Identitäre Bewegung - Polizei mit Kontakt nach rechts

Erstveröffentlicht: 
18.03.2016

Das Polizeipräsidium Osthessen unterhielt Kontakte zur rechtsextremen „Identitären Bewegung". Dies geht aus einer Antwort des hessischen Innenministeriums auf eine kleine Anfrage der Fuldaer SPD-Landtagsabgeordneten Sabine Waschke hervor.

 

Als die FR im Juli 2015 über die Aktivitäten der rechten „Identitären Bewegung“ (IB) in Osthessen berichtete, war vor Ort die Verwunderung groß. Insbesondere als sich herausstellte, dass es sich bei dem damaligen Regionalleiter der hessischen Identitären um Marcel V. aus Neuhof handelte, der als Abteilungsleiter Fußball in einem örtlichen Sportverein einen gewissen Bekanntheitsgrad genoss. Bei einer Behörde dürfte sich die Verwunderung indes in Grenzen gehalten haben: beim Polizeipräsidium Osthessen.

 

Wie aus der Antwort des hessischen Innenministeriums auf eine kleine Anfrage der Fuldaer SPD-Landtagsabgeordneten Sabine Waschke hervorgeht, wusste das Polizeipräsidium Osthessen bereits seit Anfang 2014 um die Identität des hessischen Regionalleiters der Identitären, die unter anderem durch fremdenfeindliche Flugblätter im Umfeld geplanter Flüchtlingsunterkünfte im Landkreis Fulda auf sich aufmerksam gemacht hatten. Zu ihm habe persönlicher und telefonischer Kontakt bestanden, heißt es in der Antwort des Innenministeriums. Ziel sei der Erkenntnisgewinn über ein Deutschlandtreffen der Identitären Bewegung im April 2014 in Neuhof sowie eine „präventive Wirkung“ gegenüber Marcel V. gewesen.

 

Das Innenministerium bestätigt damit Aussagen, die ein Administrator der Facebook-Seite der hessischen Identitären in einem Chat tätigte, dessen aufgezeichneter Verlauf der FR vorliegt. 

 

„Den kannten sie ja“


Darin behauptet dieser, dass die Polizei lange wusste, dass Marcel V. bei den Identitären das Sagen hatte und man in regelmäßigem Kontakt mit den Behörden stand. „Den kannten sie ja und konnten sich mit ihm arrangieren“, erklärt der unbekannte Administrator. Marcel V. war nach Bekanntwerden seiner Identität als Regionalleiter zurückgetreten.

 

Die Antwort des Innenministeriums wirft allerdings die Frage auf, warum Marcel V. und die Identitären nach dem Verteilen offen ausländerfeindlicher Flugblätter nicht ebenfalls von den Sicherheitsbehörden zumindest befragt wurden. In der Antwort des Innenministeriums heißt es, dass eine solche Kontaktaufnahme unterblieb. Und das obwohl sich im Frühjahr 2015 bereits eine Reihe von Übergriffen auf Flüchtlingsunterkünfte im Landkreis Fulda ereignete. Das Polizeipräsidium Osthessen konnte diese Fragen am Freitag nicht mehr beantworten. Eine mögliche Begründung mag sein, dass die Identitären erst seit Dezember 2015 vom hessischen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft und beobachtet werden. Vorher hatte es geheißen, dass keine Anzeichen für verfassungsfeindliche Ziele vorlägen.

 

Dabei waren die hessischen Identitären zu diesem Zeitpunkt nach Erkenntnissen der FR bereits mit anderen rechtsradikalen Gruppen vernetzt. So war Marcel V. in der Facebook-Gruppe „Weil Deutsche sich’s noch traun!“ aktiv, einem Sammelbecken von Rechtsradikalen und Fußball-Hooligans, die als Keimzelle der späteren „Hooligans gegen Salafisten“ gilt. Dort bot er unter Klarnamen an, Identitäre zur Unterstützung von Aktionen gegen Salafisten zu mobilisieren. Entsprechende Screenshots, die V.s Aussagen belegen, liegen der FR vor. Marcel V. selbst lehnte eine Stellungnahme gegenüber der FR ab.

 

Nach dem Rücktritt von Marcel V. als Regionalleiter haben die Aktivitäten der IB nicht nachgelassen. Anfang Februar hängten Anhänger ein Plakat auf einer Fußgängerbrücke über der Theodor-Heuss-Allee in Frankfurt auf. „Angela Merkel stoppen – Grundgesetz schützen“ stand darauf zu lesen. Ein weiterer Aktivitätsschwerpunkt war in den letzten Monaten Gießen, wo Ende Dezember ebenfalls Anhänger der Identitären demonstrierten. Daran soll sich auch ein Mitglied des Gießener Ortsvereins der AfD beteiligt haben. Keine überraschende Überschneidung. Exregionalleiter Marcel V. war zumindest bis zum letzten Sommer ebenfalls AfD-Mitglied. Der stellvertretende Sprecher des Ortsverbands Main-Taunus Ost, Patrick Andreas Bauer, hatte im Sommer 2015 an mindestens einem Treffen der Identitären in Frankfurt teilgenommen.