Fremdenfeindliche Attacken in Clausnitz und Bautzen Kritik an Übergriffen und Sachsens Politik

Erstveröffentlicht: 
22.02.2016

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die fremdenfeindlichen Vorfälle in Clausnitz verurteilt. Was dort geschehen sei, "ist zutiefst beschämend", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert im Namen der Kanzlerin. "Wie kaltherzig, wie feige muss man sein, um sich vor einem Bus mit Flüchtlingen aufzubauen und zu pöbeln und zu grölen, um den darin sitzenden Flüchtlingen, darunter viele Frauen und Kinder, Angst zu machen."

 

Seibert: "Unser Land ist anders"


Seibert wandte sich allerdings auch gegen Pauschalurteile über die betreffende Region: "Es ist gut, dass es in Deutschland und auch in der Region, in der das geschehen ist, so viele Menschen gibt, die tagtäglich zeigen, unser Land ist anders." Bei aller Diskussion über die Flüchtlingspolitik sei der Bevölkerung in Deutschland bewusst, "dass es im Kern um Menschen in Not geht und diese Menschen behandeln wir mit Anstand und Mitgefühl", sagte der Regierungssprecher weiter.

 

Tillich spricht von einer Schande für das Land


Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich verurteilte am Montag im Gespräch mit MDR SACHSEN die jüngsten Übergriffe auf Flüchtlinge und sprach er von einer Schande für das Land. Die Vorfälle bewegten sich am Rande des Verbrechens, so Tillich. Er forderte zugleich, dass alle gesellschaftlichen Kräfte an der Integration von Flüchtlingen mitwirken müssten. Tillich hatte schon am Wochenende gesagt: "Das sind keine Menschen, die sowas tun. Das sind Verbrecher."

 

Wir müssen uns zunächst fragen, haben wir eigentlich genug Polizeikräfte vor Ort gehabt, hat die Polizei dann richtig reagiert. [...] Die Polizei hat den Auftrag, die Flüchtlinge zu schützen. Ich frage mich auch, warum ist das eigentlich vorher nicht geschehen.

Sachsens Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth

 

Sondersitzung des Innenausschusses am Freitag


Sachsens Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth äußerte sich entsetzt über den "Mob", der den ankommenden Flüchtlingsbus am Donnerstag in Clausnitz blockiert hat. Im Inforadio Berlin-Brandenburg sagte Mackenroth, der "Mob" habe "fast alle zivilisatorischen Errungenschaften der letzten 1.000 Jahre hinter sich gelassen." Diese Menschen seien nicht dialogbereit und würden sich abseits von der Gesellschaftsordnung stellen. "So funktioniert Demokratie nicht", sagte Mackenroth. Zudem werde die Parole "Wir sind das Volk" missbraucht.

Nach dem umstrittenen Polizeieinsatz in Clausnitz sieht Mackenroth erheblichen Aufklärungs-Bedarf. Er begrüße, dass es zu den Vorfällen eine Sitzung des Innenausschusses im Sächsischen Landtag geben werde, sagte Mackenroth und räumte mögliche Versäumnisse ein. Die Sondersitzung wurde für diesen Freitag angesetzt.

 

Reaktionen der Bürgermeister von Bautzen und Clausnitz

 

Ahrens: "Wir lassen uns das nicht gefallen"


Der Bautzner Oberbürgermeister Alexander Ahrens kündigte nach dem Brandanschlag auf die geplante Asylunterkunft in seiner Stadt entschiedenen Widerstand gegen Fremdenfeinde an. Im ARD-"Morgenmagazin" sagte er: "Wir lassen uns das nicht gefallen. Wir lassen uns von ein paar Hohlköpfen nicht die Stadt kaputt machen." In der Vergangenheit sei in Sachsen bereits einiges schief gelaufen; zu lange seien Dinge relativiert worden.

 

Auch geistiger Brandstiftung, wie der von Sachsens AfD-Vorsitzender Frauke Petry, müsse stärker entgegengetreten werden. "Wir werden in Sachsen über eine gemeinsame Strategie in der Politik nachdenken müssen", sagte der parteilose Ahrens. Er hoffe, dass der Vorfall für die Mehrheit der Bevölkerung in seiner Stadt ein "Weckruf" sei.

 

Funke: "Krawall-Touristen" hinter Anfeindungen

 

Der Clausnitzer Bürgermeister Michael Funke machte für die Feindseligkeiten gegen Flüchtlinge in seiner Gemeinde Auswärtige verantwortlich. Er habe diese Leute nicht gekannt, sagte Funke bei einem Besuch der sächsischen Integrationsministerin Petra Köpping in Clausnitz. Funke sprach von "Krawall-Touristen". Zugleich beteuerte er, dass er sich für die Anfeindungen schäme.

Integrationsministerin Köpping verurteilte Frust und Hass in Bezug auf Flüchtlinge. Dies sei der absolut falsche Weg. "Dieser Hass ist durch nichts zu entschuldigen", sagte sie. Zugleich appellierte die Ministerin, bei allen Diskussionen um Ausländerfeindlichkeit in Sachsen die vielen Helfer nicht zu vergessen, die sich um Flüchtlinge kümmerten. Die Landespolitik müsse diese Menschen unterstützen.

 

In dem Dorf Clausnitz hatten am Donnerstag rund 100 Menschen einen Bus mit Flüchtlingen blockiert und versucht, den Einzug der Asylbewerber in eine neue Unterkunft zu verhindern. Die aggressiven Proteste hatten bundesweit für großes Entsetzen gesorgt. In Bautzen zeigten Schaulustige in der Nacht zum Sonntag unverhohlen Schadenfreude über den vermutlich absichtlich gelegten Brand einer Asylunterkunft.