Wird es wieder so schlimm wie 1999 – als der Kurden-Konflikt auch Stuttgart mit Brandanschlägen und Großeinsätzen der Polizei ein Atem hielt? Nach dem Brandanschlag in Feuerbach hat sich die Kurdische Gemeinde zu Wort gemeldet.
Vielleicht finden die Ermittler irgendwo noch ein Feuerzeug. Wie etwa 2004 bei einem Brandanschlag auf ein türkisches Lokal in Weilheim im Kreis Esslingen, wo ein Feuerzeug am Tatort einen 26-jährigen Kurden überführte. Besser wäre ein Pass, wie 1999 beim Brandanschlag auf die Räume des Islamischen Solidaritätsvereins in Stuttgart-Wangen, der einen 18-jährigen Kurden als Täter entlarvte.
Der Brandanschlag am Dienstag auf den Moscheeverein in Feuerbach wird wohl nicht so leicht zu lösen sein. „Die Auswertung des Videomaterials benötigt einige Zeit“, sagte Polizeisprecher Olef Petersen am Mittwoch. Vier Vermummte hatten am Dienstag um 1.39 Uhr in der Mauserstraße Brandsätze in die Räume einer Buchhandlung geworfen. Dabei gab es mindestens 80.000 Euro Schaden, zwei Personen konnten sich unverletzt ins Freie retten.
Erste Bekennerschreiben im Internet
Flammt nun wieder eine unglückselige Serie von Brandanschlägen auf, die 1999 in Stuttgart und der Region ihren traurigen Höhepunkt hatte? Nach Informationen unserer Zeitung dürfte der Kurden-Konflikt in der Türkei der Hintergrund des Anschlags sein. Der Tod zweier kurdischer Jugendlicher in Südostanatolien, in einem Altstadtviertel von Diyarbakir, die von türkischen Sicherheitskräften erschossen worden sein sollen, hatte Emotionen auch in Stuttgart hochkochen lassen. Die „Stuttgarter Zeitung“ hat überdies eine Internetseite gefunden, auf der sich Unbekannte zu dem Anschlag bekennen, ein Kommando namens Rache für Baran Dersim. Dabei handelt es sich um den hochrangigen PKK-Funktionär Ismail Aydemir, der im September von türkischen Streitkräften getötet wurde. Die Echtheit des Schreibens ist noch unklar.
Kurden-Organisationen distanzieren sich
Am Mittwoch haben kurdische Organisationen in Stuttgart den Brandanschlag in Feuerbach „zutiefst verurteilt“. In einer Erklärung der Kurdischen Gemeinde Stuttgart, des Demokratischen Zentrums der Kurdischen Gesellschaft in Stuttgart und der Gesellschaft gegen Genozid in Dersim heißt es: „Wir distanzieren uns von jeglicher Gewalt, sei es in Deutschland oder in der Türkei, sei es von türkischer oder kurdischer Seite.“ Gewalt führe nie zu einer Lösung, sondern nur zu einer weiteren Verschärfung der aktuellen Situation. „Eine Verschärfung, an der niemand gelegen sein kann“, so der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde, Süleyman Sever. Als in Stuttgart lebende Kurden „hat für uns das friedliche Zusammenleben aller Migranten oberste Priorität“, so Sever. „Eine gewaltsame Auseinandersetzung zwischen verschiedenen politischen oder ethnischen Gruppen kann nicht in unserem Interesse sein und wird von uns mit aller Konsequenz abgelehnt.“
Dieses Bekenntnis steht im Gegensatz zu Erklärungen der Apoistischen Jugendinitiative: Diese ruft „alle in Europa lebenden kurdischen Jugendliche zu militanten Aktionen auf“. Freilich: In Stuttgart ist eine Demonstration des Mesopotamischen Kulturvereins am Dienstagabend mit 200 Teilnehmern in der Innenstadt friedlich verlaufen. Am Abend zuvor indes war bei einer Spontankundgebung vor dem Türkischen Generalkonsulat am Kernerplatz noch eine Puppe verbrannt worden – ehe Stunden später ein Quartett die Räume des Moscheevereins in Feuerbach ins Visier nahm.
Die Neunziger: Schlimme Tage in Stuttgart
In Sicherheitskreisen wird eine weitere Radikalisierung befürchtet. Besonders schlimm war es in Stuttgart Ende der 90er Jahre gewesen. Im November 1998 hatten sich zwei Kurden im Gefängnis in Stammheim in Brand gesetzt, einer starb an den Verletzungen. Immer wieder gab es Brandanschläge auf türkische Vereinsräume, Gaststätten, Geschäfte und ein Möbelhaus. Tatorte waren Bad Cannstatt, Stuttgart-Ost, Wangen, Plieningen und Zuffenhausen. Hintergrund: 1999 war PKK-Chef Öcalan in der Türkei verhaftet worden.
In einem neuen Licht erscheint da ein rätselhafter Brandanschlag vor drei Wochen in Zuffenhausen. Unbekannte hatten in der Taläckerstraße einen Brandsatz in ein leeres Bürogebäude geworfen, das umgebaut wird. 14 schlafende Arbeiter im Obergeschoss kamen mit dem Schrecken davon. Auf den ersten Blick gibt es keinen türkischen Bezug. Vieles, wissen Kriminalisten, offenbart sich auch nicht auf den ersten Blick.