke erkennen können. Das geht dann ganz schnell wieder zurück zur Zentralstelle, wo das Lagebild ständig aktualisiert wird." Ob eine Spur aus Brüssel nach Sachsen verlief, dazu mochte sich der Geheimdienstchef nicht äußern. Zur Erinnerung: Ein mutmaßlicher Terrorkomplize der Paris-Attentäter war in Bayern verhaftet worden, auf der A8 bei Rosenheim.
Der sächsische Verfassungsschutz ist offenbar auf drei Ebenen wachsam. Meyer-Plath nennt zunächst die Erstaufnahmeeinrichtungen und Asylbewerberunterkünfte: "Wie genau wir das machen, kann ich hier nicht sagen. Aber wir haben natürlich unsere Ohren offen, ob darüber gesprochen wird. Wir prüfen, ob da Personen sind, bei denen es Hinweise gibt, dass sie schon in den Bürgerkriegsgebieten selber für Terrororganisationen aktiv waren. Oder ob es Radikalisierungsprozesse im Nachgang zu ihrer Flucht oder ihrer Reisebewegung in Richtung Europa gegeben hat. Da kriegen wir auf verschiedenste Weise Hinweise aus der Öffentlichkeit, aber auch aus unserem eigenen Aufkommen, denen wir dann nachgehen."
Zudem beobachte Meyer-Plaths Behörde, ob muslimische Gemeinden oder Moscheen salafistischer Prägung versuchen, Neuankömmlinge zu rekrutieren: "Bisher finden aus unserer Sicht hier noch keine nennenswerten Aktivitäten seitens der Salafisten in Sachsen statt." Und dann gehe es um diejenigen, die gerne verniedlichend "Dschihad-Touristen" genannt werden: Deutsche, die in Syrien oder dem Irak für den IS gekämpft haben und dann nach Deutschland zurückkehren - möglicherweise mit Terror-Absicht. Meyer-Plath sagt: "Bekannt sind die beiden Personen aus dem Erzgebirge, die in die Bürgerkriegsgebiete ausgereist sind. Wir gehen davon aus, dass dort eine Person nach wie vor aktiv ist. Die andere ist zurückgekehrt und muss sich dafür vor Gericht verantworten." Dieser junge Mann ist auf freiem Fuß und lebt wieder bei seinen Eltern. Er muss sich aber drei Mal in der Woche bei der Polizei melden. Sein Freund ist mit internationalem Haftbefehl zur Fahndung ausgeschrieben.