Baden-Württembergs NSU-Untersuchungsausschuss geht zu Ende

Erstveröffentlicht: 
16.01.2016

Kiesewetter war ein Zufallsopfer - Massive Mängel bei der Ermittlungsarbeit - Ausschuss wird fortgesetzt

 

Ein gutes Jahr war viel zu kurz: Der NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags hat binnen zwölf Monaten ein Mammutprogramm beendet und gestern in einem 1000-seitigen Abschlussbericht zusammengefasst. Alle Bewertungen fielen einheitlich aus: "das ist eine Besonderheit in der baden-württembergischen Parlamentsgeschichte", so der Gremiumsvorsitzende, der SPD-Abgeordnete Wolfgang Drexler. Und als Schwabe weiß er auch ganz genau, was die 39 Sitzungen mit 136 Zeugen und 18 Sachverständigen gekostet haben: Exakt 1 107 098 Euro 84 Cent.

 

Das Geld, vor allem aber das Engagement der Abgeordneten war es wert. Umfassend wollte man aufklären, wie die Behörden des Landes und des Bundes bei der Aufklärung des Heilbronner Polizistenmordes zusammengearbeitet haben. Welche Fehler und Versäumnisse begangen wurden, welche Verbindungen das NSU-Trio in den Südwesten pflegte und ob man den mutmaßlichen Mördern Uwe Böhnhard und Uwe Mundlos nicht früher hätte auf die Schliche kommen können und müssen. Hinzu kamen Umtriebe von Polizisten im rassistischen Ku-Klux-Klan (KKK) und der Selbstmord des Neonazis Florian H., der sich als Geheimnisträger ausgab und sich später in seinem Auto verbrannte.

 

Das alles aufzuklären ist nicht ganz gelungen, insbesondere die Frage, warum Heilbronn zur Zielscheibe der Terroristen wurde, soll nach der Wahl in einer Neuauflage des Gremiums weiter ausgeleuchtet werden. Aber die Abgeordneten haben es ohne Parteiengezänk geschafft, zumindest die wagemutigsten Verschwörungstheorien ad absurdum zu führen. So besteht kein Zweifel, dass die Polizistin Michèle Kiesewetter ein Zufallsopfer war und keine Beziehungen in die rechte Szene pflegte. Auch für weitere Täter gibt es keine Hinweise. Böhnhard und Mundlos sollen neben der Polizistin neun Türken und Griechen in der ganzen Bundesrepublik getötet und sich später in einem Wohnmobil das Leben genommen haben. Schließlich: Florian H. starb nach Ansicht des Gremiums durch eigene Hand und wurde nicht von Dritten aus dem Weg geräumt. Der psychisch auffällige jungen Mann hatte behauptet, er kenne Kiesewetters Mörder, nahm sich dann aber in seinem Auto das Leben.

 

Gleichwohl wurden etliche Mängeln in der Behördenarbeit bilanziert: Mangelnde Absprachen, schludrige Ermittlungen, schleppende Disziplinarmaßnahmen. Deshalb gibt der Ausschuss eine Reihe von Empfehlungen. So soll der Fortsetzungsausschuss erneut die Bezüge des NSU-Trios zum Südwesten beleuchten. Einstimmig beschlossen ist auch, dass die Polizeiausbildung dahingehend verbessert werden muss, dass politisch motivierte Umtriebe von Beamten wie innerhalb des KKK schneller erkannt und nicht bagatellisiert werden.